Osazonbildung – Eine wichtige Gruppenreaktion

Experimente
Versuch: Osazonbildung


Bei der Reaktion von Carbonylverbindungen mit Phenylhydrazin (C6H5NHNH2) bilden sich Schiffsche Basen. Bei dieser Reaktion handelt es sich um eine typische Reaktion der Aldehyde und Ketone, um eine nucleophile Addition. Das Reaktionsprodukt heißt Phenylhydrazon. Es handelt sich um schwerlösliche, gut kristallisierende Substanzen, die sich leicht abtrennen und gut über ihre Schmelzpunkte charakterisieren lassen. Sie dienten deshalb zur Identifikation der jeweiligen Carbonylverbindungen. Jedes Praktikumsbuch der Organischen Chemie enthielt früher einschlägige Tabellen.

Bei der Reaktion von Kohlenhydraten mit Phenylhydrazin bildet sich eine ähnliche Stoffgruppe, die Osazone.


Worin liegt die Besonderheit bei der Osazonbildung von Kohlenhydraten?
Bei der Umsetzung von Phenylhydrazin mit einem Kohlenhydrat, zum Beispiel D-Mannose, addiert die Stickstoffverbindung nucleophil an das Carbonyl-C-Atom. Es bildet sich zunächst wie bei allen Carbonylen ein Phenylhydrazon.

Allerdings bleibt bei den Kohlenhydraten die Reaktion hier nicht stehen, sondern die Verbindung reagiert weiter zum Osazon, hier zum Mannose-Osazon, das man auch kurz Manosazon nennt. Denn die Bildung von Osazonen ist eine Folgereaktion, die jedoch nur bei einem Überschuss an Phenylhydrazin abläuft. Hat sich das Osazon erst einmal gebildet, dann reagiert es nicht wieder zurück. Doch warum bildet es sich überhaupt? Hierzu müssen wir uns erst einmal eine Zwischenstufe genauer ansehen.

Durch den Überschuss an Phenylhydrazin bildet sich zunächst das Osonhydrazon. Dabei wird ein Molekül Phenylhydrazin reduziert und an der N-N-Bindung gespalten. (Das so gebildete Phenylamin ist als Anilin bekannt. Sein N-Atom ist nicht basisch genug, um am Carbonyl-C=O anzugreifen.)

Das Osonhydrazon verfügt über eine dabei neu gebildete Carbonylgruppe, an der eine weitere Addition von Phenylhydrazin ablaufen kann. Es bildet sich abschließend das Osazon. Die Besonderheit dieser Verbindung liegt darin, dass an dem zweiten C-Atom durch die Additionsreaktion eine Doppelbindung entstanden ist, was zur Folge hat, dass die Stereochemie der ersten beiden C-Atome des Kohlenhydrats auf die Bildung des Osazons einer ganzen Kohlenhydratgruppe keine Auswirkungen hat. So bilden die an den C-Atomen 3-6 identisch konfigurierten Zucker D-Glucose, D-Mannose und D-Fructose allesamt dasselbe Osazon.

Wenn man sich die Struktur des Osazons im obigen Bild ansieht, erkennt man, dass sie nur sämtliche Atombindungen richtig wiedergibt. Sie vermag aber nicht die Stabilität des Osazons zu erklären. Vielmehr handelt es sich um eine spannungsfreie Ringstruktur, die durch eine H-Brücke stabilisiert wird.

Aus dieser Stabilität ergibt sich auch die Tendenz zur Bildung des Osazons. Denn solche Systeme haben eine geringe potentielle Energie.


Wo macht man sich die Osazonbildung zunutze?
Die Entdeckung der Osazonbildung stellte einen der wichtigsten Schritte innerhalb der Entwicklung der Zuckerchemie dar. Zucker werden häufig aus Sirupen hergestellt. Auch bei ihrer Synthese landet man im Allgemeinen immer bei sirupösen Gemengen, die (wie auch der Siruptopf zu Hause) erst nach Wochen oder Monaten Neigung zeigen, Kristalle zu bilden. Es erweist sich als sehr schwierig, den so vorliegenden Zucker zum Auskristallisieren zu bringen. Überführt man ihn aber in sein Osazone, so kristallisiert er gut aus, und man kann ihn gut abtrennen und reinigen. Denn die Osazone kann man leicht wieder spalten. Das Ganze gilt – wie wir gesehen haben - auch für Mischungen verschiedener Zucker.

Die Bildung von Osazonen dient deshalb nicht nur zur Gruppenanalytik, sondern darüber hinaus auch sogar zur Strukturermittlung. Bei ihrer Bildung wird die Asymmetrie am C-Atom 2 aufgehoben. So konnte man damit zeigen, dass Mannose und Glucose epimere Zucker sind und auch die Struktur der Fructose in diese Gruppe hineinpasst.

Außerdem ermöglichen Osazone die Überführung einer Aldose in eine Ketose. Bei der Hydrolyse der Osazone, die als Schiffsche Basen säureempfindlich sind, erhält man ein so genanntes Oson. Das trägt am C-Atom 1 eine Aldehydgruppe, am C-Atom 2 eine Ketogruppe.

Überführung einer Aldose in eine Ketose

Reduziert man das Molekül mit Wasserstoff, so wird zuerst die reaktivere Aldehydgruppe angegriffen. Man erhält so eine Ketose.


Vorsicht beim Umgang mit Phenylhydrazin!
Allerdings ist die Reaktion nicht mehr so populär wie früher, da man inzwischen das toxische Potential des Phenylhydrazins erkannt hat: Es gilt als krebserzeugend, giftig, reizend, sensibilisierend, umweltgefährdend und darüber hinaus noch als erbgutverändernd.

 

Also nichts für die Schulpraxis und auch nichts für Facharbeiten. Dennoch geben wir die Versuchsvorschrift, damit man sie wenigstens theoretisch nachvollziehen kann.


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Letzte Überarbeitung: 27. April 2014, Dagmar Wiechoczek