Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 165
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F: Ein Medikament gegen Halsschmerzen weist in seiner Zusammensetzung Folgendes auf: Aconitinum, Atropin sulfuricum und Mercurius cyanatus. Was ist davon zu halten?


A: Ihre Anfrage betrifft offenbar um eine Arznei wie "Meditonsin®" von Medice. Es handelt sich um eine alkoholische Lösung verschiedener Substanzen teilweise pflanzlicher Herkunft. Ich würde sie deswegen aber nicht als Kräuterlikör bezeichnen...
Aconitinum ist der typische Inhaltsstoff des Eisenhuts, Atropin der Inhaltsstoff der Tollkirsche. Letzteres liegt als Sulfat vor. Mercurius cyanatus ist Quecksilbercyanid. Erstere sind physiologisch hochwirksame Alkaloide. Das glücklicherweise schwerlösliche Quecksilbercyanid Hg(CN)2 ist stark giftig. Es wurde früher zur Desinfektion von chirurgischen Instrumenten genutzt (wie auch die bekannten Pastillen aus Sublimat - Quecksilber(II)-chlorid, die man unter anderem auch zum Ausputzen des entzündeten Rachens zu lutschen hatte).
Dem Chemiker graust es, wenn er diese Stoffnamen liest. Glücklicherweise liegen diese Stoffe in dem Medikament aber so verdünnt vor, dass ihre Giftigkeit keine Rolle mehr spielt.
Ob sie dann auch überhaupt noch wirksam sind, ist eine Frage der Anschauung. Schließlich handelt es sich um ein homöopathisches Medikament - und die sind mehr als umstritten.
Bedenklich ist höchstens der Alkoholgehalt - aber nur, wenn Sie Alkoholprobleme haben. Das ist auch die Crux bei Schnäpschen wie Klosterfrau Melissengeist. "Die Dosis macht´s, ob etwas ein Gift sei"...


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F: Ich beobachte immer wieder, dass sich in Natriumacetat-Lösung (1 molar, Aufbewahrung in verschlossenen Glasgefäßen) spätestens ein Jahr nach der Herstellung der Lösung graue Flocken ansammeln, die sich auch zu größeren Gebilden zusammenlagern. Unter dem Mikroskop (40x) sieht man Knäule aus dünnen Fäden.
Was kann das sein? Ausgefälltes NaAc, Dimere davon? Weder im ROEMPP noch in anderen Büchern habe ich etwas dazu gefunden.


A: Was Sie da sehen, sind in der Salzlösung gewachsene Mikroorganismen! Das können Algen sein, aber auch Bakterien oder Pilze. Denken Sie daran, dass die Mikros alles haben, was sie zum Wachsen brauchen. Spurenelemente holen sie u. a. aus der Glaswand. Für die ist eine Natriumacetat-Lösung eine leckere Brühe.
Wir beobachten das Wachstum sogar in gesättigter Kupfersulfat-Lösung! Die hatten wir zur Kristallzüchtung aufbewahrt. Daraus hat ein Kollege eine kupferresistente Algenart isoliert.

Aus diesem Grunde sollte man solche Lösungen nicht lange aufbewahren. Eichpufferlösungen müssen immer wieder durch Verdünnung von Konzentraten neu angesetzt werden.


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F: Jemand hat mir erzählt, in biochemischen Labors kommt man leicht an Rauschgifte wie Morphium. Das weiße Pulver hätte er dort gesehen. Stimmt das?


A: Klingt irgendwie gut: Biochemiker dröhnen sich voll mit Morphium von Merck. Mal im Ernst: Wenn tatsächlich mit Morphinen experimentiert wird, muss eine Erlaubnis da sein und außerdem ein Buch darüber geführt werden, wo die verbrauchten Mengen geblieben sind. Des weiteren befinden sich die Morphine unter strengem Verschluss.
Ihr Bekannter hat sich sicherlich geirrt. Es handelt sich bei der von ihm "entdeckten" Chemikalie wohl nicht um Morphin, sondern um Morpholin. Die chemisch exakte Bezeichnung ist 1,4-Oxazinan.

Dieses gesättigte, zyklische Amin ist eigentlich bei Zimmertemperatur flüssig. Es wird jedoch im Allgemeinen als kristallines, farbloses Hydrochlorid verwendet. Der pKa-Wert liegt bei 8,33. Die Substanz benötigt der Biochemiker als relativ inerte Puffersubstanz im pH-Bereich um 8.

Morpholin ist verglichen mit Morphin einfach gebaut. Hier ist zum Vergleich die Formel von Morphin.

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Letzte Überarbeitung: 17. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek