Fallstudie Alaun - Wie man früher kristalline Chemikalien gewann

Bild 1: Alaunkristalle
(Foto: Blume)


Wofür man Alaun benötigt
Alaun (englisch: alum) ist Kaliumaluminiumsulfat-Dodekahydrat KAl(SO4)2 · 12 H2O. Man benutzte es schon früh zum Gerben von Leder, da seine Ionen Proteine ausfällen. Aus dem gleichen Grunde war ein Alaunkristall wohl in jedem Haushalt zu finden: Opa stillte damit seine Blutungen nach der morgendlichen Rasur. Aber auch sonst wurde es in der Medizin wegen seiner bakteriziden und adstrigierenden Wirkung viel verwendet. Später brauchte man noch mehr Alaun, vor allem als Beizmittel beim Färben, also zur Fixierung von Farbstoffen auf Gewebe und Leder. In großen Mengen wird es bei der Papierleimung verwendet.

Alaun ist nicht nur eine wichtige Chemikalie, sondern liefert zudem excellente Kristalle. Die prächtigen Oktaeder kann jeder Schüler selber züchten, und sie schmücken deshalb viele Setzkästen. Heute wird Alaun einfach und umweltschonend gewonnen, z. B. durch Behandeln von Aluminiumoxid mit Schwefelsäure und anschließender stöchiometrischer Beimischung mit Kaliumsulfat. Das war früher eine schwierigere Angelegenheit. Hier ist das Verfahren, wie man es noch um die Jahrhundertwende in England an der Yorkshire-Küste bei Whitby nutzte.


Das alte Herstellungsverfahren von Alaun
Zur Herstellung bediente man sich des Alaunschiefers aus dem Schwarzjura, der als Lias-Epsilon-Schiefer z. B. in Holzmaden, in Dotternhausen bei Hechingen oder an der Küste von Yorkshire aufgeschlossen ist.

In einem englischen Geologiebuch wird die historische Alaunherstellung wie folgt beschrieben:

"Schwarzer Alaunschiefer (alum shale) wird zerkleinert, mit viel Holz in einem Meiler verbrannt, die Reste werden ca. 9 Monate offen belassen. In einem Tank werden die Rückstände mit Urin oder wässrigen Auszügen von verbranntem Seegras vermengt. Man extrahiert dann mit heißem Wasser, siedet und dampft ein."

Aus der Vorschrift kann man auf die chemischen Vorgänge bei der Gewinnung von Alaun schließen. Dabei muss man sein ganzes Chemiewissen einbringen. Einige Schritte lassen sich auch im Experiment überprüfen.


Die chemischen Vorgänge
1 Alaunschiefer ist reich an Tonmineralien, also Alumosilikaten als Verwitterungsrückstände von Feldspäten wie K[AlSi3O8]. Weiter kann er feinverteilten, deshalb schwarzen Markasit und Pyrit FeS2 enthalten. Der Tonschiefer der Schwäbischen Alb enthält dazu noch Bitumen.
2 Beim Verbrennen werden durch die basischen Aschebestandteile (Pottasche K2CO3) die Silikate aufgeschlossen, Eisen(II)- und Disulfid-Ionen werden zu Eisen(III)- und Sulfit- sowie Sulfat-Ionen oxidiert. Beim Langzeitlagern wird die Oxidation vollendet. Die schwach alkalische Reaktion von Urin oder Seegras-Asche führt zur Ausfällung von Eisen(III)-hydroxid. Zum Schluss liegt nur noch eine leicht lösliche Mischung von Al3+-, K+ und SO42--Ionen vor.

(Versuch: Fülle in je ein Reagenzglas eine 1%ige Lösung von Aluminiumsulfat (Xi) und von Eisen(III)-chlorid (Xi). Gib tropfenweise konzentrierte Natronlauge (C) zu, bis die Lösungen alkalisch reagieren. Beobachte, wie sich Niederschläge der Metallhydroxide bilden und weiterreagieren. Davon löst sich nur der des amphoteren Aluminiums wieder auf.)

3 Man löst den Alaun mit heißem Wasser heraus und lässt ihn anschließend auskristallisieren.

(Versuch: Stelle eine gesättigte Alaunlösung her und lasse sie in einem Gefäß langsam eindunsten.)

Bild 2 (Foto: Daggi)


Die Alaungewinnung war schädlich für die Umwelt
Bei der Gewinnung und anschließenden Verarbeitung des Alaunschiefers wurden große Schäden in Landschaft und Natur angerichtet. Dennoch wurde das Schieferbrechen zum Zwecke der Alaunherstellung in Deutschland erst um 1890 eingestellt. Die Umweltschäden betrafen neben den Landschaftsschäden die Emission von SO2 und CO2, Störung der Bodenzone und des Grundwassers bei Langzeitlagerung sowie durch Aluminium-Ionen, basische Schlammdeponien und den großen Holzverbrauch. Diese Schäden kann man an der englischen Schwarzjura-Küste von Yorkshire, z. B. bei Draculas Landehafen Whitby, noch heute besichtigen. Die Schäden nahm man gern in Kauf, da man mit dem Alaunhandel sehr viel Geld verdiente. Außerdem fiel beim Graben nach der richtigen Tonschiefer-Schicht ein asphaltartiges Mineral, das Gagat oder auch Pechkohle genannt wird (-> Bild), an. Diese prächtig schwarzen und leicht schnitzbaren Stücke wurden besonders zur Zeit der langjährig trauernden Königin Victoria zu Schmucksteinen, Schachfiguren usw. verarbeitet. Man nannte diese Halbedelsteine Jet. Nach dem Jet wird in Yorkshire allerdings auch heute noch gegraben.

Bild 3: 600 g Gagat (Fundort: Yorkshire)
(Foto: Blume)


Gagat ist das versteinerte Holz von Araucarien. Diese Bäume gibt es heute noch in Chile. Sie stehen auch in deutschen Vorgärten und heißen in England wegen ihrer hübsch verschachtelten Rindenoberfläche Monkey Puzzle-Trees.

Bild 4: Araucarie in unserem Garten
(Foto: Blume)


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Letzte Überarbeitung: 09. Februar 2009, Dagmar Wiechoczek