Bild 1: Werkstücke aus der Jungsteinzeit:
Links stark abgenutzter Schlagstein mit polyedrischen Arbeitsspuren,
Mitte Kernstein mit Schälspuren, rechts Abschlag
(Dänemark, Foto und Sammlung Blume)


Die Schälbarkeit des Feuersteins

Experimente
Versuch: Zerschlagen von Feuerstein und Schneideversuche
Versuch: Liesegangsche Ringe


Das Besondere an Feuerstein ist seine Schälbarkeit, die die Grundlage zur Herstellung der herrlichen Feuersteinwerkzeuge aus der Steinzeit bildet (Bilder 1a und 1b).

Bild 1a: Feuersteinwerkzeuge von einem Feld in Dänemark,
zwei geschliffene Beilklingen, ein Rundschaber,
zwei Klingen, davon eine stark patiniert, und ein Stichel.
Die Stücke weisen starke Retouchierungen auf
(Foto: G. Welzel)


Besonders berühmt sind die Lorbeerblatt-förmigen Lanzenspitzen oder Dolchklingen.

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Bild 1b: Lorbeerblatt-Klinge (Länge: 30 cm)
(Sammlung und Foto: Blume)


Solche fein retouchierten Objekte stellte man her, indem man einen zähen Gegenstand wie z. B. das Stück von einem Hirschgeweih schräg auf den grob vorgeformten Stein presste und so nach und nach feine Plättchen zum Abspringen brachte.

Aus diesem speziellen Spaltungsverhalten schließt man auf den schalenartigen Aufbau des Feuersteins, den man damit mit dem Aufbau einer Zwiebel vergleichen kann. Stücke dieser Art findet man oft an den Stränden der Ostsee als "Bänderfeuerstein" (Bild 2). Man muss allerdings einschränkend sagen, dass es umstritten ist, ob alle Feuersteine schalig aufgebaut sind. Für einige trifft das sicherlich zu. Denn es handelt sich beim Feuerstein um ein mikrokristallines und daher fast amorphes Gestein mit allen möglichen Strukturelementen.

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Bild 2: Links frischer Bänderfeuerstein mit verwittertem Markasit/Pyrit (aus den Kreidefelsen von Møn; Länge 6 cm);
rechts gebrochener Bänderfeuerstein (aus dem glacialen Geschiebe von einem Lippeschen Acker; Breite 12 cm)
(Fotos: Blume)


Da die Entwässerung des Feuersteins von innen nach außen abläuft, ist der sich bildende amorphe Feuerstein keineswegs mehr völlig isotrop. Während der Flint im Zentrum schon stark verdichtet ist, ist er nach außen hin weniger dicht und weist deswegen in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Spannungsverhältnisse auf. Auffällig ist die zentrale Verdichtung im Kern, der besonders hart war. Damit ist der Feuersteinkern nicht schälbar. Gleiches gilt für gealterte Feuersteine, die längere Zeit an der Bodenoberfläche austrockneten. Diese sind zwar bemerkenswert hart, aber nicht schälbar. Aus diesem Grunde bevorzugten die steinzeitlichen Menschen den bergfrischen Feuerstein, den sie vor der Bearbeitung wahrscheinlich sogar noch in Wasser legten. Der nicht mehr schälbare Kern (Nucleus) wurde weggeworfen oder zu besonderen, aber wenig bearbeiteten Beilen (Kernbeilen) verarbeitet.
Neben diesen strukturellen Gegebenheiten resultiert die gute Spaltbarkeit des Feuersteins auch aus physikalischen Besonderheiten. Da die Entwässerung das Material unter eine hohe Spannung setzt, kommt es beim Schlag zu wellenförmiger Ausbreitung der Spaltenergie innerhalb des Schalengefüges und dem damit verbundenen Schlagkegel (Bild 3; siehe Experimente, V 3 F). Bemerkenswert ist, dass die Stoßwellen nicht aus dem Stein austreten, sondern - ähnlich wie Erdbebenwellen in der schalig aufgebauten Erde - von innen her zwischen Außen- und Innenschichten in den Stein zurückgeworfen werden. Hieraus entsteht der muschelige Bruch, der von einem typischen, kleinen, randständigen Schlagkegel ausgeht. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf menschlich gefertigte Abschläge und nicht auf natürliche Zerstörung, die z. B. durch starke Temperaturdifferenzen auftreten können.

Bild 3: Muscheliger Bruch


Periodisches Wachstum des Feuersteins beobachtet man auch bei der Umwandlung von Kalkschalen von Meerestieren oder Holz in Kieselgel (Inkrustation ; Bild 4). Solche Fossilien findet man auch in der Schwäbischen Alb wie z. B. bei Nattheim oder in Südfrankreich bei Narbonne.

Bild 4: Ringförmige Inkrustation auf Brachiopodenschalen; Fundort Narbonne
(Foto: Blume)


Nach der Durchtränkung (Imprägnierung) dieser Kalkschalen durch Silicatlösungen beginnt die Kieselsäure langsam zu polymerisieren. Aufgrund ihrer stärkeren Acidität löst die polymere Kieselsäure den Kalk auf; damit wird der Kalk langsam durch Kieselsäure substituiert. Allerdings werden hierbei die Kristalle des Calcits nicht nachgeformt, wie es bei einer echten Pseudomorphose der Fall wäre. Die beginnende Reaktion macht sich dagegen durch typische Zeichnungen von konzentrischen Ringen auf den Schalen der Meerestiere bemerkbar. Gleichzeitig wird die Schale milchig trübe und (wie die Ritzprobe zeigt) sehr hart. Die Inkrustation hat an vielen Stellen punktförmig begonnen und breitet sich periodisch in alle Richtungen aus. Unter dem Mikroskop erweisen sich diese Strukturen als übereinandergreifende Schalen, die entweder abgeschliffen sind oder deren weiteres Wachstum durch anliegendes Gestein behindert ist; folglich beobachtet man die Ringstrukturen.

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Diese Strukturen zeigen eine Beziehung zu den LIESEGANGschen Ringen (siehe Experimente, V 6 F), die im Zentrum der Überlegungen über die besonderen Spaltungseigenschaften von Feuerstein gestellt wurden [9]. Diese Schalenbildung hängt offenbar mit der Blattstruktur der polymeren Kieselsäure zusammen; denn die Blattstruktur wächst um den Startpunkt bzw. im Fall der Feuersteine konzentrisch um den Kernpunkt herum (Bild 5).

Bild 5: Liesegangsche Strukturen in einem Feuerstein
(Foto: Blume)


Hinweis zu weiteren Informationen
Über die Eigenschaften des Feuersteins, seine Bildung, die damit verbundenen chemischen Prozesse auf molekularer Ebene, seine Zusammensetzung, seine Alterung sowie über seine alte und seine moderne technische Verwendung können Sie sich auf weiteren Webseiten informieren. Außerdem besprechen wir, wie man mit Flint Feuer machen kann. Gehen Sie dazu in das Inhaltsverzeichnis der Webseitengruppe "Pyrit und Feuerstein/Flint/Silex".


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Literatur


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Letzte Überarbeitung: 21. Oktober 2010, Dagmar Wiechoczek