2 Lebewesen und Lebensmittel

2.1 Definitionen

Die Lebensmittelchemie befasst sich mit den Eigenschaften der Stoffe, die als Lebensmittel dienen, und mit den Veränderungen, denen diese Stoffe bei der Gewinnung, Zubereitung und Lagerung von Nahrung unterliegen.

Die Biochemie befasst sich mit den chemischen Abläufen in lebenden Systemen.

Lebewesen sind offene Systeme, die stofflich, energetisch und informatorisch mit der Umwelt kommunizieren (-> Abb. 1).

Abb. 1: Lebewesen als offenes System in seiner Umwelt

Stofflich kommunizieren Lebewesen mit der Umwelt vor allem über die Aufnahme von Nahrung, Wasser und Luft, die allesamt zu den Lebensmitteln gezählt werden, aber auch über die Schadstoffe. Die Lebensmittel werden teilweise in eigene Biomasse, letztlich aber in Abfallstoffe umgewandelt, die danach ausgeschieden werden.

Mit den Stoffen nehmen Lebewesen indirekt auch hochwertige ("Freie") Energie auf, die sie - während sie Strukturen mit hohem energetischem Potential aufbauen - verschwenderisch zu wertloser Wärmeenergie (Wärmemüll) umformen. (Der Mensch verzehrt in einem durchschnittlichen Leben übrigens 51 t TM (Trockenmasse) an Nahrung, obgleich er nur ca. 0,1 t wiegt.) Lebewesen akkumulieren Ordnung und Information - auf Kosten der Ordnung ihrer Umgebung. Sie sind somit Inseln der Ordnung in einer ansonsten ungeordneten, der Gleichförmigkeit zustrebenden Umwelt. Ein Maß hierfür ist die Entropie.

Lebensmittel sind alle Substanzen, die der Mensch zu sich nimmt und die zur Aufrechterhaltung seiner physiologischen und psychischen Leistungen nötig sind. Aus ihnen baut er seine Struktur auf, erhält diese mit ihnen aufrecht und entnimmt ihnen die Energie für seine Arbeit. Man unterscheidet bei den Lebensmitteln:

Nahrungsmittel bestehen aus:

Nährstoffe sind:

Organismen, also auch der Mensch, und deren Nährstoffe sind chemisch ähnlich zusammengesetzt. Die chemischen Elemente sind vor allem C, O, H, N, S und P. Die Mengenverhältnisse zeigt die Tab. 1.

Tab. 1: Chemische Zusammensetzung des Menschen und optimale tägliche Nährstoffaufnahme
  Mensch Nahrung
  (%) (g/d Aufnahme) (%)
Proteine
Fette
Kohlenhydrate
Vitamine
Mineralstoffe
Wasser
15-20
10-25
1
0,1
4-6
50-70
70
86
350
-
1,5
1-2 l
14
17
70
-
0,3
-

Auffallend ist der überproportional hohe Anteil von Kohlenhydraten an der Nahrung. Dies liegt daran, dass der größte Teil der Kohlenhydrate nicht zum materiellen Strukturaufbau, sondern zur Energieumwandlung dient (-> 2.4).

Abb. 2: Lebensmittelkreislauf


2.2 Herkunft unserer Lebensmittel

Wir befinden uns am Ende einer Nahrungskette, zu deren Beginn die Pflanzen stehen (-> Abb. 2). Diese vermögen zusammen mit stickstofffixierenden Bakterien mineralische Stoffe sowie anorganische Luftbestandteile zu biochemisch relevanten Verbindungen umzusetzen. Letztere werden vor allem von den Tieren im Sinne der Abb. 1 verwertet und dabei entwertet. Die Produkte tierischen und bakteriellen Wirkens ("Mineralisation") sind erneut Edukte für den pflanzlichen Aufbau von Biomasse. Der Kreislauf, der der stofflichen Organisationsform Leben bisher zu ungeheurem Erfolg verhalf, schließt sich damit.

Ein anderer Aspekt ergibt sich daraus, dass die Menschen und Haustiere immer zahlreicher werden und damit einfach Ungleichgewichte in den Stoffkreisläufen auftreten müssen. Dies berücksichtigt die Abb. 3. So entlässt die Menschheit pro Jahr 3 Milliarden t mehr CO2 in die Atmosphäre als durch Pflanzen abgebaut werden kann.

Abb. 3: Menschen und Tiere als Konkurrenz zum pflanzlichen und mikrobiologischen Nahrungskreislauf (nach Breckle)


2.3 Aufteilung der Nährstoffe nach biochemischen Gesichtspunkten

Nährstoffe dienen zur Aufrechterhaltung der biochemischen Abläufe in unserem Organismus. Grundsätzlich könnten vom Organismus die meisten biochemisch relevanten Stoffe aus Grundbausteinen wie Glucose, einigen wenigen Aminosäuren und Mineralstoffen selbst synthetisiert werden. Im Verlauf der Evolution gingen jedoch einige Stoffwechselleistungen verloren. Damit sind manche Stoffe weniger oder auch gar nicht selbst herstellbar. Man teilt deshalb die Nährstoffe wie folgt ein:

- Nährstoffe als Vorstufen zur Eigensynthese von Stoffen.
Beispiele sind Kohlenhydrate, Proteine, Fette.
- Halbessentielle Nährstoffe, bei denen nur im begrenzten Umfang Eigensynthese möglich ist.
Beispiele sind bestimmte Aminosäuren wie Histidin sowie ungesättigte Fettsäuren. Es handelt sich hier also um ein Mengenproblem.
- Essentielle Nährstoffe wegen fehlender Eigensynthese.
Beispiele sind alle Vitamine, essentielle Aminosäuren wie Phenylalanin und Threonin, mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie die Linolensäure und Spurenelemente.

Abb. 4: Funktionelle Verwendung der Nährstoffe


2.4 Verwendung der Nährstoffe im Organismus

2.4.1 Funktionelle Verwendung der Nährstoffe

Die Abb. 4 zeigt schematisch die Verwendung der Nährstoffe. Diese Leistungen sind alle gleichwertig.

Strukturaufbau
Proteine, Mineralstoffe, Lipide.
- Diese sind besonders für Schwangere, Heranwachsende und Rekonvaleszente wichtig.

Strukturerhaltung
Proteine, Mineralstoffe.
- Wegen des ständigen Um- und Neuaufbaus von Biopolymeren, Zellen und Gewebe müssen auch Erwachsene und alte Menschen auf die Zufuhr ausgewogener Nahrung achten.

Energieumwandlung
Kohlenhydrate und Fette.
- Alle Stoffwechselsynthesen, mechanische Arbeitsleistungen, Nervenprozesse (vor allem auch in der Großhirnrinde) und der Wärmehaushalt benötigen Energie.

Katalytische Funktion
Proteine, Vitamine und Spurenelemente.
- Schonende Stoffwechselreaktionen erfordern isotherme Prozesse, also geringste Aktivierungsenergien. Hierfür sorgen Biokatalysatoren (Proteine und RNS mit ihren Cofaktoren, den Vitaminen und Spurenelementen).

Informationsübertragung
Proteine, Aminosäuren und Lipide.
- Die Steuerung des Stoffwechsels erfolgt durch Hierarchien von Substanzen. Hierzu gehören primär die DNA und RNA, aber auch die vielen Nerventransmitter (z. B. Acetylcholin oder Noradrenalin) und Hormone. Alle sind mehr oder weniger Produkte des Protein- oder Lipidstoffwechsels.


2.4.2 Stoffwechselchemische Verwendung der Nährstoffe

Es folgt ein vereinfachter Überblick über die stoffwechselchemische Verwendung der Bestandteile unserer Nahrungsmittel (-> Abb. 5).

Kohlenhydrate
Aus Kohlenhydraten wird letztlich Glucose gebildet, die dann zur tierischen Stärke Glykogen oder zu anderen Zuckern (vor allem zu den Pentosen für die Nukleinsäuren RNA und DNA) umgewandelt wird. Der chemische Ab- und Umbau führt u. a. zu Glycerin, Milchsäure, Essigsäure, Fettsäuren, Fetten, Aminosäuren sowie zu CO2 und H2O, wobei Oxidationsenergie freigesetzt wird.

Proteine
Bei der Aufspaltung von Proteinen entstehen deren Monomere, die Aminosäuren. Aus diesen werden nicht nur neue Proteine und Enzyme, sondern auch Peptidhormone wie Insulin oder STH (Somatotrophes Hormon für Turbokühe), dazu Antikörper, Gedächtnismoleküle, Nucleotide wie ATP sowie RNA und DNA aufgebaut.

Abb. 5: Nahrungsmittel und deren wichtigste biochemische Verwendung

Fette
Die Hydrolyse der Fette führt zu Fettsäuren und Glycerin. Der weitere Abbau setzt im Citronensäurezyklus große Energiemengen, aber auch (aktivierte) Essigsäure frei. Hieraus können Cholesterin, aber auch die ähnlich aufgebauten Steroidhormone (Sexualhormone und Nebennierenrindenhormone, die Cortisonderivate) gebildet werden.

Vitamine
Vitamine sind unerlässliche Cofaktoren von einigen Enzymen. Man bezeichnet sie deshalb als Coenzyme. Beispiele: Vitamin B1 wirkt mit bei Decarboxylierungen, Vitamin C bei Hydroxylasereaktionen und B12 bei der Herstellung verzweigter Aminosäuren. Vitamin B6 ist Cofaktor bei der Derivatisierung von Aminosäuren. Nicotinsäureamid ist Bestandteil von NAD, das z. B. bei der Oxidation (und Entgiftung) von Alkohol in der Leber, aber auch in der Glykolyse und der Atmungskette eine zentrale Rolle spielt.

Mineralstoffe
Anorganische Substanzen wirken in größeren Mengen bei der Bildung von Zahnschmelz, von Kalkschalen oder Knochen mit. Sie beeinflussen aber auch die Regulation des osmotischen Drucks von Blut und Harn und sind Cofaktoren bei der Blutgerinnung. Sie ermöglichen die Reizleitung in die Nerven und die Muskelfunktion.

Spurenelemente
Spurenelemente sind Mineralstoffe in kleineren Mengen. Viele Enzyme wie die Alkoholdehydrogenase oder der Nitrogenasekomplex der stickstofffixierenden Bakterien enthalten in ihren aktiven Zentren Zink-Ionen oder Ionen von Kupfer, Eisen, Molybdän und Vanadium. Iod ist Bestandteil der Schilddrüsenhormone (Thyreoidea).

Wasser
Wasser ist nicht nur Lösungsmittel, das aufgrund der hohen Temperaturdifferenz zwischen Gefrier- und Siedepunkt die biochemischen Abläufe und damit das auf der Erde existierende Leben garantiert. Es ist zusätzlich Reaktionspartner bei Einführung von Sauerstoffatomen in biochemische Verbindungen, aber auch Cosubstrat von Verdauungsenzymen, den Hydrolasen.

Sauerstoff
Eigentlich ist Sauerstoff ein Zellgift. Jedoch hat der Organismus eine Reihe von Mechanismen entwickelt, um Sauerstoffvergiftungen zu verhindern. Hier wirken hochspezifische Peroxidasen mit. Bei der Endoxidation in der Atmungskette wird Sauerstoff auf Wasserstoff übertragen. Die dabei freigesetzte Oxidationsenergie ist die energetische Lebensgrundlage für aerobe Organismen. Aber auch bestimmte Syntheseleistungen sind ohne Sauerstoff nicht denkbar: Oxidasen wirken z. B. bei der Synthese von Adrenalin mit. Bei der Entgiftung von Aromaten ist molekularer Sauerstoff unerlässlich.

Vollwertkost (Foto: Blume)

[Weiterblättern]


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 05. März 2001, Dagmar Wiechoczek