Einleitung
Unter Chemie versteht man die Wissenschaft von der Veränderung
von Stoffen.
Warum soll man die prinzipielle Möglichkeit, Stoffeigenschaften zu verändern, nicht
zum Gegenstand von Unterricht auch in der Grundschule machen? Denn die Chemie
ist eine bedeutende Wissenschaft. Sie ist auch Grundlage für viele der wichtigsten
Industriezweige unseres Landes. Sie beeinflusst mehr als andere Technologien die
Umwelt. Eigentlich gibt es kaum etwas, wo nicht chemische Prozesse eine Rolle
spielen! Und letztlich beruht auch alles Leben auf chemischen Prozessen!
Chemie sei kein Thema für die Grundschule? Nichts fasziniert Kinder so sehr wie
Chemie. Denn die Veränderung von Stoffeigenschaften ist häufig genug mit
spektakulären Zustandsänderungen, Flammenerscheinungen und vielen anderen
"Wundern" verbunden. Der Autor dieser Webseite hat keine schöneren
Kindergeburtstage erlebt als die, bei denen er seinen Kleinen und deren Freunden
chemische Experimente vorführte.
Wohlgemerkt: Es soll nicht Chemie als Wissenschaft gelehrt werden. Es soll nur ein
Gefühl dafür geschaffen werden, dass man die Eigenschaften von Stoffen gezielt
verändern und so neue Stoffe schaffen kann. Und vielleicht kommt dabei auch mit
herüber, dass chemische Reaktionen zwischen kleinsten Teilchen ablaufen. Dann ist
die Hürde, die Schülern das Erlernen von Chemie so schwer macht, nämlich die
modellhafte Teilchenvorstellung, später für sie weniger hoch.
Aber vor allem gilt: Wir wollen mit einfachen chemischen Experimenten die Freude an
der Betrachtung von Naturphänomenen vermitteln. Und wir wollen die den Kindern
eigene Freude am Experimentieren verstärken. Vor allem, wenn viele in der Schule
erlernte Experimente der Familie am Küchentisch selbst vorgeführt werden können!
Nichts kann so toll wirken wie die Befriedigung der kindlichen Neugierde, für Kind und
für den Betrachter.
Da müssen aber auch die LehrerInnen mitziehen. Was den Stellenwert der Chemie im Sachunterricht der Grundschule angeht, gibt es eine hübsche Anekdote aus Bielefeld: Da wurde um 1980 in einem Vorort eine gut ausgestattete Volksschule in eine Grundschule umgewandelt. Die alte Schule verfügte über ein Chemie/Physiklabor mit einer schönen Geräte- und Substanzsammlung. Damit konnten die Lehrer der Grundschule gar nichts anfangen. Sie tauschten deshalb die Chemie/Physiksammlung ein - gegen ein Bücherregal für das Lehrerzimmer.
Lassen Sie den Autor noch etwas sagen: Heute gibt es glücklicherweise Autor/innen, die diese trivialen Erkenntnisse mit gut formulierten theoretischen Entwürfen untermauern. Das freut den Autor dieser Webseite, der schon seit mehr als zwanzig Jahren Studierenden, Lehrern und Beamten predigt, dass man kleine chemische High-Lights in der Grundschule einbringen sollte und vor allem kann! Vielleicht sind solche theoretischen und deshalb bedeutsam anmutenden Entwürfe besser dazu geeignet, um die Herren der Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Deutschen Chemischen Industrie aufzuwecken. Denn die geben sehr wenig aus, wenn es um die Ausbildung von Grundschullehrern und Grundschülern geht! Die setzen (auch das nur noch halbherzig) auf die Ausbildung in den Gymnasien. Aber da hat schon kaum mehr ein Schüler Interesse an der Chemie. Folglich entscheiden sich immer weniger Schulabsolventen für ein Chemiestudium. Da unserer Volkswirtschaft dann Chemiker fehlen, muss man eben "Inder importieren". Man kann aber auch die Chemieforschung exportieren, dorthin, wo es billiger ist und wo es Leute gibt, die sich überhaupt noch für Chemie interessieren: Nach Indien oder nach Osteuropa.
Bezüglich weiterer theoretischer Hintergründe zu dieser kurzen Einführung gibt es eine interessante Webseite von Alexandra Sohst.
Werden Kinder durch unsere Webseiten überfordert?
Manche können meinen, dass viele unserer Versuche und vor allem die Erklärungen dazu die Kinder
überfordern. Hierzu passt ein Kindergartenwitz aus den 80er Jahren:
Die Kinder haben Pause und verbringen sie im Kindergarten-Garten. Zwei Jungs stehen zusammen und essen ihr Butterbrot. Da donnert ein Düsenjäger über das Haus. Sagt der eine Junge: "Das war'n Starfigther." Der andere: "Ne, das war 'ne Phantom." - "Nein, die hat längere Flügel." - "Der Starfighter macht aber nicht soviel Qualm." - Und so stritten die Jungs herum. Da kommt die Kindergärtnerin heraus und ruft: "Kinder, hereinkommen, die Pause ist zu Ende!" Mault der eine Junge: "Mist, jetzt müssen wir wieder Perlen aufziehen gehen und Bildchen malen!" |
Unterfordern ist schlimmer als Überfordern. Unterfordern schafft bei Lernenden, die noch so neugierig sind wie Kindergarten- und Grundschulkinder, Verdruss und Langeweile. Daraus folgt Ablehnung der Technik und der Naturwissenschaften.
Man darf Kinder keinesfalls unterschätzen. So antworteten zwei Grundschulkinder, die uns zusammen
mit ihrer Klasse im Labor besuchten und Experimente zum Lösen von Stoffen machten, auf die Frage
"Was stellt ihr euch vor, was beim Lösen eines Salzkristalls passiert?":
"Die H2O-Moleküle drängen sich zwischen die Salzteilchen und umhüllen sie und tragen sie weg."
Das waren Drittklässler! Auf meine Frage, woher sie das wüssten: "Aus der Knoff-hoff-Show". Die hat
die hochgeistige ZDF-Redaktion bekanntlich leider abgeschafft.
Die Lehrer lernen bei ihrer Ausbildung und im täglichen Geschäft, einfach und kindgerecht zu erklären.
Lehren ist eine Kunst! Lehrer müssen die Prinzipien der "Didaktischen Reduktion" beherrschen: Vereinfacht
darstellen, aber nicht vereinfachend oder gar falsch. Dazu muss man sich aber auch selbst mit den Inhalten
vertraut machen.
Wenn man sieht, dass die Kinder beim Angebot nicht mitkommen, dann kann man inhaltlich reduzieren.
Wenn Ihnen die Erklärung zu schwer erscheint und nichts Kindgerechtes dazu einfällt, bieten Sie die
Experimente einfach als "Wunderversuche" an. Oft genug ist die Freude am Phänomen Bildungsziel genug.
(Foto: Christel)
Viele der Experimente, die ich vorschlage, beruhen auf eigenem Erleben aus der Kindheit: Mit wie viel Spaß
habe ich zugesehen, wie sich Metalle oder Kalk in Salzsäure zersetzen - und habe dabei die Salzsäurevorräte meiner
Eltern (gedacht zum Kachelreinigen) aufgebraucht. Der blutstillende Alaun meines Großvaters wurde zu
Kristallisationsexperimenten missbraucht. Und Raketen-Experimente mit einer Chemikalie namens „Unkraut-Ex“,
die gegen das damals verpönte Franzosenkraut eingesetzt wurde, führten wegen ausbleibender chemischer Abwehr zur
üppigen Vermehrung dieser Pflanzen. Die Herstellung von Raketentreibstoff, die u. a. den Zusatz von Zucker erforderlich
machte, hatte dazu noch einen ständigen Zuckermangel in unserer Küche zur Folge! Unterstützt wurde ich dabei übrigens
von meinem Lehrer, der mir zeigte, wie man es richtig und ohne Gefahr macht - das prägt für ein Chemiker-Leben.
Auch das Steinesammeln fördert bei Kindern das Bewusstsein für die Natur. Beliebt sind vor allem Kristall-Steine
und Steine mit anderen Einschlüssen. Vielleicht entpuppt sich ein beim Wandern aufgelesener Kalkstein beim Aufschlagen
als schöner Ammonit.
(Foto: Blume)
Beobachten Sie einmal, mit welchem Interesse Kinder auf einer Mineralienbörse herumlaufen!
In erster Linie kommt es darauf an, dass die Kinder die Versuche
selbst durchführen und nicht vorgeführt bekommen
Auf dieser trivialen Erkenntnis beruht mittlerweile auch Kritik an Piaget. Sein Stufenmodell basiert u. a. auf
dem bekannten Versuch mit dem halben Glas Wasser, das er in ein anders geformtes Glas umschüttete (...).
Es gibt heute begründete Hinweise dafür, dass - wenn er den Versuch nicht vorgeführt hätte, sondern
die Schüler hätte machen lassen - das Ergebnis völlig anders ausgefallen wäre. Aufgrund dieses
misslichen Experiments wurde und wird die Erkenntnisfähigkeit von Schülern der Grundschule als nicht
besonders hoch eingestuft. Das ist schlicht falsch, wie naturwissenschaftlich geschulte Beobachter schon lange
meinten. Ihre Einwände verhallten ungehört. Gilt doch Methodik des naturwissenschaftlichen Unterrichts
nicht bei allen Didaktikern als Didaktik. So hat unsere Gesellschaft im tiefen Glauben an die Piagetsche
Bibel ganze Generationen von Grundschülern unterfordert und verbogen, so wie wir mit der Mengenlehre
Kindern den Spaß am Mathematikunterricht genommen haben.
Hoffentlich merken die mit den Bildungsfragen befassten Stellen langsam, dass das Erlernen der
Naturwissenschaften nicht die Sache geistes- oder sozialwissenschaftlicher Beurteilung ist, sondern
nur die Naturwissenschaftler mit ihrem Verständnis für Inhalte und die Möglichkeiten von Lehren und
Lernen angeht. Auch das Lehren und Lernen ist ja - wenn man es physiologisch und biochemisch sieht -
eine Fähigkeit der Materie.
Zum Schluss noch eine selbst erlebte Story zum Verhalten einer Bielefelder Grundschullehrerin. Als ihr mein damals noch naturwissenschaftlich hochmotivierter Sohn einen selbst gebastelten Stromkreis zeigte, sagte sie: "Warum zeigst du mir das, den hat doch dein Vater gemacht." Heute studiert er BWL...