16 Organische Chemie

Organische Chemie ist die Chemie des Kohlenstoffs und seiner Verbindungen.

Die Atome des Elements Kohlenstoff haben die Fähigkeit, durch Bindung untereinander mehr oder weniger lange kettenförmige Moleküle (mit oder ohne Verzweigungen) sowie großflächige ringartige Moleküle zu bilden. Damit erklärt sich auch die ungeheure Vielzahl der bislang bekannten organischen Verbindungen: nahezu 20 Millionen hat man bisher charakterisiert und näher untersucht. Bei den meisten weiß man so gut wie nichts über das Verhalten gegenüber der Umwelt oder über deren Toxizität.

Man unterscheidet vor allem die reinen Kohlenwasserstoffe und deren Derivate, die bestimmte funktionelle Gruppen tragen. Diese enthalten zusätzlich andere Elemente wie O, N, S, P oder Halogene.

Im Folgenden werden umweltrelevante Beispiele für die wichtigsten Verbindungsklassen der organischen Chemie vorgestellt.


16.1 Kohlenwasserstoffe

Die organisch-chemischen Grundstoffe sind die Kohlenwasserstoffe. Die Abb. 36 gibt einen Überblick. Man unterscheidet nach dem Bindungszustand gesättigte und ungesättigte Kohlenwasserstoffe. Letztere enthalten Mehrfachbindungen, also doppelt oder dreifach gebundenen Kohlenstoff. Dabei unterscheidet man weiter aliphatische und aromatische KW. Letztere sind cyclisch und stets ungesättigt.

Abb. 36: Überblick über die Kohlenwasserstoffgruppen



16.1.1 Aliphatische Kohlenwasserstoffe

Die Aliphaten sind Alkane (gesättigt), Alkene (ungesättigt mit Doppelbindungen) und Alkine (ungesättigt mit Dreifachbindungen). Die Moleküle können linear, verzweigt oder cyclisch aufgebaut sein.



Alkane Bemerkungen
Methan (1) Andere Bezeichnungen Erdgas, Sumpfgas.
Leichter als Luft.
Ethan (2) Bestandteil von Erdgas.
Propan (3) Fraktionen des Erdgases. Genutzt als Feuerzeuggas oder alternatives Treibgas.
Butan (4) Butan/Pentan Kühlmittelersatz für FCKW im Kühlschrank.
Alkene
Ethen (5) Alte Bezeichnung Ethylen. Crackgas.
Monomeres von Polyethylen (PE). Reifungsmittel für Bananen.
Propylen (6) Crackgas. Monomeres von Polypropylen (PP).
Wichtig auch für Hocksche Phenol/Aceton-
Synthese.
Butadien (7) Synthese von Kunstgummi (Buna).
Isopren (8) Grundsubstanz für natürlichen Kautschuk.
Alkine
Ethin (9) Alte Bezeichnung Acetylen. Aus Calciumcarbid CaC2 gewonnen. Schweiß- und Synthesegas (bildet Vinylverbindungen).
Cycloaliphaten
Cyclohexan (10) Lösemittel.
Pinen (11) Cycloalken. Toxisches Lösemittel, destillativ aus biogenem Terpentinöl gewonnen.


16.1.2 Aromatische Kohlenwasserstoffe

Aromatische Kohlenwasserstoffe bestehen aus einem Ring (Benzol) oder aus mehreren zusammengekoppelten Ringen (polykondensierte aromatische Kohlenwasserstoffe PAK wie Anthracen oder 3,4-Benz[a]pyren). Aromatische Verbindungen befinden sich in dem energetisch besonders günstigen Zustand, der durch die gleichmäßige Verteilung der Doppelbindungselektronen über das gesamte Molekül hinweg erzielt wird. Dieser so genannte mesomere Zustand ist der Grund dafür, dass sich aromatische Verbindungen besonders leicht bilden und hoch stabil sind, sich chemisch daher kaum angreifen lassen und besonders umweltpersistent sind. Ein Beispiel sind die Dioxine mit einer Halbwertszeit von 160 Jahren. Außerdem sind die mesomeren Elektronen durch elektromagnetische Strahlung besonders leicht anregbar. Aromatische Verbindungen wie Anilin sind deshalb Grundstoffe für die Farbenindustrie (-> 17).

Aromaten Bemerkungen
Benzol (1) (Auch "Benzen".) Wichtiges Lösemittel, Zusatz zu Superbenzin. Cancerogen.
Toluol (2) Methylbenzol. Wichtiges Lösemittel. Wie Xylol auch begrenzt Ersatz für Benzol.
Xylole (3) Dimethylbenzole. Lösemittel, Zusatz zu Superbenzin. 1-3 heißen auch BTX-Aromaten.
Styrol (4) Ethenylbenzol. Monomer von Polystyrol (PS).
Naphthalin (5) Geruch nach Mottenkugeln. Grundstoff für Farben, Medikamente und Pestizide (z. B.Carbaryl).
Anthracen (6) Einfacher Vertreter der PAK. Grundstoff für Farben (Anthrachinonfarbstoffe).
3,4-Benzpyren (7) Benz[a]pyren. Cancerogener Lebensmittelrückstand in Grill- und Räucherwaren. Typisch für Kokerei-Altlasten.


16.1.3 Isomere

Isomere sind Verbindungen gleicher summarischer Zusammensetzung, aber mit verschiedener Konstitution. Ein Beispiel ist das Paar n-Octan und Isooctan, zwei von insgesamt 18 möglichen Isomeren des Alkans C8H18. (n ist die Abkürzung für Normalform.)

Octane sind typische Bestandteile von Benzin. Isooctan wird als Radikalfänger zugesetzt (-> 5).


16.2 Funktionelle Gruppen

Abkömmlinge (Derivate) der Kohlenwasserstoffe tragen sog. funktionelle Gruppen. Diese bestimmen Eigenschaften und Reaktionen der entsprechenden Verbindungen. Sie sind deshalb von besonderem Interesse.

Die Kohlenwasserstoffreste (abgekürzt R), an denen die funktionellen Gruppen fixiert sind, heißen im Falle des Methans Methyl- (z. B. Methylchlorid CH3Cl, ein CKW), des Ethans Ethyl- (Ethylalkohol C2H5OH), des Propans Propyl- und des Butans Butylrest. Beim Benzol spricht man vom Phenylrest (z. B. Phenylamin C6H5NH2 (Farbengrundstoff Anilin)). Der Rest von Ethen ist der Vinylrest (z. B. Vinylchlorid CH2=CH-Cl).

Auch hier muss man Isomere unterscheiden. Ein einfaches Beispiel ist Propanol C3H8O, das es in der Normalform (Propanol-1, n-Propanol, ein wichtiges Lösemittel) und als Isopropanol (Propanol-2, wichtiges Lösemittel, möglicher Grundstoff für Aceton, Komponente von toxischen Phosphorsäureestern wie Sarin) gibt.

Aber auch die Löse- und Rauschmittel Ethanol und Dimethylether sind Isomere der Verbindung mit der Bruttoformel C2H6O, wenn auch von geringer chemischer Verwandtschaft.

CH3-CH2OH            CH3-O-CH3

Hier sieht man, dass die reinen Bruttoformeln wenig aussagekräftig sind, dagegen eine halbsterische Formel Aufschluss über funktionelle Gruppen und deren Anordnung zulässt. Ethanol schreibt man deshalb besser C2H5OH oder sogar CH3-CH2OH, den Ether (CH3)2O.

Der Normalfall sind Mischformen, d. h. Moleküle mit mehreren verschiedenen oder gleichen funktionellen Gruppen. Wenn man die meisten komplizierteren Verbindungen betrachtet, findet man an einem Molekül viele funktionelle Gruppen, die insgesamt über Reaktivität, Farbe, Polarität, Löslichkeit und Adsorption entscheiden.

Im Folgenden werden die wichtigsten funktionellen Gruppen mit umweltrelevanten Beispielen dargestellt.

Sauerstoffhaltige Derivate

Alkohole Bemerkungen
R-OH Die OH-Gruppe heißt Hydroxylgruppe.
Methylalkohol (1) Methanol. Giftiges Lösemittel. Oft in selbstgebranntem Schnaps enthalten.
Amylalkohol (2) n-Pentanol. Giftiges, betäubend riechendes Lösemittel (Geruch von Permanentschreibern und manchen Nagellackentfernern).
Glykol (3) Zweiwertiger Alkohol. Hygroskopisch. Komponente von Polyestern und Polyurethanen. Weichmacher. Frostschutzmittel. Bekannt geworden als süßender Zusatz bei der Fälschung von Weinen.
Glycerin (4) Dreiwertiger, stark hygroskopischer Alkohol. Lebensmittelverträglich. In Feuchtigkeitscremes enthalten. Weichmacher. (Auch "Glycerol" genannt.)
Sorbit (5) Reduzierte Glucose. Zuckeraustauschstoff.
Phenol (6) Benzolalkohol. Ätzend wirkendes Desinfektionsmittel (Lysol). Komponente von Kunststoffen (Harze), Farben, Medikamenten und Pestiziden (z. B. PCP).
Hydrochinon (7) Reduktionsmittel. Daher Entwicklersubstanz in der Fotografie.
Bisphenol A (8) Komponente von Polycarbonaten.

Peroxide Bemerkungen
R-O-O-R'
Alle Peroxide sind wie konzentrierteres Wasserstoffperoxid labil, teils sogar explosiv.
Peressigsäure (1) Bildet sich bei der Einwirkung von Bleichmittelaktivatoren auf Perborate.
Dibenzoylperoxid (2) Radikalbildner. Starter von Kunststoffperoxidsynthesen.
Peroxyacetylnitrat (3) PAN. Schadstoff, in Fotooxidantien enthalten.

Ether Bemerkungen
R-O-R' Die Bindung heißt auch Etherbrücke.
Alle Ether bilden beim längeren Stehen - vor allem am Licht - auch in verschlossenen Flaschen hochexplosive Peroxide.
Diethylether (1) Wichtiges Lösemittel mit betäubender Wirkung. Anästhetikum. Leichtentzündlich. Er enthält CKW zur Stabilisierung.
Ethylenoxid (2) Cyclischer Ether. Einfachstes Epoxid. Komponente bei Synthesen von Polyethern oder Polyestern.
Tetrahydrofuran (3) Lösemittel THF. Herstellbar aus Fructose oder Pentosanen (Abfall bei der Celluloseproduktion). Leichtentzündlich.
Dioxan (4) Cyclischer Doppelether. Allerweltslösemittel, in Spuren in Kosmetika enthalten. Stand im Verdacht, cancerogen zu sein. Name wird oft mit Dioxin verwechselt. Leichtentzündlich.
Dioxine (5),
Dibenzofurane (6)
Substituierte ungesättigte Dioxan- bzw. Furanderivate.

Carbonyl-
verbindungen
Bemerkungen
R-CO-R' Die CO-Gruppe heißt Carbonylgruppe.
Aldehyde Bemerkungen
R-CO-H, andere Schreibweise: R-CHO
Formaldehyd (1) Hochreaktive Komponente in Kunststoffen, Holzklebern. Allergen.
Benzaldehyd (2) Riecht nach Bittermandeln. Marzipanaromastoff.
Acrolein (3) Ungesättigter, hochreaktiver Vinylaldehyd, entsteht beim Erhitzen von Fett und bei Verbrennungsprozessen (Kfz-Abgase). Typisch stechender, tränenreizender Geruch.
Ketone Bemerkungen
R-CO-R'
Aceton (4) Dimethylketon. Wichtiges Lacklösemittel (Geruch nach Nagellackentferner). Betäubender Geruch. Bewirkt den Komazustand bei Diabetes mellitus. Leichtentzündlich.
Ethylmethyl-
keton (5)
Wichtiges Extraktionsmittel, Lacklösemittel.

Carbonsäuren Bemerkungen
R-COOH Die COOH-Gruppe heißt Carboxylgruppe.
Ameisensäure (1) Stechender Geruch, stark ätzend. Bestandteil von Entkalkern.
Buttersäure (2) Geruch nach ranziger Butter.
Ölsäure (3) Beispiel für eine ungesättigte Fettsäure.
Benzoesäure (4) Grundlage von Medikamenten und von Konservierungsmitteln (Fungizid).

Säureanhydride Bemerkungen
Essigsäure-
anhydrid (1)
Komponente zur Herstellung von Heroin aus Morphinbase.
Phthalsäure-
anhydrid (2)
Polyesterkomponente. Synthese von Weichmachern.

Ester Bemerkungen
R-COO-R' Die Gruppe heißt Esterbindung.
Essigsäure-
ethylester (1)
Andere Bezeichnung Essigester. Lacklösemittel. Klebstoffverdünner (Geruch nach UHU).
Fette, fette Öle (2) Triglyceride. Glycerinester von Fettsäuren.
Methacrylsäure-
methylester (3)
Monomeres von Plexiglas (PMMA).
Salicylsäure-
essigsäureester (4)
Bekannt unter dem Namen Aspirin.

Stickstoffhaltige Derivate

Amine Bemerkungen
Methylamin (1) Geruch nach Fisch. Auch in Gülle enthalten.
Hexamethylen-
tetramin (2)
Urotropin. Konservierungsmittel für Meeresfrüchte, Desinfektionsmittel, Edukt zur Sprengstoffherstellung.
Anilin (3) Phenylamin. Cancerogen. Wichtige Farbstoffkomponente. Früher aus Steinkohlenteer gewonnen. Buchstabe A im Namen BASF.
p-Phenylen-
diamin (4)
Toxische Farbstoffkomponente. Farbfotoentwickler.
Quartäres Amin. Ankergruppe für Anionenaustauscher.
Cholin (5) Quartärer Aminoalkohol, verestert im Acetylcholin (Vagustransmitter) und im Lecithin.

Säureamide Bemerkungen
R-CONH2; substituiert: R-CO-NHR'
Glutamin (1) Aminosäure.
Kohlensäure-
amid (2)
Carbamidsäure. Ihre Ester sind Bestandteil von Polyurethanen.
Kohlensäure-
diamid (3)
Harnstoff. Biogenes Produkt der Stickstoffausscheidung. Technische Herstellung aus Phosgen. Düngersubstanz (z. B. in Hakaphos). Schwefelanaloges ist zusammen mit Harnstoff wichtige Trennsubstanz der Petrochemie.
Dimethyl-
formamid (4)
DMF. Wichtiges, mindergiftiges Lösemittel.
Cyclisches Amid. Monomeres von Perlon.
Polyamid, Peptid (6) Polymere substituierte Säureamide.

Nitroverbindungen Bemerkungen
R-NO2
Nitrobenzol (1) Grundstoff für Farbstoffe. Mandelgeruch.
TNT (2) Trinitrotoluol. Sprengstoff.
Hexogen (3) Hochbrisanzsprengstoff.

Salpetersäureester
R-O-NO2 (Namen enthalten oft fälschlich die Vorsilbe Nitro.)
Nitrocellulose (1) Schießbaumwolle. Als Kunststoff: Celluloid.
Nitroglycerin (2) Sprengöl. Mit Kieselgur: Dynamit. Kreislaufmedikament.

Nitrile Bemerkungen
R-CN
Alle Nitrile sind wie die analoge Blausäure HCN giftig.
Acetonitril (1) Giftiges Lösemittel.
Acrylnitril (2) Toxischer Grundstoff für Polyacrylnitril. Sekundenkleber.
Amygdalin (3) Inhaltsstoff von Bittermandeln. Setzt beim Erhitzen Benzaldehyd und Blausäure frei.

N-N-Verbindungen

Azoverbindungen Bemerkungen
R-N=N-R'
Azobenzol (1) Grundstoff der Medikamenten- und Farbenindustrie. Hergestellt aus Anilin oder Nitrobenzol.
Kongorot (2) Typischer, hochkomplizierter Azofarbstoff.
Nitrosoverbindungen
Nitrosamine (3) Cancerogene Verbindungen, entstehen beim Erhitzen von Lebensmitteln.

Halogenhaltige Derivate

Halogenierte
Kohlenwasserstoffe
Bemerkungen
R-Cl, R-X
Chloroform (1) Betäubendes Lösemittel.
Gemischte Haloforme (2) Cancerogen. Entstehen beim Chloren von Schwimmbädern oder von huminsäurehaltigem Abwasser.
Tetrachlor-
methan (3)
Tetra. Cancerogenes Lösemittel.
F-12 (4) Dichlordifluormethan. Typischer Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW).
Code für FCKW:
1. Zahl der C-Atome minus 1 (Null wird nicht geschrieben)
2. Zahl der H-Atome plus 1
3. Zahl der F-Atome
a, b sind Isomere.
Perchlor-
ethylen (5)
Als Per in chemischen Reinigungen.
Vinylchlorid (6) Monomeres von PVC.
Polychlorierte
Biphenyle (7)
PCB. Schmier- und Kühlflüssigkeit. Enthalten oder bilden beim Erhitzen leicht Dioxine.
Hexachlor-
benzol (8)
HCB. Indikator für Dioxingehalt.
Pentachlor-
phenol (9)
PCP. Enthalten in Holzschutzmitteln.
Dichlordiphenyl-
trichlorethan (10)
DDT.

Säurechloride Bemerkungen
R-COCl
Terephthalsäure-
dichlorid (1)
Komponente von Polyestern sowie von Kevlar.
Adipinsäure-
dichlorid (2)
Komponente von Nylon.
Phosgen (3) Kohlensäuredichlorid. Wichtige Grundchemikalie. Komponente von Polycarbonaten.

Schwefelhaltige Derivate

Thioalkohole
(Mercaptane)
Bemerkungen
R-SH
Methylsulfid (1) Geruchstoff im Stinktiersekret. Entsteht auch bei Zersetzung biologischen Materials.
Cystein (2) Aminosäure. Antidot bei Schwermetallvergiftung und zur Bodensanierung. ACC = N-Acetyl-Cystein (Schleimlöser).

Thioether
R-S-R
Schwefellost (1) Kampfstoff (Senfgas oder Lost).
Thiophen (2) Wichtiger Schwefelträger im Erdöl.
Tetrahydro-
thiophen (3)
Warngeruchsstoff im Erdgas.

Thioester Bemerkungen
R-CO-S-R'
Acetyl-CoA Aktivierte Essigsäure. Schlüsselsubstanz im Stoffwechsel.

Schwefelsäurederivate

a) Alkylsulfate Bemerkungen
R-O-SO3Na
Dodecylsulfat Ester der Schwefelsäure. Als Natriumsalz (SDS) in Feinwaschmitteln.

b) Sulfonsäuren
R-SO3H Enthalten in Entkalkern. Ankergruppe für Kationenaustauscher.

Phosphorhaltige Derivate

Phosphorsäure-
ester
Bemerkungen
Adenosinmono-
phosphat AMP
Nucleotid. Bausteine der Nucleinsäuren.

E 605

Heterocyclen

Hierunter versteht man cyclische Verbindungen, deren Ringgerüste neben Kohlenstoff Fremdatome wie Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Bor etc. enthalten. Einige Beispiele sind:

- Pyridin (1) Lösemittel.
- Pyran (2) Lösemittel. Grundgerüst der Hexosen.
- Indol (3) Grundbaustein der Aminosäure Tryptophan, von Gewebshormonen (Serotonin), LSD und von Indigo.
- Thiophen (4) Enthalten in S-reichem Erdöl.
- Imidazol (5) Baustein der Aminosäure Histidin und Histamin (Bienengift).
- Morphinbase (6) Morphium. Grundstoff für Codein und Heroin.
- Cocain (7)


Heterocyclen sind vor allem für die Naturstoff-, Farben-, Medikamenten- sowie Pestizid- und Biochemie von größter Bedeutung. Beispiele für N-Heterocyclen sind Indigo, die Basen der Nucleinsäuren sowie viele Gewebshormone (Serotonin und Histamin). Rauschgifte (Morphium und Lysergsäure) und der Blutfarbstoff Hämoglobin gehören ebenfalls zu dieser Stoffklasse. O-Heterocyclen sind z. B. alle Kohlenhydrate. Blütenfarbstoffe wie die Anthocyane oder Flavone, das Lösemittel Dioxan, die Aflatoxine oder die Dioxine oder Dibenzofurane. Ein S-Heterocyclus ist z. B. das im Erdöl enthaltene Thiophen. Besonders in Fungiziden sind N/S-Heterocyclen zu finden.

Verbindungen mit mehreren verschiedenen funktionellen Gruppen

Aminosäuren

Sie enthalten in ihrer Grundstruktur eine Carboxyl- und eine Aminogruppe. Die Reste weisen dagegen alle denkbaren funktionellen Gruppen auf. Beispiele sind:

- Glycin (1),
- Alanin (2),
- Phenylalanin (3),
- Histidin (4).

Kohlenhydrate

Kohlenhydrate sind zugleich Carbonylverbindungen und Alkohole (a), die reversibel einen heterocyclischen Ring (b) bilden. Beispiel:

- Glucose.

Hydroxycarbonsäuren

- Milchsäure ist die 2-Hydroxypropansäure (1),
- Ricinolsäure ist die 12-Hydroxyölsäure (2),
- PHB ist die Parahydroxybenzoesäure (3),
- Citronensäure (4).

Lecithine

Gruppe von stark polaren Estern des Glycerins mit 2 klassischen Fettsäuren und Phosphorsäure, die wiederum mit Trimethylaminoethanol Cholin verestert ist.

16.3 Reaktionstypen der organischen Chemie

Die Grundreaktionen organischer Verbindungen sind:

- Fragmentierung,
- Eliminierung,
- Addition,
- Substitution,
- Umlagerung.

Ändert sich die Oxidationszahl des Kohlenstoffs, sind die Reaktionen mit Reduktion oder Oxidation verbunden.

Fragmentierung

Diese Reaktion ist für die Umweltchemie besonders wichtig. Darunter versteht man das Zerbrechen von C-C-Bindungen. Dies führt zum Abbau des Moleküls und oft zu ungesättigten Verbindungen oder sogar Ruß (Photosmog). Auslöser sind hochenergetische Strahlung (UV-, Röntgen- oder radioaktive Strahlung) und starke Hitze (Pyrolyse, Verbrennungsmotor). Dabei bilden sich besonders leicht Radikale. Aber auch Pilze und Bakterien sind erfolgreich beim Abbau von Kohlenstoffketten (Kompostierung). Pilze sind besondere Spezialisten zur Öffnung von Benzolringen, wie sie im Lignin vorkommen (Holzabbau). Weitere Beispiele:

- Cracken von langkettigen Erdölbestandteilen:

R-CH2-CH2-CH2-R' ————> R-CH3 + CH2=CH-R'

Dabei entstehen besonders Ethen und Propylen, aber auch Wasserstoff.

- Decarboxylierung von Carbonsäuren:

Eliminierung

Spaltet man von einem größeren Molekül ein kleineres ab, ohne das Kohlenstoffgerüst anzugreifen, spricht man von Eliminierung. Dabei bildet sich stets eine Doppelbindung. Beispiele:

- Gewinnung von Ethen aus Ethanol:

- Bildung von Acrolein aus Glycerin:

- Bildung von Schwefelwasserstoff bei Verwesungsprozessen:

R-CH2-CH2SH ————> R-CH=CH2 + H2S

Addition

Dies ist die gegenteilige Reaktion zur Eliminierung. Hierbei addiert man Moleküle an Doppelbindungen. Beispiele sind die Hydrierung von ungesättigten Fetten oder die Vinylierung von Ethin, z. B. durch Addition von HCl unter Bildung von Vinylchlorid. Selbstaddition von einer größeren Zahl von ungesättigten Verbindungen führt zur Polymerisation (Polyaddition). Beispiele:

- Härtung einer ungesättigten Fettsäure:

- Bildung von Vinylchlorid durch Addition von HCl an Ethin:

HCCH + HCl ————> CH2=CHCl

Substitution

Hierbei ersetzt man einen Molekülteil durch einen anderen. Ein Beispiel ist der Abbau von CKW durch Austausch des Halogens gegen eine OH-Gruppe. Werden größere Moleküle unter Abgabe eines kleineren wie H2O oder HCl gebildet, spricht man auch von Kondensation. Wiederholt sich diese Reaktion unter Aufbau von Polymeren, so spricht man von Polykondensation. Beispiele:

- Hydroxylierung von Methylchlorid durch OH-Radikale:

CH3Cl + · OH ————> CH3OH + Cl¯

Dies ist eine wichtige Abbaureaktion von CKW in der Atmosphäre.

- Esterbildung (Kondensation):

- Alkylierung von Benzol (Friedel-Crafts-Reaktion):

So wird cancerogenes Benzol in weniger bedenkliches Toluol umgewandelt. Dieses vermag in manchen Bereichen Benzol zu ersetzen.

Umlagerung

Hierbei kommt es zu Umgruppierungen innerhalb eines Moleküls. Ein Beispiel ist die Herstellung von Alkohol aus Ethin ("Carbidsprit"). Die dreistufige Reaktion umfasst zwei Grundtypen:

1. Addition von Wasser an Ethin (Quecksilberkatalyse):

2. Umlagerung des instabilen Vinylalkohols zu Acetaldehyd:

(H2C=CHOH) ————> CH3-CHO

3. Addition von Wasserstoff zur Reduktion des Aldehyds zu Ethanol:

CH3-CHO + H2 ————> CH3-CH2-OH

Diese Reaktion wurde in Japan in einem Chemiewerk an der Minamatabucht durchgeführt. Deren quecksilberhaltige Abwässer vergifteten das Meerwasser.

Umlagerungen sind technisch und biochemisch sehr wichtig.

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Letzte Überarbeitung: 05. Februar 2014, Dagmar Wiechoczek