3 Umweltprobleme und Entropie

Grundsätzlich wird bei jedem technischen Vorgang oder chemischen Prozess Abwärme freigesetzt ("Wärmemüll"):

- Mechanische Reibung beim Laufen von Turbinen zur Gewinnung elektrischer Energie.
- Prozesswärme bei exothermen chemischen Abläufen.
- Die zur Überwindung von Reaktionshemmungen aufzubringende Aktivierungsenergie wird während des Prozesses in Abwärme umgewandelt.

Das Verhältnis von praktisch verwendbarer Energie zur Gesamtenergie ist der Wirkungsgrad h.

Nun wird oft eingewendet, dass man Abwärme vermeiden könne, indem man die Prozesse so führt, dass die Energieverluste minimiert oder ganz unterbunden werden. So ließen sich Reibungsverluste durch bessere Schmierung, Reaktionshemmungen durch bessere Katalysatoren überwinden. Auch könne man die Abwärme recyclen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Abfallwärme nicht mehr vollständig in wertvolle (z. B. elektrische oder chemische) Energie umgewandelt werden kann. Da Wärmeaustausch eine Temperaturdifferenz voraussetzt, gelingt die Umwandlung von Wärmeenergie in Arbeit nicht vollständig. Die nicht verwertbare Wärmeenergie wird in die Umgebung abgegeben.

Dennoch kann man einen großen Teil der Oxidationswärme, die z. B. bei der Verbrennung von Wasserstoff oder Erdgas freigesetzt wird, als wertvolle elektrische Energie abfangen. Das kann man zunächst mit kleinem Wirkungsgrad in einem Wärmekraftwerk machen. Sehr hohe Wirkungsgrade erreicht man mit Hilfe der Brennstoffzellen.

Abwärme ist umweltschädigend. Sie heizt Atmosphäre und Gewässer auf, verringert den Sauerstoffgehalt von Flüssen und Seen und fördert das Wachstum von Wasserpflanzen.

Verbrennt man kompostierbaren Müll, so kann technisch nur ein Teil der freigesetzten Energie genutzt werden. Demgegenüber ist das Anlegen eines Komposthaufens umweltschonend, da dieser bei geringer Abwärme hochwertigen Humus und Biomasse produziert.

Abwärme, d. h. der Verlust an wertvoller Energie, bewirkt eine Zunahme der regellosen Bewegung von Atomen und Molekülen. Sie wird in der Umwelt gespeichert oder letztlich in das Weltall abgestrahlt. Damit wird Energie zerstreut, aus Ordnung wird Unordnung. Ein Maß für die Entwertung wertvoller Energie ist die Entropie, welche damit zugleich ein Maß für Unordnung und Chaos ist.

Unordnung herbeizuführen gelingt nahezu spielerisch. Aber Ordnung wieder herzustellen ist nur unter Energieaufwand möglich. (Eltern wird der Zusammenhang zwischen Energie und Unordnung deutlich, wenn man sie an die Zustände in ihrem Kinderzimmer erinnert.)

Dies ist auch die Grundlage des Lebens: Lebewesen sind sich spontan bildende Ordnungsinseln in einem Meer von Unordnung. Gegen die Unordnungstendenz anzukommen, erfordert den weitaus überproportionalen Einsatz von wertvoller Energie, die z. B. als chemische Energie ("Freie Energie") in Biomolekülen "eingefroren" ist. Zur Erzeugung von Fleisch müssen pflanzliche Futtermittel des siebenfachen Nährwertes eingesetzt werden. Durch extensive Viehhaltung entstehen somit Energieverluste bei gleichzeitiger Umweltschädigung wie Grundwasserverunreinigung durch Überdüngung oder Gülle, Methanfreisetzung durch Gärungsprozesse im Rindermagen (usw.).

Nun hat die Natur das Bestreben, zu einem Maximum an Entropie zu gelangen, d. h. den Zustand zu erreichen, in dem die Materie gleichmäßig verstreut ist und Spannungszustände nivelliert sind. Damit wird allen natürlichen Abläufen eine zeitliche Richtung aufgeprägt.

Diese Irreversibilität bedrängt uns ganz besonders, wenn wir an die Umwelt denken. Offenbar besitzt unsere individuelle Zeitachse (Richtung Tod) auch für den Organismus Umwelt Gültigkeit. So, wie es im Moment aussieht, ist das Sterben auch ein der Umwelt immanentes Phänomen, gegen das kaum noch etwas zu unternehmen ist.

Durch leichtfertiges Verschwenden von Rohstoffen, die hochgeordnet in Minerallagerstätten lagern, als Bäume in Wäldern oder als Pflanzen auf Feldern wachsen, sowie durch extensive Energiewirtschaft haben wir unseren Erdball bald bis in den letzten Winkel ausgeplündert und mit Abfällen überzogen. Die Meere werden verschmutzt, die Atmosphäre wird als Müllkippenersatz mit Fremdgasen angereichert und zunehmend aufgeheizt.

Der Pessimismus ist berechtigt, wenn man sich folgendes klarmacht: Will man die Entwicklung aufhalten oder gar rückgängig machen, so ist wiederum ungeheuer viel wertvolle Energie aufzuwenden. (Man denke nur an das Altlastenproblem oder die Sanierung einer Altlast.) Bei der Produktion der hierzu notwendigen Energie, Maschinen und Materialien entstehen wiederum Abwärme, Abgase oder Radioaktivität sowie Müll. Wir befinden uns mittendrin in einem irreversiblen Circulus vitiosus.

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Letzte Überarbeitung: 06. März 2001, Dagmar Wiechoczek