4.18 Tenside

In fast allen Reinigungsmitteln und in allen Waschmitteln sind Tenside die wichtigsten Wirkungsbestandteile. Tenside machen lipophile Schmutzpartikel für Wasser benetzbar. Sie sind Lösungsvermittler. Dadurch sind sie entscheidend an der Ablösung der Schmutzpartikel von der verschmutzten Oberfläche und an ihrer Dispergierung in Wasser beteiligt. Man nennt die Tenside deshalb auch "waschaktive Substanzen".

Tensid ist ein Oberbegriff für Seifen und Detergenzien. Der letzte Begriff wird oft missverständlich verwendet. Im deutschen Sprachgebrauch wird der Begriff "Detergenzien" für Tenside verwendet, die nicht durch Verseifung tierischer oder pflanzlicher Fette hergestellt werden. Für die Synthese dieser "Syndets" (synthetische Detergenzien) werden in verschiedenartigen chemischen Reaktionen neben natürlichen Fetten und Ölen auch petrochemische Rohstoffe verwendet.


4.18.1 Aufbau von Tensiden

Ein Tensidmolekül besteht aus zwei funktionellen Teilen, die die folgende Abbildung schematisch darstellt:


Abb. 10: Tensidmolekül (schematisch)

Der hydrophobe (wasserabstoßende) Molekülteil eines Tensids lagert sich an Schmutzpartikel an, die ebenfalls hydrophob sind. Der hydrophile (wasserliebende) Molekülteil macht das Tensidmolekül wasserlöslich. Auf diese Weise erfüllt das Tensidmolekül eine Funktion als Lösungsvermittler.

Die zahlreichen verschiedenen Tenside unterscheiden sich in ihrem molekularen Aufbau nur geringfügig im hydrophoben Molekülteil, aber sehr deutlich im hydrophilen Molekülteil. Beim hydrophoben Molekülteil handelt es sich stets um einen Kohlenwasserstoffrest. Bei dem hydrophilen Molekülteil werden anionische Reste (mit negativer Ladung), nichtionische (ungeladene) und kationische Reste (mit positiver Ladung) unterschieden.

Anionische Tenside:
Den größten Anteil der in Wasch- und Reinigungsmitteln enthaltenen Tenside stellen die anionischen Tenside (-> 3.1). Die wichtigsten Vertreter sind heute LAS (lineares Alkylbenzolsulfonat), SAS (sekundäres Alkylsulfonat), FAS (Fettalkoholsulfat) und Seife. Eine Übersicht gibt die folgende Tabelle (-> Tab. 18).


Tab. 18: Anionische Tenside


Nichtionische Tenside:
Bei den nichtionischen Tensiden trägt der hydrophile Molekülteil keine Ladung. Dieser Molekülteil enthält meist alkoholische Hydroxygruppen oder Polyether. Die stark elektronegativen Sauerstoffatome tragen zur negativen Polarisierung des hydrophilen Molekülteils bei. Dadurch sind die Eigenschaften der nichtionischen Tenside denen der anionischen Tenside ähnlich.

Beispiele für nichtionische Tenside sind AEO (Fettalkoholpolyglycolether), Saccharosefettsäureester oder APG's (Alkylpolyglycoside). Tabelle 19 gibt einen Überblick über die Strukturen.


Tabelle 19: Nichtionische Tenside [3,4]


AEO ist in Reinigern und flüssigen Waschmitteln ein viel verwendetes nichtionisches Tensid. Die Tenside auf Zuckerbasis, APG's und Saccarosefettsäureester, werden erst seit einigen Jahren in Kosmetika und einigen Flüssigwaschmitteln verwendet. Das APG hat dabei den Vorteil, dass es auch in alkalischer Waschlauge stabil ist, während der Saccarosefettsäureester in alkalischen Waschlaugen so schnell hydrolysiert wird, dass er fast nur in Körperpflegemitteln verwendet werden kann.

Zukünftig werden nichtionische Tenside größere Bedeutung in Wasch- und Reinigungsmitteln erlangen und möglicherweise die anionischen Tenside sogar mengenmäßig übertreffen. Für diese Entwicklung sprechen drei wichtige Eigenschaften der nichtionischen Tenside:

Als Beispiel für ein nichtionisches Tensid, das die oben genannten Kriterien erfüllt, sind Alkylpolyglycoside (APG's) zu nennen. Sie können aus Fettalkoholen und Kohlenhydraten hergestellt werden.

Ein Nachteil ist der im Vergleich zum petrochemischen Standardtensid LAS höhere Preis. APG ist ein hochwirksames Tensid. In einer 1:1 Mischung mit dem anionischen Tensid FAS wird sogar noch eine Steigerung der Waschleistung bewirkt, die höher ist als die Waschleistung von LAS. Dies wird als Synergieeffekt bezeichnet, weil die Waschleistung der Mischung größer ist als die addierte Waschleistung der Einzeltenside.

APG's sind durch ihre Hautfreundlichkeit besonders für den Einsatz in Handgeschirrspülmitteln geeignet. Beispiele für Wasch- und Reinigungsmittel mit diesem Tensid sind das Baukastenwaschmittel der Hobbythek (Bawa), das Flüssigwaschmittel von Henkel (Persil) und das Handgeschirrspülmittel von Henkel (Pril).

Kationische Tenside:
Kationische Tenside sind in Weichspülern (-> 4.22) enthalten. Als waschaktive Substanzen sind kationische Tenside ungebräuchlich. Sie können die Wirkung anionischer Tenside aufgrund der entgegengesetzten Ladung beeinträchtigen. Strukturen von kationischen Tensiden sind in Abschnitt 4.2 dargestellt.


4.18.2 Wirkungsweise von Tensiden

Die Wirkungsweise von anionischen, nichtionischen und kationischen Tensiden ist insgesamt ähnlich. Sie soll am Beispiel der anionischen Tenside erläutert werden [1].

Die Tensidmoleküle sind in der Waschlauge gelöst. Durch den Lösungsvorgang entstehen aus den Natriumsalzen der Tenside (-> Tab. 18) die negativ geladenen Anionen der Tenside. Der hydrophobe Molekülrest lagert sich an die Schmutzpartikel an und stellt so eine Art Verbindung zum umgebenden Wasser her.

(Quelle: Cornelsen)

Der Schmutz wird von der Oberfläche abgelöst. Dieser Vorgang wird dadurch unterstützt, da die Tensidmoleküle sich auch an die Oberfläche des Reinigungsgutes anlagern. Die Tensidmoleküle sind negativ geladen, so dass es zwischen der mit Tensidmolekülen belegten Oberfläche und dem mit Tensidmolekülen belegten Schmutzpartikeln zu einer elektrostatischen Abstoßung kommt.

Die elektrostatische Abstoßung bewirkt auch eine Zerteilung der Schmutzpartikel in kleinere Bestandteile. Diese sind leichter dispergierbar als große Partikel. Die gleichartige elektrische Aufladung verhindert eine erneute Zusammenlagerung der dispergierten Schmutzpartikel.

Nichtionische Tenside entsprechen in ihrer Wirkung den anionischen Tensiden. Da statt der negativen Ladung bei den nichtionischen Tensiden nur eine negative Polarisierung des hydrophilen Molekülteils vorliegt, sind die angesprochenen Eigenschaften und somit die Waschleistung meist etwas geringer.

Die kationischen Tenside haben mit textilen Oberflächen eine andere Wechselwirkung als die anionischen oder nichtionischen Tenside (-> 4.22).


4.18.3 Biologische Abbaubarkeit von Tensiden

Ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung von Tensiden ist neben der Waschleistung die biologische Abbaubarkeit. Dabei können Kohlenstoffverbindungen, so genannte organische Verbindungen, zu Kohlendioxid, Wasser und Mineralstoffen abgebaut werden. Dieses nennt man auch Totalabbau. Der Totalabbau erfolgt durch Stoffwechselvorgänge von Mikroorganismen, die organische Substanzen als Nahrungsquelle nutzen. Der Totalabbau entspricht einer vollständigen Oxidation der organischen Ausgangsverbindung, die das gleiche Ergebnis liefert wie eine vollständige Verbrennung.

Die folgende Reaktionsgleichung zeigt zum Beispiel den Totalabbau von LAS:

2 C18H29O3SNa + 51 O2 ———> 36 CO2 + 28 H2O + 2 NaHSO4

Auffällig ist der hohe Verbrauch an Sauerstoff. Das gelöste, für Organismen lebensnotwendige Gas wird den Gewässern entzogen - eine der Ursachen für das „Umkippen von Gewässern“.


Literatur

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Letzte Überarbeitung: 25. August 2010, Dagmar Wiechcozek