3 Quecksilber

Quecksilber ist eines der giftigsten Metalle. Der Grund für die Toxizität ist die extreme Stabilität seines Sulfids und seiner Komplexverbindungen, womit die hervorragende Bindefähigkeit von Quecksilber in organischem Material zu erklären ist (hochpersistentes Summationsgift). Hinzu kommt, dass das Metall langsam verdampft, so dass man in kontaminierten Räumen, in denen z. B. einmal ein Fieberthermometer zerbrochen ist, einer ständigen Belastung ausgesetzt ist. Trotz der hohen Toxizität sind Quecksilber und seine Verbindungen immer noch von großer technischer Bedeutung und dabei sehr billig. Die Gründe hierfür liegen in den vielfältigen Eigenschaften dieses Metalls:

- Quecksilber hat über einen großen Temperaturbereich einen nahezu linearen Ausdehnungskoeffizienten: Verwendung als Thermometerflüssigkeit.
- Quecksilber hat einen sehr niedrigen Dampfdruck (1,33 · 10-9 bar bei 25 °C): Verwendung als Sperrflüssigkeit in Feinstvakuum-Pumpen. Man erreicht mit ihnen Druckminderungen bis auf 10-9 bar. Während des Pumpens verdampft das Quecksilber und gelangt, wenn es nicht in Kühlfallen verflüssigt wird, in die Außenwelt. (Eine Wasserstrahlpumpe erreicht nur 1,3 · 10-3 bar.)
- Quecksilber ist eine elektrisch leitende Flüssigkeit: Verwendung in der Elektrotechnik sowie als fließende Elektrode bei Elektrolysen (von NaCl-Lösungen) oder bei der Polarographie, einem wichtigen Verfahren der Umweltanalytik zum Nachweis von Schwermetallen, aber auch von Sauerstoff.
- Quecksilber bildet mit anderen Metallen flüssige bis plastische sowie sich rasch verfestigende Legierungen (Amalgame): Verwendung in der Zahntechnik sowie beim Amalgamverfahren zur Elektrolyse von wässrigen Natriumchloridlösungen.
- Quecksilber besitzt von allen Metallen die größte Überspannung gegenüber Wasserstoff (extremes Gegenbeispiel ist Platin): Verwendung bei der Elektrolyse von konzentrierten, wässrigen Alkalimetallsalzlösungen, bei der sich statt Wasserstoff unter Amalgambildung das wesentlich unedlere Alkalimetall abscheidet.
- Quecksilber neigt stark zur Komplexbildung: Neßlers-Reagenz zum Nachweis von Ammoniak im Trinkwasser enthält [HgI4]2--Komplexe.
- Quecksilber bildet metallorganische Verbindungen: Verwendung als Katalysator in organisch-chemischen Synthesen, z. B. bei der Reppesynthese von Acetaldehyd aus Ethin. In der Umwelt tritt extrem giftiges Methylquecksilber auf.
- Die meisten Quecksilberverbindungen sind akut giftig: Früher Verwendung als Saatbeize oder in Medikamenten, z. B. Sublimatpastillen gegen Halsinfektionen. Das Wort Quacksalber hängt etymologisch mit Quecksilber zusammen.
- Quecksilberverbindungen sind häufig intensiv farbig: Früher Verwendung als Farbpigmente; Beispiel: Zinnober (HgS). Die äußeren Elektronen von Hg-Atomen sind durch Stöße von Elektronen oder Atomen leicht anregbar und sogar ablösbar; die Elektronen und Hg-Ionen rekombinieren rasch unter Emission der Anregungsenergie als UV- und sichtbarem Licht: Bestandteil von Füllgasen in UV-Strahlern und anderen Gasentladungslampen wie den sog. Neonröhren, aber auch in den sog. Sparlampen, die nach Gebrauch zum Sondermüll gehören.
- Quecksilber ist relativ edel, besitzt also ein hohes Redoxpotential: Verwendung des Oxids als oxidierender Pol (Pluspol) in Knopfzellen (RM-Zellen) zum Betrieb von Fotoapparaten oder Hörgeräten. Quecksilberhaltige Batterien haben ein besonders stabiles Potential. Die Spannung beträgt 1,35 Volt. Als Minuspol der Knopfzellen dient Zinkmetall; Elektrolyt ist Kalilauge. Die spannungsliefernden Prozesse sind:

     

Die Reaktionen sind nicht umkehrbar, weil sich die Zinkelektrode bei Stromlieferung auflöst. Außerdem würde beim Ladevorgang eher Wasserstoff entstehen als Zinkmetall. Deshalb lassen sich Knopfzellen nicht wieder aufladen.


3.1 Quecksilber in der Umwelt

In die Umwelt gelangt Quecksilber hauptsächlich durch Deponierung oder Verbrennen von Abfällen. So verschwinden pro Jahr ca. 50 t dieses Umweltgiftes. Da es bei hohen Temperaturen als ideales Gas vorliegt und deshalb alle Filter ungehindert passiert, ist es auch im gefilterten Abgas von Müllverbrennungsanlagen zu finden. Gleiches gilt für die Abgase von Kohlefeuern, da die pflanzlichen Vorstufen der Kohle (Humusstoffe) gute Schwermetallsammler sind, die ähnlich wie Ionenaustauscher wirken.

Da Quecksilbersulfid im Wasser praktisch keine Ionen freisetzt, hält sich das hartnäckige Gerücht, dass man Quecksilber und seine Verbindungen entgiften kann, indem man sie in Sulfid überführt. Danach wird es üblicherweise im Mülleimer "entsorgt".

Auf der Mülldeponie können Bakterien das Sulfid aber zu metall-organischen Verbindungen extremer Giftigkeit (wie z. B. das gasförmige Methylquecksilber (CH3)2Hg umsetzen. (Problem von bebauten Altlasten. Das Gas findet sich zusammen mit Methan in schlagwetterverdächtigen Konzentrationen in den Kellerräumen.) Falls Quecksilbersulfid verschluckt wird, kann sich Methylquecksilber auch durch Darmbakterien bilden. In Müllverbrennungsanlagen wird Quecksilbersulfid thermisch gespalten und partiell oxidiert:

HgS + O2 ———> Hg + SO2

Somit gehören grundsätzlich alle Quecksilberreste und Quecksilberverbindungen in den Schwermetallabfall, wobei Quecksilber und seine Verbindungen wegen des hohen Dampfdrucks des flüssigen Metalls in geschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden müssen.


3.2 Das Unglück in der Minamata-Bucht

Um 1950 kam es zu einer Quecksilbervergiftung von Fischern, die in der japanischen Minamata-Bucht fischten. Die Quecksilberverbindungen entstammten den Abwässern einer Fabrik zur Herstellung von Alkohol aus Ethin ("Carbidsprit"). Quecksilber spielt eine katalytische Rolle bei der Addition von Wasser an Ethin. Die Alkoholsynthese umfasst insgesamt drei Reaktionen:

1. Addition von Wasser an Ethin (Quecksilberkatalyse):

2. Umlagerung des instabilen Vinylalkohols zu Acetaldehyd:

(H2C=CHOH) ————> CH3-CHO

3. Addition von Wasserstoff zur Reduktion des Aldehyds zu Ethanol:

CH3-CHO + H2 ————> CH3-CH2-OH

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Letzte Überarbeitung: 09. August 2005, Dagmar Wiechoczek