Bild 1 (Foto: Blume)


Wie die Kondensstreifen der Flugzeuge entstehen

Jeder kennt die "Himmelsschreiber": An schönen Tagen ziehen die großen Flugzeuge ihre Bahn, oftmals nur erkenntlich an den Kondensstreifen, die sie hinterlassen und die mehr oder weniger lange am Himmel stehen bleiben. Das ist besonders bei hochfliegenden Flugzeugen der Fall.

Die Ursache für die Bildung der Kondensstreifen liegt in der Zusammensetzung der Abgase der Triebwerke. Die langen Kondensstreifen, die wir am Himmel sehen, können aber keinesfalls aus dem Wasserdampf der Jettriebwerke gebildet werden. Das wäre viel zu wenig! Zur Erinnerung: 10 l Octan bilden etwa 10 l Wasser oder 1 kg Kerosin bildet 1,3 kg Wasser. Ein Jumbo-Jet verbrennt beim Flug von London nach New York 80 t Kerosin! Aber wie gesagt - das reicht nicht aus.

Richtig ist: Kommen die heißen Abgase in die um -50 °C kalte Luft, so kondensiert Wasserdampf zu Tröpfchen und gefriert. Wasserdampf kann auch sofort Eiskriställchen bilden, also resublimieren.

Die Analyse dieser Tröpfchen bzw. Kristalle hat jedoch ergeben, dass sie nicht aus reinem Wasser, sondern aus feinstverteilten Schwefelsäuretröpfchen ("Sulfat-Aerosole") gebildet werden. Die Schwefelsäure entsteht katalytisch aus dem SO2 in den Abgasen der Triebwerke, denn der Flugzeugtreibstoff Kerosin ist schwefelhaltig. Die Aerosolteilchen ("Feinstaub") wirken als Kristallisationskeime für weitere Wasseranlagerung und vergrößern die Tröpfchen bzw. Eiskristalle.

Als Kristallisationskeime wirken übrigens auch die Rußpartikel, die von manchen Flugzeugen in erheblicher Menge ausgestoßen werden.


Bild 2: Start eines stark rußenden Flugzeugs (B-52)
(Foto: Blume)


In trockner Umgebungsluft bilden sich wegen der geringen Menge an ausgestoßenem Wasserdampf nur kurzlebige Kondensstreifen. In besonders kalter und feuchter Luft dagegen lösen sich diese primären Kondensstreifen nicht wieder auf, sondern sammeln sogar noch Wasserdampf aus der Umgebung ein. So können sie zu riesigen Zirruswolken anwachsen. Das kann man besonders an Tagen mit aufziehenden Tiefs sehr schön beobachten. Die Kondensstreifen verbreitern sich und werden zu großen Wolkenfeldern. Das hat möglicherweise einen Effekt auf die Erwärmung der Erde: Die besonders dünnen Eiswolken lassen zwar Sonnenlicht durch, reflektieren aber einen Teil der Sonnenstrahlung (Albedo-Effekt). Das hat Abkühlung der unteren Luftschichten zur Folge. Andererseits reflektieren sie die Wärmestrahlung vom Erdboden zurück, so dass sich der Treibhauseffekt verstärken kann.


Bild 3: Solche Kondensstreifen künden einen Wetterwechsel an
(Foto: Blume)


Besondere Flugzeuge wie früher die SR-71 fliegen vor allem bei militärischen Einsätzen oder im Rahmen der Erforschung der Stratosphärenchemie sehr hoch. Sie zeigen merkwürdigerweise keine Kondensstreifen. Das gilt auch für Flugzeuge mit Stealth-Technologie wie den B-2-Bomber. Mit chemischen Zusätzen verhindert man die Bildung von Kondenswasser und Eiskriställchen. Dabei soll es sich um Verbindungen wie Fluorschwefelsäure handeln. Vielleicht sind es aber auch perfluorierte Tenside (PFT) wie zum Beispiel die Perfluoroalkylsulfonsäure bzw. -sulfonate. Diese sind wenigstens im Kerosintyp JP-8 enthalten. (JP steht für Jet Propulsion.) Was auch immer dahinter steckt - leider Top secret !


Bild 4: B-2 Bild 5: SR-71
(Fotos: Blume)


Bleibt noch eine Frage: Wie machen denn die Himmelsschreiber, die man zum Beispiel auf Air-Shows sieht, ihre Striche in Bodennähe? Die haben eine Vorrichtung zum Versprühen von Paraffinöl. Daraus bestehen deren Strichzeichnungen am Himmel. Das merken auch die Zuschauer: Deren Autos, die in der Nähe geparkt wurden, sind nach der Vorführung mit einem dichten Paraffinfilm überzogen...

Bild 6 (Foto: Blume)


Nimmt die Bildung von Kondensstreifen momentan zu?
Hierzu sei aus einer Anfrage zitiert:

Ich bin 61 Jahre alt. Als ich noch zur Schule ging, haben mich die Flugzeuge und ihre Kondensstreifen fasziniert. Die Faszination hat mich bis heute nicht losgelassen. Jedoch habe ich damals keine Kondensstreifen beobachtet aus denen sich Schleierwolken.gebildet haben, wie es heute der Fall ist. Diese Schleierwolken bleiben sogar mehrere Stunden erhalten, oder aus ihnen bilden sich großflächige Wolken. In sehr seltenen Fällen blieben sie etwas länger, aber nie gab es Schleierwolken. Heute ist es umgekehrt.
Gelten die zu meiner Jugendzeit gültigen physikalischen und chemischen Gesetze heute nicht mehr?

Davon kann keine Rede sein! Für eine aktuelle Zunahme an Kondensstreifen gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal sei angemerkt, dass Kondensstreifen und Schleierwolken aus Eiskristallen bestehen. Oben wurde erklärt, dass das Wasser dazu aus der Atmosphäre stammt.

1. Der Flugverkehr hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Außerdem fliegen die Flugzeuge heute deutlich höher als noch vor ein paar Jahren.
2. Es gibt heute wesentlich mehr Düsenjets als früher. Das bedeutet Umstellung von Benzin auf Kerosin. Letzteres enthält mehr Schwefel als das klassische Flugbenzin. Die Abgase sind deshalb angereichert mit Schwefelsäuretröpfchen, die bekanntlich als ganz effektive Kondensationskeime für Wasserdampfkeime bzw. Eiskristalle dienen.
3. Kondensstreifen bzw. daraus resultierende Wolken treten immer dann ganz besonders auf, wenn sich die Wetterlage ändert. Nun hat sich das Klima in der Richtung geändert, dass die atmosphärische Schichtung instabiler geworden ist. Außerdem sind die Schichten wasserdampfhaltiger geworden.


Wie entstehen die Auskragungen der Kondensstreifen?
Wie sind die Auskragungen, die auf dem Bild 7 zu sehen sind, zu erklären?

Bild 7: Kondensstreifen bilden Auskragungs-Muster
(Foto: Blume)


Das liegt nicht etwa daran, dass die Motoren stottern oder unregelmäßig laufen. Denn Verbrennungsprozesse in Turbinen erinnern an die Ölbrenner einer Heizung. Es liegt auch nicht daran, dass die Triebwerkstechnik geändert wurde - z. B. im Sinne einer Ram-Technologie, wie manche vermuten.

Die Auskragungen haben ihre Ursache erstens in den Verwirbelungen, die die Flugzeuge in der Atmosphäre hinter sich herziehen. In einem Wirbel herrschen andere Drücke als neben ihm - mit der Folge von unterschiedlichen Abläufen des Kondensationsgeschehens. Das betrifft auch die Temperaturen in und neben den Wirbeln, die stark variieren können.

Hinzu kommt, dass die ersten Kondensationskeime im Sinne einer Sammelkristallisation die feuchte Atmosphäre der näheren Umgebung von Wasserdampf befreien, indem sie diesen quasi heransaugen. Der Wasserdampf fehlt den nächsten Kondensationskeimen - also kommt es zu einer Lücke im Kondensstreifen. Danach kommt wieder ein Bereich mit genügend Luftfeuchte und Kondensat kann sich bilden - und so weiter. So entstehen rhythmische Auskragungen. (Das erinnert an rhythmische Fällungen, bekannt als Liesegangsche Ringe.)


Kondensstreifen bilden sich oft nicht kontinuierlich
Und wie ist zu erklären, dass von zwei nebeneinander fliegenden Flugzeugen eins einen Kondensstreifen zeigt, das andere aber nicht?
Flugzeuge, die beide nebeneinander zu fliegen scheinen, haben meistens unterschiedliche Höhen - mindestens 300 m (1000 Fuß). Deshalb können ihre Kondensstreifen verschieden aussehen, denn 300 m Höhenunterschied kann auch bedeuten, dass sich die Flugzeuge in völlig verschiedenen Wetterzonen bewegen.
Auch können Flugzeuge im waagerechten Flug durchaus mehrere Wetterzonen durchfliegen - wir sehen dann, dass die Form der Kondensstreifen sich ab und zu verändert. Die Streifen können sogar ab und zu unterbrochen sein, oder ihre Bildung hört plötzlich ganz auf.


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Letzte Überarbeitung: 27. Juli 2015, Dagmar Wiechoczek