Reaktionsordnung und Reaktionsmolekularität

Die Summe der Potenzzahlen der Konzentrationen in der Differentialgleichung für die Reaktionsgeschwindigkeit nennen wir Reaktionsordnung. Im folgenden Fall haben wir 1 + 1 = 2, also eine Reaktion 2. Ordnung.

dcA / dt = dcB / dt = - k · cA · cB mol/l sec-1

Reaktionen, die unabhängig von der zeitlichen Konzentration der Reaktionspartner sind, deren Geschwindigkeit also über die ganze Reaktion konstant bleibt, sind Reaktionen 0. Ordnung. Sie sind typisch für katalytische Prozesse, bei denen die Umsetzung der Stoffe aufgrund der begrenzten

geschwindigkeitsbestimmend ist

Letzteres ist zum Beispiel im Sättigungsbereich der Michaelis-Menten-Gleichung der Fall: Eine Erhöhung der Konzentration an Substrat führt nicht zur Erhöhung des Umsatzes (also der Reaktionsgeschwindigkeit), weil die aktiven Zentren ständig besetzt sind.

Es gibt sogar Reaktionen mit gebrochener Ordnung. Hierbei handelt es sich um verzweigte Reaktionen, die für Kettenreaktionen oder für Cyclen unter Beteiligung von Radikalen typisch sind. Damit sind sie auch in der Atmosphärenchemie nicht selten.

Die Reaktionsordnung ist eine rein formale Größe. Sie sagt nichts, aber auch wirklich gar nichts über den Ablauf der Reaktion im Sinne eines Reaktionsmechanismus aus! Bei komplexeren Reaktionen hängt die Geschwindigkeit der gesamten Reaktion („over-all reaction") von dem geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt ab. Die Zahl der daran beteiligten Teilchen ist die Reaktionsmolekularität.

So gibt es Reaktionen, die anscheinend nach 1. Ordnung ablaufen, aber aufgrund der Beteiligung von zwei Molekülen bimolekular sind. Das ist vor allem der Fall bei Hydrolysen wie der Esterverseifung.

CH3COOC2H5 + OH- ———> CH3COO- + C2H5OH

Ein weiteres, in unserer Webseite genauer untersuchtes Beispiel hierfür ist die Entfärbung von Kristallviolett durch Natronlauge.
Wenn - wie allgemein üblich - der Reaktionspartner Natronlauge im Überschuss vorliegt, macht sich sein Verbrauch nicht bemerkbar. Seine Konzentration bleibt damit nahezu konstant. Daraus folgt mathematisch-formal eine Reaktion 1. Ordnung. Zur Unterscheidung von echten Zerfallsreaktionen 1. Ordnung sprechen wir hierbei von einer Reaktion pseudo-1. Ordnung.


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Letzte Überarbeitung: 25. Juni 2002, Dagmar Wiechoczek