Formaldehyd denaturiert Eiweiße

Experimente:
Versuch: Denaturierung von Eiweißen durch Formaldehyd


Formaldehyd und Eiweiße
Formaldehyd denaturiert Eiweiße (-> Versuch). Diese Denaturierung ist eine nicht umkehrbare Reaktion, wie sie auch beim Eierkochen stattfindet. Wenn man Eier erst einmal gekocht hat, werden sie bekanntlich nicht wieder weich.

Wo greift der Formaldehyd an? Eiweißhaltige Substanzen besitzen Aminogruppen, die je nach pH-Wert einen unterschiedlichen Bindungscharakter aufweisen.

Die Wechselwirkung zwischen geladenen Ionen führt aber nicht nur zur Bindungsbildung in einem Proteinmolekül. Ionen mit gleicher Ladung stoßen sich ab, das heißt, dass sie einen möglichst großen Abstand zu einander einnehmen. Verändert sich allerdings der pH-Wert so, dass sich die Aminogruppen entladen, so entfällt die Abstoßung oder es bilden sich sogar zusätzliche Wasserstoff-Brücken aus, die zu einer Ausflockung der Eiweiße führt. Das ist ein Grund für die Säuredenaturierung.

Ähnliches passiert auch, wenn zum Protein Formaldehyd gegeben wird. Es bilden sich mit den Aminogruppen der verschiedenen Aminosäurereste Schiffsche Basen, welche ungeladen sind. Das führt ebenfalls zur Ausflockung des Proteins.

So liegt auch nahe, dass man Formaldehyd zum Gerben nehmen kann.


Formaldehyd als Antiseptikum
Die Eigenschaft, Proteine zu fällen, qualifiziert Formaldehyd auch für den Einsatz als Antiseptikum, also als Desinfektionsmittel. Früher war er aus diesem Grunde in vielen kosmetischen Artikeln zu finden. Hier diente er auch als Schweißbremse, da er die Proteine der Schweißdrüsen angriff. Heute ist man von diesem Gebrauch abgekommen, denn Formaldehyd ist alles andere als gesund.


Leichenpräparation mit Formaldehyd
Schon vor mehr als hundert Jahren wurde Formaldehyd zur Präparation von tierischem oder auch menschlichem Gewebe verwendet. Die Präparation galt als ein Kunsthandwerk und wurde für medizinische Forschung ebenso herangezogen wie für die Präparation von Ausstellungsstücken im Auftrag von Museen. Das waren früher oftmals herrschaftliche Sammlungen, die eher einem Panoptikum glichen.

Die Wirkung von Formaldehyd auf das Gewebe ist vielseitig.

- Das behandelte Objekt muss an seiner Verwesung gehindert werden. Die Zersetzung einer Leiche beginnt direkt nach dem Tod. Die Ursache ist die Wirkung körpereigener Proteasen (zum Beispiel die Kathepsine in den Zellen) und anderer Hydrolasen. Diese Enzyme sind ebenfalls Proteine, die durch Formaldehyd denaturiert und somit inaktiviert werden.
- Tierisches und menschliches Gewebe besteht darüber hinaus unter anderem aus einem Proteingerüst. Formaldehyd wirkt stabilisierend, da er die Stützproteine verfestigt.
- Die Desinfektionswirkung von Formaldehyd führt dazu, dass Bakterien, die ebenfalls an dem Verwesungsprozess beteiligt sind, abgetötet werden.

Damit ist ein formaldehydgetränkter Körper nicht mehr verwesungsgefährdet. In vielen anatomischen (medizinischen) Sammlungen findet man auch heute noch Einmachgläser, in denen Leichenteile in Formaldehyd eingelegt und für die Nachwelt erhalten sind. Auch in den Anatomiesälen, wo die Studierenden Leichenpräparation üben, sind Formaldehydpräparate anzutreffen.


Formaldehyd in der "Kunst": Damian Hirst und Gunther van Hagen
Während in der heutigen Präparation auf den Einsatz von Formaldehyd auf Grund seiner Giftigkeit weitestgehend verzichtet wird, hat Formaldehyd Einzug in die Kunst (oder in das, was manche dafür halten...) genommen. Der Vorteil von Formaldehyd liegt auf der Hand. Er ermöglicht eine lebensnahe Darstellung bei einer gleichzeitig guten Konservierung.

Die bekanntesten "Künstler" sind der britische Künstler Damian Hirst und der umstrittene "Körperweltenerschaffer" Gunther van Hagen. Während letzterer verschiedene andere Chemikalien zur Konservierung heranzieht, setzt Damian Hirst auf den ausschließlichen Einsatz von Formaldehyd. 2003 sorgte der britische Künstler durch die Ausstellung eines vier Meter langen Tigerhais in einer Formaldehydlösung für Aufruhr. Er selbst gab dem Kunstobjekt den Namen "Die Unvorstellbarkeit des Todes für einen Lebenden".


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Letzte Überarbeitung: 04. September 2006, Dagmar Wiechoczek