Die biochemischen Hintergründe der Essiggärung

Es gibt verschiedene Bakterienarten, die aus Ethanol Essigsäure herstellen. Die wichtigste Gruppe ist die der Acetobacter-Arten.


Zunächst wird Ethanol dehydriert

CH3-CH2OH ———> CH3-CHO + 2 [H]

(Das Symbol [H] steht für gebundenen Wasserstoff.)

Die Wasserstoffabspaltung erfolgt enzymatisch durch eine bakterielle Alkoholdehydrogenase (ADH). Coenzym ist nicht NAD+, wie bei der klassischen ADH, sondern PQQ. Die Abkürzung steht für Pyrrolo-chinolin-chinon. Es heißt auch Methoxatin; es kommt auch in unserem Körper vor.

Formel von PQQ (Methoxatin)

Bei der Reaktion bildet sich PQQH2, für das wir in unserer oben angeführten Reaktionsgleichung 2 [H] geschrieben haben.

Schematische Bildung von PQQH2

(Diesen Reaktionsablauf sollte man mit den Redoxreaktionen der Ascorbinsäure vergleichen.)

PQQ spielt letztlich die Rolle eines Oxidationsmittels. Da es in der Zelle nur begrenzt vorhanden ist, muss es ständig aus PQQH2 zurückgebildet werden. Das geschieht mit Sauerstoff unter Mitwirkung von Enzymen der Atmungskette. Bei dieser exothermen Reaktion wird ein Teil der freiwerdenden Energie als chemische Energie in Form der chemischen Verbindung ATP gespeichert. (Der andere Teil wird in Form von thermischer Energie, also als Reaktionswärme freigesetzt; deshalb muss bei der großtechnischen Essiggärung letztlich gekühlt werden, obwohl eine Mindest-Temperatur einzuhalten ist.)


Der Aldehyd wird ebenfalls dehydriert
Der Reaktionsweg führt über die hydratisierte Form des Aldehyds.

Enzym ist die Aldehyd-Dehydrogenase. Auch hier wirkt wieder PQQ mit.


Die Gesamtreaktionsgleichung der Essigsäurebildung

CH3-CH2OH + O2 + 2 (ADP + Pi ) ———> CH3-COOH + H2O + 2 (ATP + H2O)

Bei dieser Reaktionsgleichung haben wir die genaue Bilanz der ATP-Bildung aus ADP und anorganischem Phosphat Pi nicht berücksichtigt.


Gibt es nicht die Möglichkeit zur Überoxidation?
Das ist richtig. Wenn kein Alkohol mehr da ist, fangen die Essigsäurebakterien an, die Essigsäure weiter zu CO2 und Wasser zu oxidieren - sowie wir Menschen es ja letztlich auch tun. Außerdem können sich auch Nebenprodukte bilden, die den Essiggeschmack negativ beeinflussen. Um das zu verhindern, wird die Gärung bei einem Restgehalt von 0,3 Vol% Ethanol abgebrochen.


Definitionen: Gärung und Atmung
Früher verband man die Bezeichnung Gärung streng nur mit anaeroben Prozessen, also beispielsweise gibt es alkoholische Gärung, Milchsäuregärung oder Glyceringärung.

Prozesse in Gegenwart von Sauerstoff dagegen wurden unter Atmung eingeordnet. So müsste es eigentlich "Essigatmung" heißen. Trotzdem bleibt man bei dem Begriff "Essiggärung".


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Letzte Überarbeitung: 26. August 2005, Dagmar Wiechoczek