2.1 Experimentieren in der Grundschule

Schon im Lehrplan ist festgehalten, dass Handeln eine Grundlage für kindliches Lernern ist. Somit soll der Lehrer bestrebt sein, den Kindern nichts vorzugeben, sondern die Kinder durch eigenes Handeln lernen zu lassen. Im handelnden Umgang werden Begriffe gewonnen, das Verständnis für Zusammenhänge gefördert und aus spielerischen intuitiven Aktivitäten wird bewusstes Handeln fortentwickelt.

Mit Hilfe von chemischen Experimenten kann der Unterricht lebendiger gestaltet werden. Der Lehrer hat die Möglichkeit, den Schülern eine andere Perspektive aufzuzeigen, so dass sie ihre Umwelt bewusster erleben. Aufgrund ihrer entwicklungspsychologischen Kenntnisse sind die Grundschüler in der Lage, naturwissenschaftliche Phänomene zu erfassen und zu erklären. Somit können die Kinder mit Hilfe der Experimente Sinnzusammenhänge entdecken und sich schwer verständliche Begriffe durch leichte Versuche näher bringen.

Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist das Interesse an naturwissenschaftlichen Themen bereits in der Grundschule sehr hoch. Die Schüler nehmen ihre Umgebung wahr und stellen Fragen, wenn sie sich ihre Überlegungen nicht erklären können. Das Interesse und Problemlösung kann mit Experimenten gefördert werden. Theorien können aufgestellt beziehungsweise widerlegt werden. Die Schüler beobachten während der Experimentierphase genau, was passiert. Falls ihre Behauptung nicht mit dem Versuch übereinstimmt, wird angestrengt überlegt, warum die Theorie falsch ist. Somit sind sie während des Chemieunterrichts besonders aufmerksam und aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt.

Jeder Lernende muss zudem während der experimentellen Phase intensiv den Unterricht verfolgen, um den Versuch richtig durchzuführen und die Ergebnisse festzuhalten zu können. Die Experimente fordern demnach Konzentration und Auffassungsvermögen von jedem Schüler. Aus diesem Grund ist während dieses Unterrichts das Arbeiten mit den Kindern sehr effektiv.
Nach Andreas Hartinger [4] eignen sich Experimente für den Lernprozess aufgrund folgender Punkte:

1. Experimente sind anschaulich, sie liefern einen visuellen und plastischen Zugang zu einer Theorie. Werden sie dazu noch vom Lernenden selbst ausgeführt, verlangen sie Eigeninitiative, die wiederum Konstruktionsprozesse unterstützt und sich somit förderlich auf das Lernen auswirkt.
2. Experimente sind interessenförderlich. Phänomene, die aus Experimenten hervor gehen, lassen Fragen aufkommen und motivieren zum Finden von Lösungen. Zudem ist aus "... motivationspsychologischen Untersuchungen bekannt, dass der Wunsch, selbstbestimmend aktiv zu sein, zentral für Aufbau und Erhalt intrinsischer Motivation ist." [4]
3. "Experimente unterstützen naturwissenschaftliches Denken und fördern die Aneignung naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen." [4]
4. Experimente greifen Erfahrungen und Phänomene aus der Lebenswirklichkeit der Kinder auf.

Vor allem letzteres wird dem Hinweis des Lehrplanes gerecht, der Sachunterricht habe die Aufgabe den Schülern Orientierung und Hilfen zu geben zum Verständnis, zur Erschließung und Mitgestaltung ihrer Lebenswirklichkeit. Auch die Theorie von Bruner spricht sich dafür aus, dass Experimente vor allem in Form von Schülerversuchen als Methode durchaus sinnvoll sind.

Jerome Bruner leistete wichtige Beiträge zur konstruktivistischen Lerntheorie. Nach Bruner ist Lernen am erfolgreichsten, wenn die drei folgenden Repräsentationsebenen durchlaufen werden können:

Die enaktive Ebene: (Handlungsebene)
Die ikonische Ebene: (Zeichnungen, bildliche Darstellung)
Die symbolische Ebene: (symbolische Darstellung, z. B. Zahlen o. Buchstaben)

Für ein naturwissenschaftliches Thema wie "Metalle" repräsentiert demnach die Durchführung eines Experiments die enaktive Ebene, eine Zeichnung zum Experiment, dagegen die ikonische Ebene und das schriftliche Festhalten des Ergebnisses auf dem Arbeitsblatt, die symbolische Ebene. Gerade im Schülerversuch durchläuft der Lernende somit alle drei Ebenen.

Der Entwicklungspsychologe Erik H. Erikson schreibt in seinem Aufsatz über das Wachstum der gesunden Persönlichkeit über das epigenetische Prinzip, nach dem sich die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen in unterschiedliche Krisen vollzieht [7].
Erikson zufolge befinden sich Kinder im Vor- und Grundschulalter in einer Identitätskrise, die er als "Werksinn gegen Minderwertigkeitsgefühl" bezeichnet. Dem Wortlaut nach ist diese Krise durch einen starken Tatendrang des Kindes gekennzeichnet. Kinder in dem Alter wollen demnach ihre Welt erkunden und stoßen dabei auf viele Naturphänomene, die ihnen Fragen aufgeben.
Hierbei kann die Grundschule einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung solcher Alltagserscheinungen aus der Erfahrungswelt der Kinder mit Hilfe von Experimenten leisten.

Der Frage, ob eine Behandlung naturwissenschaftlicher Experimente bereits in der Grundschule sinnvoll ist, soll im Folgenden nachgegangen werden.
Ein experimentell orientierter Unterricht bietet den Schülern viele Vorteile. So ermöglicht er den Kindern nicht nur Abwechslung und Spannung bei der Vermittlung von Lehrinhalten, sondern er kommt auch dem natürlichen Bewegungsdrang der Kinder zugute.

Nach Kornelia Möller [5] werden Kinder durch ein handlungsintensives Lernen, wie es bei der Durchführung von naturwissenschaftlichen Experimenten der Fall ist, motorisch gefordert. Zusätzlich wird von ihnen ein hohes Maß an Eigenaktivität verlangt. Dadurch wird eine momentane Aktivierung sowie die Motivation der Schüler erreicht. "Die hohe Motivation und die dadurch auch erhöhte allgemeine physiologische Aktivierung fördern das langfristige Behalten der mit dem Handeln verbundenen Inhalte" [5]. Hierbei ist die subjektive Bedeutsamkeit des Lerngegenstandes für die Kinder von großer Wichtigkeit.
Aus pädagogischer Sicht sind naturwissenschaftliche Experimente in der Grundschule nicht nur in Hinsicht auf die Selbständigkeit der Schüler sinnvoll, sondern auch in Bezug auf das Zusammentreffen der Kinder aus unterschiedlichsten Kultur- und Religionskreisen.

Denn es wird bei der Durchführung von Experimenten in Partner- oder Gruppenarbeit neben der Kooperationsfähigkeit und Teamfähigkeit der Schüler auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder untereinander gefördert. Durch chemische Experimente werden die Kinder bereits zu Beginn ihrer Schullaufbahn an eine wichtige wissenschaftliche Arbeitsmethode herangeführt und lernen dabei die Einhaltung von Sicherheitsregeln sowie das Beobachten, Untersuchen, Deuten und Argumentieren der Versuche bzw. der Versuchsergebnisse.

Bei der Auswahl von Experimenten in der Grundschule sollte darauf geachtet werden, dass die Versuche an die Lebenswirklichkeit der Kinder anknüpfen bzw. sie einen Bezug zu ihrer Erfahrungswelt darstellen, um somit ein Interesse an naturwissenschaftlichen Themen möglichst schon im Kindesalter zu fördern. Durch gelungene Experimente gewinnen die Schüler ein positives Bild von der Chemie als Naturwissenschaft, welches sich dann eventuell auch auf die weitere Schullaufbahn auswirken könnte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die Behandlung naturwissenschaftlicher Experimente in der Grundschule die sinnliche Erfahrung von Schülern sowie deren soziale und sprachliche Kompetenzen gefördert werden. Trotz des erhöhten Arbeits- und Materialaufwands für den Lehrer sollten Experimente aufgrund ihrer positiven Einflussnahme auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu einem festen Bestandteil eines jeden Sachunterrichts werden.


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Letzte Überarbeitung: 17. August 2005, Dagmar Wiechoczek