Polyamide: Kunststoffe, die nicht nur Frauenherzen höher schlagen ließen

Nylon® und Perlon® sind geschützte Markennamen, die aber auch in der Wissenschaft benutzt werden. Wenn wir im vorliegenden Text auf das Symbol ® verzichten, bedeutet das nicht, dass diese Namen frei verwendet werden können.

Experimente:
Versuch: Herstellung von Nylon durch Grenzphasenkondensation
Versuch: Herstellung von Perlon


Amerikanische Polyamide
Als im Jahre 1938 Polyamid auf dem amerikanischen Markt aufkam, war es mit Abstand der teuerste Kunststoff, der entwickelt worden war: Elf Jahre hatten Wissenschaftler an seiner Erforschung gearbeitet und die für damalige Verhältnisse gewaltige Summe von 27 Millionen Dollar als Forschungsetat verschlungen. Seinem Erfinder, W. H. Carothers sollte die Entdeckung jedoch kein Glück bescheren. Der unter schweren Depressionen leidende Chemiker nahm sich drei Wochen, nachdem die Patentrechte bestätigt waren, das Leben. Er meinte, als Forscher absolut unfähig zu sein.

Dabei wurde doch unter seiner Anleitung in den davor liegenden anderthalb Jahrzehnten aus Hexandisäure und Hexandiamin ein Kunststoff synthetisiert, der bezüglich seiner mechanischen Eigenschaften alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte! Der von der Herstellerfirma Du Pont Nylon® getaufte Stoff ließ sich zu einer Faser verspinnen, die neben einem schönen Glanz auch noch extrem reißfest war.

Diese Eigenschaft führte dazu, dass aus dieser Faser fast laufmaschenfreie Damenstrümpfe erzeugt werden konnten, die im Gegensatz zu den damals empfindlichen Seidenstrümpfen bezahlbar waren.

Nylon bekam aber nicht nur eine private Nutzung. Schnell wurde auch im 2. Weltkrieg erkannt, dass aus Nylon auch Fallschirme hergestellt werden konnten, die reißfest waren und dabei nahezu allen Umwelteinflüssen trotzen konnten.


Deutsche Polyamide
Auch in Deutschland machte man sich zwischen den beiden Weltkriegen Gedanken, um die Erfindung einer Kunstfaser: P. Schlack, ein Chemiker, der bei AGFA nach besseren Färbungsmöglichkeiten für Acetatseide suchen sollte. Er forschte nach einem Kunststoff, der als Ausgangsmaterial für eine Faser dienen konnte, die den Naturfasern überlegen sein sollte. Wegen der Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts musste er aber seine Arbeiten einstellen. Seine Vorgesetzten meinten, dass eine Kunstfaser letztlich zu teuer wäre, so dass keiner sie bezahlen könnte.

Als dann im Jahre 1935 die Patentschriften für Nylon vorlagen, wurde das Projekt zur Gewinnung einer eigenen Kunstfaser wieder aufgenommen. Da die Polyamidfaser von Du Pont aber bezüglich ihrer Patentrechte gut abgesichert war, musste man eine Lücke suchen, die eine eigene Synthese erlaubte. Diese Lücke fand P. Schlack in Form des e-Caprolactams, einer Verbindung, der von Carothers die Möglichkeit abgesprochen worden war, als Ausgangsmaterial für eine Polyamidsynthese dienen zu können.


e-Caprolactam

Dieses deutsche Polymid wurde unter dem Namen Perlon® auf den Markt gebracht und trat seinen eigentlichen Siegeszug erst nach dem zweiten Weltkrieg an, denn auch auf der deutschen Seite war es kriegswichtig und wurde z. B. auch für Fallschirme verwandt.

Polyamide spielen auch heute noch eine weit verbreitete Rolle wenn es darum geht, Fasern von hoher Reißfestigkeit zu verwenden. So werden Schiffstaue heutzutage hauptsächlich aus Polyamiden hergestellt, aber auch andere Dinge, bei denen Haltbarkeit eine große Rolle spielt, wie z. B. Kraftstofftanks oder Reifenstabilisatoren im Fahrzeugbau.

Ein weiteres Polyamid ist Aramid® oder Kevlar®, aus dem man sogar Soldatenhelme und schusssichere Westen herstellt.


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Letzte Überarbeitung: 06. April 2012, Dagmar Wiechoczek