2. Einführung des Themas "Chemie" in der ersten Klasse

Die erste Doppelstunde der Unterrichtseinheit beinhaltet die Einführung in die chemischen Inhalte. Die gewählte Art der Einführung besteht aus einer Kombination von drei verschiedenen Einführungsmethoden. Es wird die Form des "Vorzeigens" mit der Methode der "Ideensammlung" und der des "Experimentes" verknüpft. Für die Einführung wird sich eine ganze Doppelstunde Zeit genommen, um die Vorerfahrungen und Interessenslage der Schüler zu erkunden.
Zu Beginn der Doppelstunde sind die für den Flammenfärbungsversuch benötigten Materialien auf dem Pult aufgebaut. Nach der Beschreibung der vorgezeigten Utensilien entwickelt sich ein Klassengespräch. In diesem werden folgende Inhalte thematisiert: als erstes finden Überlegungen darüber statt, wo Chemie im Alltag anzutreffen ist, dann werden drei Haupttätigkeiten der Chemiker herausgearbeitet und veranschaulicht, und als letztes werden gemeinsam Sicherheitsregeln aufgestellt.
Den Schluss der ersten Doppelstunde bildet die Vorführung des Lehrerexperimentes.

2.1 Einführung über das "Vorzeigen"
2.1.1 Grundüberlegungen zur Didaktik des Vorzeigens
Um die Schüler einer ersten Klasse für die Behandlung chemischer Inhalte zu motivieren, bedarf es eines interessanten Einstiegs, soweit sich dieser nicht situativ ergibt.
Eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Schüler für chemische Phänomene des Alltags im Unterricht aufzugreifen, könnte in der Form der Vorführung eines Lehrerexperimentes stattfinden. Bevor das Experimentieren beginnen kann, sollten die dafür benötigten Utensilien jedoch nicht unbeachtet und kommentarlos bleiben. Die Umsetzung dieser Anregung erfolgt durch das Vorzeigen und Benennen der Materialien, die für den Versuch aufgebaut sind.
Eine solche Art des Einstiegs wird in der Fachliteratur mit "Etwas vorzeigen" betitelt. Die Einbeziehung außerschulischer Lernorte, durch das Vorzeigen mitgebrachter Gegenstände aus diesem Bereich, ist ein kleiner Schritt in Richtung "Öffnung der Schule" nach außen, wie es in vielen Rahmenrichtlinien gefordert wird. (Vgl. GREVING / PARADIES 1996, 47)

2.1.2 Voraussetzungen und Vorbereitungen des Vorzeigens
Um ein neues Unterrichtsthema über den Einsatz von Vorzeigematerialien einzuleiten, bedarf es "nur" der Organisation der passenden Materialien und der Überlegung, welche didaktische Funktion die speziellen Gegenstände haben können.
Innerhalb dieser Doppelstunde erfüllen die mitgebrachten Materialien die Funktion, den Schülern spezifische, chemische und laboratorische Gegenstände vorzustellen und diese dann für die Vorführung eines Experimentes einzusetzen. (Zum Inhalt der chemischen und laboratorischen Gegenstände siehe Materialliste in Kapitel III: 2.1.5 Materialliste für den Flammenfärbungsversuch) Da eine wichtige Voraussetzung für das Durchführen von Versuchen die Aufstellung und Einhaltung bestimmter Sicherheitsregeln ist, müssen diese vorher gemeinsam erarbeitet werden. Die Erstellung eines Sicherheitsplakates wird im zweiten Teil der Einführung dokumentiert (vgl. Kapitel III: 2.2.5 Durchführung der Ideensammlung im Unterricht).

2.1.3 Didaktischer Kommentar zu der Methode des Vorzeigens
Was können Schüler durch Vorzeigen lernen?

Das Unterrichtsthema wird durch die mitgebrachten Gegenstände sinnlich erfassbar und auf anschauliche Weise konkret. So kann Schülern das Lernen erleichtert werden, denn "wie das Vormachen zur Nachahmung reizt, stiftet das Vorzeigen zum ‚Begreifen‘ im wörtlichen Sinne an" (GREVING / PARADIES 1996, 48).
Das Vorzeigen bringt eine Verlangsamung des Lernprozesses mit sich, denn Themen und Aussagen werden visuell unterstützt und können dadurch jederzeit wieder aufgegriffen werden. Diese Verlangsamung ist gerade in der Einführungsphase pädagogisch sinnvoll. Besonders bei der Thematisierung chemischer Inhalte in einem ersten Schuljahr sollten den Schülern viel Zeit und Rücksichtnahme entgegengebracht werden.

2.1.4 Nachteile und Schwächen des Vorzeigens
Das Organisieren und Mitbringen von vorzeigbaren Gegenständen erfordert Zeit und Einsatz von den Lehrkräften. Darüber hinaus kostet es meist viel Arbeit und großen häuslichen oder schulischen Stellplatz.

2.1.5 Materialliste für den Flammenfärbungsversuch
Werkzeuge aus dem Labor:

Chemikalien aus dem Labor:

2.1.6 Durchführung des Vorzeigens im Unterricht
Die auf dem Pult aufgebauten Materialien für das Vorführen eines Flammenfärbungsversuches erwecken gerade in der Weihnachts- und Silvesterzeit großes Interesse bei den Schülern. Insbesondere Geräte und Materialien, die aus dem Chemielabor stammen, wird ein hohes Maß an Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Einige Schüler können die mitgebrachten Gegenstände sehr genau beschreiben. Die Vorerfahrung ist erstaunlich, und einigen sind sogar Fachbegriffe bekannt. Der Gebrauch des Wortes "Gasbrenner" beispielsweise ist den meisten Kindern geläufig.
Ein Schüler beschreibt sogar sehr genau, wie er mit seiner Familie im Campingurlaub auf einem solchen Tee gekocht hat.
Und auf die Frage nach der Nutzung der mitgebrachten Gegenstände fällt der bezeichnende Ausdruck "Experimente machen". Einige Schüler kennen den Ausdruck, weil ein Elternteil diese Tätigkeit beruflich ausübt. Andere wiederum können von älteren Geschwistern berichten, die schon experimentiert haben.
Ebenfalls werden schwierige Wörter wie "Chemie" und "Chemiker" von den Schülern aufgegriffen und eigenständig und vertraut in ihrem korrekten Zusammenhang benutzt.
Die Begeisterung und der überraschend große Wortschatz für diesen Themenbereich lassen ein sachlich niveauvolles Gespräch entstehen, welches in der folgenden Ideensammlung genau beschrieben wird.

2.1.7 Reflexion über das Vorzeigen
Der Erfahrungs- und Interessenraum der Kinder diesen Alters im Hinblick auf die Chemie scheinen unterschätzt zu werden. Das Gespräch zeigt, dass die Schüler z. T. viele Vorerfahrungen und konkrete Vorkenntnisse auf diesem Gebiet besitzen.
Durch den Vergleich des Bunsenbrenners mit dem Spiritusbrenner der Eltern beim Campingurlaub stellt ein Schüler einen Zusammenhang der Chemie mit seiner Lebenswirklichkeit her.
Und dass der schwierige Ausdruck "Experimente" ohne Vorgabe durch die Lehrperson von den Schülern selbständig genannt wird, zeigt, dass ein Umgang mit chemischen Fachbegriffen nicht nur möglich ist, sondern auch der Lernmotivation der Schüler entspricht.
Um den fruchtbaren Einstieg fortzusetzen, sollte den Schülern an dieser Stelle die Gelegenheit eingeräumt werden, ihrem einsetzenden Gedanken- und Wortschwall Luft zu verschaffen. Hierzu eignet sich die Methode der "Ideensammlung", wie sie im nächsten Abschnitt beschrieben wird.

2.2 Einführung über die "Ideensammlung"
2.2.1 Grundüberlegungen zur Didaktik der Ideensammlung
Hier setzt eine neue Form der Einstiegsmethoden in das Unterrichtsthema ein, die so genannnte "Ideensammlung". (Die Ideensammlung ist die hier treffendere Umschreibung der Methode des "Planungsgesprächs", welche zu den "Assoziativen Gesprächsformen" zählt (vgl. GREVING / PARADIES 1996, 199ff.).) Ihr Grundsatz ist die spontane Sammlung von Ideen zu einem Thema, in diesem Fall zum Themenbereich "Chemie".
Logik und Vernunft werden in dieser Methode nicht ausgeblendet, sondern sind Ziel beim Planungsgespräch, welches Wert auf Realismus und Durchführbarkeit der Ideen legt.
Als Auslöser für die spontane Ideensammlung zum Thema Chemie fungieren hier die vorgezeigten Materialien für das Flammenfärbungsexperiment, welches im Anschluss an die Ideensammlung stattfinden soll.

2.2.2 Voraussetzungen und Vorbereitungen der Ideensammlung
Vergleicht man die Vorbereitungen der Methode der Ideensammlung mit der des Vorzeigens, so fallen sie weniger umfangreich aus. Doch empfiehlt es sich, einige Ideen und Anregungen parat zu haben, um das Gespräch in Gang zu halten und gegebenenfalls indirekt zu lenken. (vgl. GREVING / PARADIES 1996, 200)
Um wichtigen Inhalten eine anschaulichere Form zu geben, sollten die Lehrkräfte dafür geeignete Mittel zur Verfügung stellen.
In der praktischen Umsetzung des hier beschriebenen Unterrichts eignet sich beispielsweise die Nutzung eines Eies und zweier Bechergläser für die Veranschaulichung eines Trennvorganges. Das Dekantieren von Eiweiß und Eigelb soll hier die Aussage "Chemiker können Stoffe trennen" verdeutlichen.
Zur Einführung chemischer Inhalte gehört das gemeinsame Entwickeln und Erstellen eines Sicherheitsplakates. Dazu werden Materialien wie ein leeres Plakatblatt, Filzstifte und vorgedruckte Abbildungen der Sicherheitsregeln benötigt.
Damit die Methode ihre Effektivität nicht verliert, ist es notwendig, dass wichtige Gesprächsaussagen in Wort und Bild festgehalten werden. Hierbei sollte die Bedeutung eines sichtbaren Nachweises der Bemühungen für die Schüler nicht unterschätzt werden. (vgl. Kapitel II: 4. Experimente im Sachunterricht) Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, werden im Laufe der Unterrichtsreihe ein Sicherheitsplakat für das Klassenzimmer und ein Chemiebuch für jeden einzelnen Schüler gemeinsam erstellt.

2.2.3 Didaktischer Kommentar zu der Methode der Ideensammlung
Was können Schüler bei der Ideensammlung lernen?

Da in der Regel in der ersten Klasse die Thematisierung chemischer Phänomene einen komplett neuen Inhalt darstellt, ist das Ziel dieser Ideensammlung das Erkunden und Zusammentragen der Vorerfahrungen der Kinder auf diesem Gebiet.
Das Lernziel zeigt sich in der Vielfalt der sachlichen Assoziationen, die zu einem Thema geäußert werden können. (vgl. GREVING / PARADIES 1996, 201)
Im vorliegenden Fall wird ein breiter Gedankenfluss zu den Themengebieten Experimente, Chemie, Chemiker, Chemie im Alltag und Sicherheitsregeln bei Versuchen ersichtlich.
Nur durch das Sammeln im Team wird eine Fülle verschiedener Gedanken erreicht, die bei einer Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem Thema so nicht möglich wäre. Diese Teamarbeit bietet den Schülern die Chance, voneinander zu lernen und sich über die Gesprächsführung auf den gleichen Wissenstand zu bringen.

2.2.4 Nachteile und Schwächen der Ideensammlung
Da das Gelingen der Ideensammlung von der Bereitschaft der Schüler, ein Gespräch zu führen, abhängt, ist ein vorangehender Motivationsauslöser von Bedeutung.
Der Motivationsauslöser dieser praktischen Umsetzung ist z. B. das Vorzeigen der Versuchsutensilien für den folgenden Flammenfärbungsversuch; die Interessensgrundlage für die Motivation der Schüler, das Gespräch fortzuführen, stellt das Lehrerexperiment dar.
Der Lehrkraft stehen innerhalb der Ideensammlung wenige Hilfsmittel zur Verfügung, da die Methode hauptsächlich auf Verbalisierung und Spontanität angelegt ist.
Damit jedoch konkrete Materialien für die Einführung zur Verfügung stehen, kann eine Kopplung der verschiedenen Einstiegsformen von Vorteil sein wie beispielsweise hier die Verknüpfung der Methode der Ideensammlung mit der Einführung über das Experiment.

2.2.5 Durchführung der Ideensammlung im Unterricht
Nachdem das Interesse der Schüler durch das "Vorzeigen" bzw. "Entdecken lassen" der auf dem Pult aufgebauten Gegenstände geweckt ist, setzt eine spontane Ideensammlung ein, die mit der genauen Beschreibung der Utensilien im Prinzip bereits begonnen hat.
Dadurch, dass die Ideen von Kindern selbstverständlich aus ihrem Lebensbezug und Erfahrungsbereich stammen, beginnt eine Beschreibung von Chemie im Alltag. Diese beginnt zunächst mit der Überlegung, was Chemiker alles herstellen können. Hierzu werden eine Vielzahl von Äußerungen hervorgebracht, die sich in drei Themenkomplexen zusammenfassen lassen:

Was können Chemiker alles herstellen?
1. Chemiker können Plastik herstellen.
Nachdem beispielsweise entdeckt wird, dass Chemiker Plastik herstellen, schließt sich von den Schülern eine vielfältige Aufzählung von Dingen an, die aus Plastik bestehen wie etwa Legosteine, Luftballons, Plastiktüten,Tornister etc..

2. Chemiker können Farben herstellen.
Der Gedanke an die Farben ihrer Filzstifte führt die Kinder zu der Vermutung, dass auch Farben ein Produkt der Chemiker sein können. Farben ihrer Kleidung und die Farben der Silvesterraketen können dann ebenfalls dem Herstellungsbereich der Chemiker zugeordnet werden.

3. Chemiker können Medikamente herstellen.
Da zwei Kinder der Klasse wegen Krankheit fehlen, entwickeln die Schüler die Verbindung von Chemie mit Arzneimitteln schnell. Die Bedeutung der Medikamente für das Leben einzelner Menschen und somit die Bedeutung der Chemie für ihre Lebenswirklichkeit wird an dieser Stelle besonders deutlich.

Die anschließende Frage, wie Chemiker das alles entwickeln bzw. herstellen können, führt zu Überlegungen darüber, was der Beruf des Chemiker beinhaltet.
Um die Tätigkeit eines Chemikers an dieser Stelle genauer fassen zu können, sollen drei Haupttätigkeiten differenzierter herausgestellt und veranschaulicht werden.

Was sind die Haupttätigkeiten der Chemiker?
1. Chemiker beobachten Stoffe.
Die Bedeutung des Wortes "Stoff" im Zusammenhang mit der Chemie wird zur Veranschaulichung über das Teekesselspiel erklärt. (Teekesselspiel: Ein Wort mit zwei verschiedenen Bedeutungen wird gesucht. Im oben genannten Zusammenhang bedeutet das Wort "Stoff" zum einem die in der experimentierenden Chemie verwendeten oder nachzuweisenden Substanzen und zum anderen das Gewebe, welches Kleiderstoffe oder Gardinenstoffe beispielsweise beinhalten.) Unsere Umwelt ist stofflicher Natur, sowohl die gestaltete als auch die natürliche. Alles Begreifbare, alles Sichtbare, alles Fühlbare, alles Riechbare und Schmeckbare, alles Wägbare und alles, was Gewicht hat, ist Stoff. (Vgl. GRAEB 1972, 23)

2. Chemiker trennen Stoffe voneinander.
Zum besseren Verständnis findet eine Demonstration eines Trennverfahrens statt, das den Schülern aus dem Haushalt bekannt ist. Ein Ei kann durch Dekantieren (Abgießen) in sein Eigelb und sein Eiweiß getrennt werden. (Chemiker verfügen über eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Stoffe voneinander zu trennen, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird (vgl. BLUME / KUNZE u.a. 1994, 36ff.).)

3. Chemiker machen Versuche, um selber etwas herzustellen.
Versuche von Chemikern nennt man auch Experimente. Der beste Weg, Schülern eine Veranschaulichung von Experimenten zu liefern, ist der Weg der Selbsterfahrung.
Im folgenden Verlauf der Unterrichtsreihe wird den Schülern noch häufig die Möglichkeit geboten, in Form von Schülerexperimenten handelnd tätig zu werden. Verblüffende chemische Versuche haben oft einen etwas "gefährlicheren" Charakter und können daher lediglich als Lehrerexperimente durchgeführt werden, wie es in dieser ersten Doppelstunde mit der Vorführung des Flammenfärbungsversuches der Fall ist.

Nachdem durch die letzte Haupttätigkeit der Chemiker das Experimentieren thematisiert ist, schließt sich ein Erfahrungsbericht der Schüler über eigene, außerschulische Beobachtungen und Experimente auf diesem Gebiet an.
Die Behandlung chemischer Inhalte bietet sich besonders in der Weihnachtszeit an, da in diesem Zeitraum verstärkt Erfahrungen zu chemischen Vorgängen im Alltag erlebt werden. Die Verbrennung von Kerzen oder die Veranstaltung eines Feuerwerkes zu Silvester beispielsweise sind eigene Beobachtungen der Schüler, die in diesem Fall die Einführung in die Chemie erleichtern.
Damit die Schüler eine sinnlich erfassbare Vorstellung von erstaunlichen, chemischen Experimenten erleben können, wird am Ende des Unterrichts ein Versuch zur Flammenfärbung in Form eines Lehrerexperimentes vorgeführt.
Bunte Flammen kennen die Kinder bereits aus der Erfahrung mit Silvesterraketen. Wie deren Entstehung durch bloßes Anzünden verschiedener Salze möglich ist, soll im nachfolgenden Lehrerversuch verdeutlicht werden.

Erstellung eines Sicherheitsplakates:
Bevor allerdings Experimente jeglicher Art in einem Klassenraum stattfinden können, sollten Sicherheitsregeln entwickelt und beachtet werden.
Dass der Umgang mit Feuer sehr gefährlich sein kann, ist den Schülern bereits aus Erfahrungen zu Weihnachten und Silvester bekannt. Hier sollen nur einige von zahlreichen Aussagen genannt werden, wie z. B. das unfreiwillige Abbrennen eines Weihnachtsbaumes bzw. Adventskranzes oder Verbrennungen an den Händen, verursacht durch unvorsichtiges Anzünden von Kerzen oder Silvesterknallern. Aus diesen negativen Erfahrungen, die zur Vorsicht mahnen, wird die erste Regel für die Erstellung eines Sicherheitsplakates entwickelt: (Vorlage des Sicherheitsplakates siehe Anhang) 1. Regel: Vorsicht mit Feuer!
Die Regel wird in Bild und Wort auf dem Plakatblatt festgehalten.

Eine weitere Überlegung, die ein Gefahrenpotential im Umgang mit Feuer darstellen kann, sind lange Haare bei der Durchführung von Versuchen. Um hier die Sicherheit zu erhöhen, wird eine zweite Regel aufgestellt: 2. Regel: Haare zurückbinden!

Weite Ärmel an der Kleidung stellen ebenfalls ein Risikofaktor dar, da sie schnell zu einer Feuerentfachung führen können. Die dritte Regel lautet deshalb wie folgt: 3. Regel: Keine Kleidung mit weiten Ärmeln!

Da die Hände bei chemischen Versuchen mit verschiedenen Substanzen in Berührung kommen, sollte während der Experimentierphase das Essen und Trinken strengstens unterlassen werden. So kann auch eine Verwechslung der Lebensmittel mit den meist unverträglichen (und im späteren Schulverlauf auch giftigen) chemischen Stoffen ausgeschlossen werden. Hieraus folgt: 4. Regel: Nichts essen und trinken!

In einer ersten Klasse ist noch eine weitere Regel von besonderer Bedeutung. Für die meisten Schüler ist die Durchführung von Experimenten, speziell mit Feuer, Neuland. (wie die Beschreibung zur veränderten Kindheit zeigt (siehe Kapitel II: 3. Ansprüche und Forderungen des Lehrplans Nordrhein-Westfalens an den Sachunterricht)) Um hier Sicherheit zu gewähren, aber auch damit ein Nachahmen zu Hause keine Gefahren birgt, ist die Anwesenheit von Erwachsenen während der Versuchsdurchführung zwingend erforderlich. Das bedeutet: 5. Regel: Versuche mit Feuer nur mit Erwachsenen!

Jeder erstellten Regel wird auf dem Sicherheitsplakat ein Bild zugeordnet, das als Symbol für die entsprechende Regel steht. Wichtige Aussagen werden im Symbol rot markiert. (Sicherheitsplakat siehe Anhang.)

Da nun alle Regeln in Plakatform für den Klassenraum aufgestellt sind, erhalten die Schüler danach selbst die Möglichkeit, ein eigenes Regelblatt zu erstellen.
Als Ergebnis der Unterrichtsreihe soll dann ein Experimentierbuch "Mein 1. Chemiebuch" entstehen. (Vorlage des Chemiebuches und Näheres zum Deckblatt siehe Anhang.) Jedes Schülerexperiment sowie sonstige Erarbeitungen werden in Wort und Bild festgehalten und am Schluss in Form eines Buches zusammengestellt.
Die erste Seite dieses Buches wird das Plakat der Sicherheitsregeln in verkleinerter Form bilden. (Zur ersten Seite des Chemiebuches siehe Anhang.) Jedes Kind der Klasse erhält ein kleines Sicherheitsplakat, auf dem die Regeln schriftlich dargelegt sind, die Bilder jedoch noch fehlen. Die Symbole für die einzelnen Regeln müssen erst ausgeschnitten und dann zu geordnet werden.
Nachdem die Regeln in Bild und Wort, sowohl an der Tafel als auch im Buch, festgehalten sind und ihre Einhaltung gewährleistet ist, kann die Durchführung des Lehrerexperimentes beginnen.

2.2.6 Reflexion über die Ideensammlung
Der reichhaltige Ideenfluss und die z.T. fundierten Aussagen der Kinder lassen auf ein außerschulisches Interesse an der Thematik Chemie schließen. Anregungen zur Motivation oder zur Fortsetzung des Gespräches sind nicht erforderlich.
An dieser Stelle wird die bereits in der Theorie beschriebene Interessenlage von Kindern im Grundschulalter in Bezug auf chemische Phänomene bestätigt. (Vergleiche hierzu Kapitel II: Legitimation des Themas "Chemische Phänomene im Anfangsunterricht der Grundschule".)
In den Erzählungen aus ihrer Lebenswelt wird deutlich, dass die Beschäftigung mit der Dingwelt, also ebenfalls mit chemischen Dingen, an ihren eigenen Erfahrungsbereich anknüpft. Hieraus ergibt sich eine intrinsische Motivation. Die Thematisierung chemischer Inhalte in der Schule hat also eine Bedeutung für die selbständige Erklärung ihrer Lebenswirklichkeit, da sie außerschulisch bereits begonnen hat. Die Frage nach dieser Bedeutung sollte für die Auswahl der Sachunterrichtsthemen die erste und didaktisch wichtigste Voraussetzung sein. (Vergleiche hierzu Kapitel II: 1. Zur Auswahl der Inhalte des Sachunterrichts.) Damit die Verbindung zur eigenen Lebenswirklichkeit von den Kindern handelnd hergestellt werden kann, sollten die Schülerexperimente ohne großen Aufwand und ohne Gefahr ebenfalls zu Hause durchführbar sein.
Nachdem vor Beginn der Unterrichtsreihe keine konkreten Vorerfahrungen von der ersten Klasse in der Chemiewelt vorausgesetzt wurden, ist die Fülle und Stichhaltigkeit der Aussagen umso überraschender. Dies eröffnet eine optimale Voraussetzung für die Behandlung chemischer Phänomene in dieser ersten Klasse.
Mit der Selbsterstellung eines Chemiebuches wird der Wunsch ernst genommen, dass Kinder danach streben, "groß" zu werden bzw. "es den Großen gleichzutun". (Siehe Kapitel II: 2. Entwicklungspsychologische Überlegungen zu chemischen Inhalten im Anfangsunterricht.) Schülern einer ersten Klasse, die das Schreiben gerade erst erlernen, zuzutrauen, ein Chemiebuch erstellen zu können, birgt dieses "Ernstnehmen" in sich. Demzufolge zeigt sich eine außergewöhnliche Motivation in der Bearbeitung der ersten Seite des Chemiebuches. Da das Deckblatt (siehe Anhang) für das Buch gleich mitverteilt wird, kann auch der Kreativität in der Gestaltung des Deckblattes freien Lauf gelassen werden.

2.3 Einführung über das "Experiment"
2.3.1 Grundüberlegung zur Didaktik des Experimentes
Das Experiment ist die induktive Methode schlechthin. (Das Wort Experiment kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich "Versuch, Erprobung" (vgl. GREVING / PARADIES 1996, 144f.).) Denn für die Erläuterung von etwas Unerkärlichem wird nicht ein Lehrbuch aufgeschlagen, sondern die eigene Tätigkeit am konkreten Einzelfall führt in dieser Methode zu globaleren Erkenntnissen.
Die Durchführung eines Experimentes ist stets handlungsorientiert und ähnelt den Erkundungsformen, die Kinder intuitiv schon vor Eintritt in die Schule zur Erschließung ihrer Lebenswirklichkeit gebrauchen. (Zu weiteren, didaktischen Überlegungen zum Experiment siehe Kapitel II: 4. Experimente im Sachunterricht.)

2.3.2 Voraussetzungen und Vorbereitungen der Methodik des Experimentes
Weil Experimente aufgrund fehlender Materialien in der Regel nicht spontan durchgeführt werden können, müssen sie von der Lehrkraft entsprechend vorbereitet werden. Da Experimente dann am wirkungsvollsten sind, wenn sie einen Überraschungsmoment in sich bergen, ist eine gute Planung Voraussetzung für die Experimentalsituation. (Vgl. GREVING / PARADIES 1996, 146.)
Hierzu zählt ebenfalls ein ausreichendes Testen und Prüfen der Versuche durch die Lehrperson im Vorfeld, denn auf ein ständiges Scheitern der Experimente folgt unweigerlich die Frustration.
Für den Flammenfärbungsversuch werden in der Vorbereitung verschiedene Chemikalien auf ihre bunte Verbrennung mit Methanol und Ethanol durch die Lehrperson getestet. Die meisten Chemikalien ergeben in der Verbrennung mit Methanol intensivere Farben als mit Ethanol.

2.3.3 Didaktischer Kommentar zu der Methodik des Experimentes
Was können Schüler durch Experimente lernen?
Sowohl Schüler- als auch Lehrerexperimente vermitteln wichtige Primärerfahrungen.
Die Methode des Lehrerversuches stellt eine geschlossene Form dar, die lediglich als Auslöser dient. Interesse und Staunen über chemische Phänomene soll geweckt werden. Wie bereits erwähnt, können oft effektvollere Experimente lediglich in Form von Lehrerversuchen erfolgen, da sie für Grundschüler zu gefährlich sind.
Die weit offenere Form der Schülerexperimente kann dann angeschlossen werden und bietet den Schülern die Möglichkeit, in ihrer natürlichsten Form handelnd und entdeckend tätig zu werden.
Für die Durchführung eines Schülerexperimentes ist "eine ausgewogene Mischung aus kognitiven und manuellen Fähigkeiten nötig, also ‚Lernen mit Kopf, Herz und Hand‘ (Pestalozzi) in seiner ursprünglichsten Form" (GREVING / PARADIES 1996, 147). Die ersten Schülerversuche finden innerhalb dieser Unterrichtsreihe in der dritten Stunde statt.
Eine unmittelbare Erfolgskontrolle des eigenen Denkens und Tuns, sowohl in der Form des Lehrer- als auch in der des Schülerversuches, schließt sich automatisch an das Experiment an, da es eine hypothesen- und regelgeleitete Tätigkeit ist.

 

2.3.4 Nachteile und Schwächen der Methodik des Experimentes
Die unmittelbare Erfolgskontrolle kann auch in Gestalt des Mißerfolgs auftreten. Um dem vorzubeugen, bedarf es, wie oben bereits erwähnt, einer ausreichenden Prüfung und Vorbereitung der durchzuführenden Experimente, sonst wird aus dem ‚fruchtbaren Moment im Bildungsprozeß‘ leicht der ‚frustrierende Moment‘. (Vgl. GREVING / PARADIES 1996, 148.)

2.3.5 Durchführung des Lehrerexperimentes im Unterricht
Nach der Kontrolle über die Einhaltung der Sicherheitsregeln, in diesem Fall sollte die Lehrperson zusätzlich eine Schutzbrille tragen, folgt der erste Lehrerversuch. Die für die Flammenfärbung benötigten Materialien stehen auf dem Pult bereit. (Siehe Materieliste in Kapitel III: 2.1.5 Materialliste für den Flammenfärbungsversch.) Um eine bessere Wirkung zu erzielen, sollte der Klassenraum halb abgedunkelt sein.

Versuchsaufbau:
Auf dem Pult des Klassenzimmers sind -für die Schüler gut sichtbar– ein Bunsenbrenner mit Dreifuß und Drahtnetz, verschiedene Salze sowie Porzellanschälchen aufgebaut.

Versuchsverlauf:
Die Einbeziehung der Kinder bei der Vorführung des Experimentes ist von großer Bedeutung. Sie können Vermutungen äußern oder Fragen stellen. Wichtige Momente des Versuches sollten vorher angekündigt werden, damit die Schüler ihre Konzentration auf diese Aspekte einstellen können.
Zuerst werden Lithiumnitrat und Methanol in ein Porzellanschälchen gegeben und dann über einem Bunsenbrenner zum Kochen gebracht. Zieht man den Bunsenbrenner unter der erhitzten Mischung hervor, so entzündet sich diese und verbrennt mit einer intensiven dunkelroten Flamme.
Da die Faszination der Kinder groß ist, schließen sich unzählige Vermutungen über die Farbe der folgenden Flammenfärbung an. Als zweites wird Kupferchlorid in Methanol verbrannt. Dabei entsteht eine intensiv grüne Flamme.
Nachdem begeisternd neue Vorausahnungen über die nächste Flammenfarbe geäußert worden sind, erfolgt ein interessanter Schülerinnenvorschlag: "Ich schließe meine Augen vorher". Diese Anregung wird von allen Schülern akzeptiert und aufgegriffen. Damit die Schüler die Zeit des Erhitzens sinnlicher wahrnehmen können, werden die Augen so lange geschlossen gehalten, bis das Kochen der Methanolmischung zu hören ist. Die dadurch erzeugte Stille schafft eine konzentriertere Atmosphäre und erhöhte Aufmerksamkeit. Nach dem Öffnen der Augen und dem Entzünden der Mischung ist der Überraschungseffekt noch größer.
Als nächstes wird Natriumchlorid, für die Kinder bekannt als Kochsalz, in Methanol verbrannt. Hierbei wird eine orange-gelbe Flamme sichtbar.
Im darauffolgenden Durchgang verbinden sich Calciumnitrat und Methanol während der Verbrennung zu einer ziegelroten Flamme. Das Interesse der Kinder ist unermüdlich, und ihre Konzentration nach der langen Versuchs- und Redeeinheit ist erstaunlich hoch.
Neben neuen Vermutungen über die folgende Flammenfärbung werden nun Wünsche geäußert, beispielsweise der Wunsch nach einer zweifarbigen Flamme. Dieser kann erfüllt werden, indem Borsäure anstatt mit Methanol in Ethanol verbrannt wird. Es ergibt eine gelbe Flamme, deren grüner Rand deutlich zu sehen ist. Leidenschaftlich sind die Kinder bei der Sache, und trotz des Nahens der Pause darf keine Flammenfärbung ausgelassen werden.
So wird mit Kaliumchlorid in Methanol fortgesetzt und eine zweifarbige Flamme erzeugt. Klar erkennbar sind die entstandenen Farben rosa und blau.
Die letzte Flammenfärbung zeigt die Verbrennung von Strontiumnitrat in Methanol. Mit orange-roter Flamme erfolgt der Ausklang des Lehrerexperimentes. Die Faszination der Schüler darüber, was Chemiker alles "zaubern" bzw. herstellen können, ist groß.

2.3.6 Reflexion über das Lehrerexperiment
Das Lehrerexperiment dient der Steigerung des Interesses der Schüler gegenüber chemischen Phänomenen und bildet die Grundlage für Schülerexperimente. Denn, wie der Lehrerversuch zeigt, gibt es viel Neues und Faszinierendes durch das Experimentieren zu entdecken.
Lehrerexperimente scheinen eine Art Zauberei für die Kinder zu sein und regen zum Staunen und Hinterfragen an. Der Wunsch, "Tricks" kennenzulernen, motiviert die Schüler zusätzlich und fördert den Wunsch, eigene Experimente durchzuführen.
Hierbei ist es wichtig, dass zwischen Lehrerversuchen und Schülerexperimenten deutlich unterschieden wird. So sollten die Lehrerversuche lediglich zu Beobachtungszwecken für die Schüler innerhalb des Unterrichts erfolgen. Sie geben Einblicke in chemische Phänomene, die in der Form von Schülerversuchen zu gefährlich wären.
Die Schülerexperimente hingegen regen zur Nachahmung an. Dabei ist es wichtig, dass die Schülerversuche -in der Wiederholung zu Hause- keine Gefahren in sich bergen.
Die Motivation der Schüler, eigentätig Entdecktes ebenfalls zu Hause zu zeigen, ist groß, wie in der weiteren Entwicklung der Unterrichtsreihe deutlich wird. Die Nachahmung ist wünschenswert, denn ein Interesse an der Chemie kann so außerschulisch fortgesetzt werden.
Wie die Begeisterung der Schüler an dem Lehrerexperiment zeigt, kann es bereits in einer ersten Klasse gelingen, das Interesse gegenüber chemischen Inhalten zu wecken bzw. fortzusetzen.
Die Motivation für ein eigentätiges Experimentieren und Entdecken ist ausgebaut.
Für die Durchführung von Schülerexperimenten haben die Schüler dann in den folgenden Stunden ausreichend Gelegenheit.


Literatur


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Letzte Überarbeitung: 30. August 2010, Dagmar Wiechoczek