6 Lernen an Versuchen
Das Lernen an Versuchen, ist besonders in der Chemie eine geeignete Grundlage,
um Vorgänge nach zu empfinden und zu verstehen. Andreas Hartinger referierte über
die Wichtigkeit von Versuchen im Sachunterricht und führte einige interessante
Aspekte auf, die belegen, welche Bedeutungen den Versuchen zugesprochen werden
kann.
In der Schule wird einem oft die Frage begegnen: "Wofür brauche ich das, was
ich hier lerne eigentlich?" Mit Hilfe von Versuchen kann man dieser Frage entsprechen.
Die Kinder können am eigenen Handeln herausfinden, wozu sie ihr erworbenes Wissen
anwenden können. Als Beispiel sei hier der Versuch zur Ausdehnung des Wassers beim
Gefrieren angeführt. Die Kinder sehen, wie groß die Ausdehnung von Wasser ist, wenn
es zu Eis wird. An diesem Beispiel kann man ihnen Naturphänomene erklären, wie z. B.
das Aufreißen von Straßendecken und die Verformung im Gelände, da Wasser sogar in der
Lage ist, Felsen zu spalten. Fahren die Kinder mit ihren Eltern also das nächste Mal
über ein Schlagloch, können sie ihren Eltern sagen, wie dieses entstanden sein kann.
Ferner dienen Versuche der Veranschaulichung, und so auch dem Verständnis, da man
direkten Einblick in den Vorgang hat. Jedes Kind hat schon einmal bemerkt, dass kalte
Flaschen oder Gläser, die man an die Luft stellt von außen feucht werden. Nur warum ist
das so? Ist Kälte nass? Nein, in dieser Versuchsreihe werden sie sehen, dass auch Wasser
als gasförmiger Stoff in der Luft vorkommen kann, und sich an kalten Gegenständen absetzt.
Das Wasser an den kalten Gegenständen kommt also nicht von den Gegenständen, oder weil
etwas Flüssiges darin ist, sondern aus der Luft.
Außerdem ist noch anzumerken, dass, nach Möller, durch das eigene Tun Konstruktionsprozesse
der Schüler unterstützt werden, die in der kognitiven Struktur der Kinder für den Aufbau von
Wissen von Bedeutung sind.
Das Lernen an Versuchen beinhaltet auch eine gesteigerte Motivation. Kinder können ihren
Fragestellungen durch eigenes Handeln begegnen und kleine Phänomene des Alltags können so
aufgeklärt werden.
Auch haben Kinder die Möglichkeit selbstbestimmt aktiv zu werden, ihnen wird eine
Verantwortung zuerkannt, was, nach Hartinger und Fölling-Albers, zu Gunsten der intrinsischen
Motivation ist.
So haben Lehrer die Möglichkeit mit Versuchen den Unterricht interessant und spannend zu
gestalten und das Interesse der Schüler zu wecken, da sie nicht nur Zuschauer sind, sondern
selbst aktiv werden können.
Die Schüler sollen in der Schule auf das Leben vorbereitet werden, was kreatives Denken erfordert.
Durch Versuche können sie daraufhin geschult werden, richtig zu beobachten, und aus ihren Beobachtungen
Rückschlüsse auf die Zusammenhänge zu ziehen. Auch lernen die Schüler an Versuchen das wissenschaftliche
Arbeiten, wozu eine Fragestellung gehört, die durch Versuche geklärt werden soll.
Natürlich kann man nicht voraussetzen, dass die Schüler anfangs selbst eine Frage erheben, und
sich überlegen, wie man vorgehen kann, und welchen Versuch man durchführen muss, um diese Frage zu
klären. Daher sollte man bei der Einführung von wissenschaftlichen Techniken darauf achten, dass
man den Schülern Hilfestellungen gibt, indem man die Frage vorgibt, und Lösungsmöglichkeiten
anbietet. Dies geschieht in Form von vorgegeben Versuchen. Haben die Kinder allerdings das Prinzip
verstanden, dass man durch verschiedene Handlungen Gegebenheiten nachstellen und verändern kann,
um so die Konsequenzen für diese Gegebenheit herauszufinden, haben sie auch das Prinzip des
wissenschaftlichen Arbeitens verstanden, welches sie in ihrer weiteren Laufbahn ausbauen können,
bis sie selbst in der Lage sind, Lösungsmöglichkeiten für ein Problem zu entwickeln. Sodian und
Thoermer stellten 2002 fest, "dass Kinder deutlich früher zu wissenschaftlichem und theoretischem
Denken in der Lage sind, als man es in der Piagetschen Tradition vermutet hat." Auch Fr. Prof. Dr.
Lück unterstützt diese These indem sie sich auf wissenschaftliche Untersuchungen Erik Eriksons bezieht,
der die Entwicklungspsychologie begründete.
Ziel eines guten Unterrichtes ist es, die Kinder von da abzuholen, wo sie in ihrem Wissensstand
stehen und sie daraufhin weiterzuführen. Auch dieser Anforderung kann ein Versuch Genüge tun.
Erfahrungen von Kindern werden aufgegriffen und mit wissenschaftlichen Verfahren behandelt. Auch
Fragen der Kinder können aufgegriffen werden und durch Versuche, die sie auch selbst durchführen
können, geklärt werden.
Um mit dem Durchführen von Versuchen erfolgreich zu sein und einen Lernbeitrag zu schaffen, darf
man nicht darauf verzichten, die Versuche in all ihren Phasen schriftlich fest zu halten. Ist beim
Versuchsaufbau noch die Hilfe der Lehrer gefragt, sollten die Kinder ihre Beobachtungen selbst
notieren und abschließend verbalisieren, um die gewonnenen Erkenntnisse fest in der kognitiven
Struktur zu verankern und den Kindern die Möglichkeit zu geben jederzeit auf dieses Verfahren
zurückgreifen zu können, damit sie in ihren Notizen den Versuch geistig noch einmal durchleben
und nachvollziehen können.