4 Strategien zur Vermeidung von Umweltschäden

Insgesamt hat die Belastung unserer Umwelt in einem solchen Maß zugenommen, dass einschneidende Veränderungen notwendig geworden sind.

Die Abbildung 2 zeigt eine Hierarchie von möglichen Maßnahmen.

Abb. 2: Strategien zum Schutz der Umwelt

Im Folgenden werden die einzelnen Strategien zum Umweltschutz anhand von Beispielen erläutert. Es sei daran erinnert, dass solche Maßnahmen auch den Chemieunterricht in Schulen oder in einigen Fällen auch den privaten Haushalt betreffen.


4.1 Schadstoffarme Technologien

Bei der Entwicklung neuer technischer Verfahren ist man bemüht, den Anfall an Nebenprodukten und Abfällen möglichst gering zu halten und von vornherein eine schadstoffarme Technologie zu konzipieren. Dies hat neben den Gründen des Umweltschutzes durchaus auch wirtschaftliche Gründe, da die Beseitigung von Abfällen oftmals sehr kostenintensiv ist.

Weiterhin werden umweltbelastende Produktionsverfahren auf umweltfreundlichere Verfahren umgestellt. Hier kann man verschiedene Wege beschreiten.

Alternative Synthesewege
Ein historisches Beispiel ist die Sodaherstellung (-> 5.1.2). Zunächst stellte man Soda nach dem Verfahren von Leblanc her, wobei Calciumsulfid als Abfallstoff anfiel, welcher giftiges, übelriechendes Schwefelwasserstoffgas freisetzte. Durch die Einführung des Solvay-Prozesses wurde diese Umweltbelastung abgestellt.

In diesem Zusammenhang muss auch die Phenolsynthese (-> 5.10.2) genannt werden, bei der das ursprünglich angewendete Sulfonsäure-Verfahren vollständig durch das auf anderen Edukten basierende fast abfallfrei arbeitende Hock-Verfahren abgelöst wurde.

Vorreinigung der Ausgangsstoffe
Es ist nicht immer nötig, gänzlich neue Synthesewege zu beschreiten. In einigen Fällen genügt es auch, die eingesetzten Edukte vorzureinigen. Dies gilt vor allem auch für Brennstoffe.

Als Beispiel sei hier die katalytische Druckentschwefelung genannt. Die Entstehung von Schwefeldioxid bei Verbrennungsprozessen kann man von vornherein ausschließen, indem man die Schwefelverbindungen aus dem Brennmaterial entfernt. Hierzu lässt man Erdöl oder Erdöldestillate unter Druck an einem Katalysator mit Wasserstoff reagieren. Hierbei bilden sich aus schwefelhaltigen Verbindungen wie Thiophen Schwefelwasserstoff H2S und der entsprechende Kohlenwasserstoff (Butan C4H10):

Aus Flüssiggas werden die Schwefelverbindungen, meist Schwefelwasserstoff oder niedere Thioalkohole wie Methylmercaptan CH3SH entfernt, indem man das Gas wäscht:

Substitution belastender Substanzen
Hierbei werden gezielt nur einzelne toxische oder belastende Stoffe durch unbedenkliche Substanzen ersetzt. So lassen sich Veresterungen kontinuierlich und schadstofffrei durchführen, wenn als Katalysatoren saure Ionenaustauscherharze zum Einsatz kommen. Gegenüber dem klassischen Verfahren - Schwefelsäure als Katalysator - fallen fast keine belasteten Abwässer an.

Verbesserte Prozessführung
Auch durch verbesserte Reaktionsführung lassen sich teilweise erhebliche Schadstoffminderungen erzielen. Ein Beispiel hierfür ist die Wirbelschichtfeuerung, durch deren Anwendung man in Kohlekraftwerken gegenüber der herkömmlichen Verbrennung den Ausstoß an Stickoxiden und Schwefeldioxid wesentlich verringern kann. In der chemischen Industrie werden Prozesse, bei denen viele Schadstoffe emittiert werden, abgekapselt, die Reaktionen laufen in geschlossenen Systemen. Bei der NaCl-Elektrolyse wird zunehmend auf Quecksilber als Elektrodenmaterial verzichtet. Schädliche Lösemittel werden immer mehr durch Wasser ersetzt.


4.2 Verzicht auf die Produktion eines Stoffes

In einigen Fällen stellte sich die Nutzung eines Stoffes als so bedenklich heraus, dass auf seine Verwendung weitgehend verzichtet werden musste. Dies hatte zur Folge, dass die Produktion weitgehend verringert bzw. eingestellt wurde.

Ein klassisches Beispiel hierzu ist das Buttergelb. Dieser Azofarbstoff diente zur Färbung der technisch hergestellten, unansehnlichen Margarine. Nach kurzer Verwendungszeit erwies sich Buttergelb aber als stark cancerogen. Heute färbt man Margarine mit Carotinoiden.

Weiterhin kann hier der weitgehende Verzicht auf asbesthaltige Produkte (Beton, Brandschutz, Isoliermaterial, Bremsbeläge) genannt werden. Asbest kann Asbestose und sogar Lungenkrebs auslösen, wenn kurze Fasern dieses mineralischen Stoffes eingeatmet werden.


4.3 Recycling

Müll ist Rohstoff zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Wieder- und Weiterverwendung von Abfällen jeglicher Art nennt man Recycling. Recyclingverfahren dienen einmal direkt dem Umweltschutz, da durch ihre Anwendung weniger Deponien oder Müllverbrennungsanlagen benötigt werden und geringere Mengen umweltbelastende Stoffe freigesetzt werden. Zusätzlich werden Rohstoffe und Energie eingespart, was wiederum der Ökonomie und der Umwelt zugute kommt.

An die Tatsache, dass besonders in Not- und Kriegszeiten Recycling eine zentrale Rolle in der Rohstoffwirtschaft spielt, erinnert das folgende Bild.

“Out of the Frying Pan into the (Spit)Fire“
Original-Ensemble zur Altmetallsammlung aus Anlass der „Battle of Britain“.
Gesehen im britischen Air-Force-Museum Duxford
(Foto: Blume)


Zu den Recyclingverfahren wird auch die Energieumwandlung durch Verbrennen von Abfällen gezählt ("Energierecycling"). Diese stellt jedoch nur eine einmalige Nutzung von Abfällen dar, ist zusätzlich ökologisch bedenklich und soll deshalb im Folgenden nicht weiter diskutiert werden.

Wiederverwertung ist keine Erfindung der letzten Jahre. In den Vordergrund des Interesses ist das Recycling jedoch erst im vergangenen Jahrzehnt gelangt, als die Endlichkeit von Energie- und Rohstoffreserven - aber auch von Deponieraum und von reiner Luft und Wasser - deutlich wurde.

Allerdings gelingt es oftmals nur mit Mühe, geeignete Möglichkeiten zu finden, auch stofflich einheitliche Abfälle nutzbringend zu verwenden. Weiterhin ist es problematisch, komplexe Substanzmischungen wie den Hausmüll unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einem Recycling zuzuführen.

Folglich ist auch das Recycling kein Allheilmittel und besonders in Zeiten niedriger Energie- und Rohstoffkosten oftmals nicht konkurrenzfähig gegenüber Produktionsverfahren, die von neuen Stoffen ausgehen. Weiterhin scheint auch die Akzeptanz von Recyclingprodukten in der Bevölkerung gering zu sein.

Unter chemischen Gesichtspunkten kann man beim Recycling zwischen drei verschiedenen Verfahren unterscheiden:

Verfahren, bei denen keine stofflichen Umwandlungen stattfinden
Ein Beispiel hierzu ist das Recycling von Altglas (-> Abb. 3). Gebrauchte Glasgefäße werden gesammelt, eingeschmolzen und wieder zu Flaschen, Gläsern u.s.w. verarbeitet. Bei diesem Verfahren steht die Energieeinsparung von etwa 14 % bei einem Zusatz von 45 % Altglas zu der Glasschmelze gegenüber der Produktion aus neuen Rohstoffen im Vordergrund. Nach einem analogen Schema läuft das Recycling von Thermoplasten ab.

Abb. 3: Glasrecycling

Weiterhin sind hier die Verfahren zu nennen, durch die unter Anwendung physikalisch-chemischer Methoden Wertstoffe aus Abwässern und Abgasen zurückgewonnen und wieder dem Produktionsprozess zugeführt werden. Dazu gehören etwa:

- Extraktion von organischen Stoffen aus Abwasser (Beispiel: Rückgewinnung von Phenolen aus Produktionsabwässern).
- Strippen von Abwasser. Bei diesem Prozess werden flüchtige Bestandteile wie Lösungsmittelreste mit Gasen oder Wasserdampf ausgeblasen (Beispiel: Rückgewinnung von Lösungsmitteln).
- Filtern von Abgasen (Beispiel: Rückgewinnung von Zement, Staub aus den Abgasen der Drehöfen durch Elektrofilter).
- Adsorptive Abtrennung von Wertstoffen aus Abwasser und Abgasen (Beispiel: Adsorption von Lösungsmitteln an Aktivkohle, Rückgewinnung durch Erhitzen der Aktivkohle).
- Rückgewinnung von Wertstoffen durch Ionenaustausch (Beispiel: Metallsalzabtrennung aus Galvanikabwässern).

Verfahren mit chemischen Umwandlungen, bei denen Stoffkreisläufe beschritten werden
Hierfür ist das Recycling von Polymethacrylsäuremethylester (PMMA) (-> Abb. 4) ein Beispiel. Abfälle des polymeren Esters (Plexiglas, Acrylglas) werden gesammelt und erhitzt. Dabei bildet sich das Monomere (Methacrylsäuremethylester MMA), das gereinigt und anschließend repolymerisiert wird.

Abb. 4: Recycling durch chemische Stoffkreisläufe

Auch das Recycling von Akkumulatorenschrott stellt ein solches Verfahren dar (-> 7.3).

Verfahren mit chemischen Umwandlungen, bei denen jedoch kein Stoffkreislauf beschritten wird
Solche Verfahren findet man vielfach dann, wenn Abfälle bei der chemischen Produktion nutzbringend verwendet werden können (-> Abb. 5). So entsteht bei der Gewinnung von Eisenoxid durch Abrösten von Pyrit Schwefeldioxid als Abfall. Dieses Gas kann jedoch direkt als Ausgangsstoff für eine Schwefelsäureproduktion eingesetzt werden.

Abb. 5: Umweltschonendes Verfahren ohne Stoffkreislauf

Ein anderes Verfahren, das eine derartige Verwendung von Abfällen darstellt, ist der Claus-Prozess. Der bei der katalytischen Druckentschwefelung gebildete Schwefelwasserstoff wird zu einem Drittel zu Schwefeldioxid verbrannt. Anschließend lässt man die beiden Gase an einem Katalysator (Wasser) miteinander reagieren, wobei der wichtige Industrierohstoff Schwefel entsteht:


4.4 Entsorgung

Abfälle, für die es keinerlei Verwendungsmöglichkeit gibt, müssen möglichst umweltfreundlich beseitigt, also entsorgt werden.

Deponierung
Eine Möglichkeit zur Beseitigung fester Abfälle ist die Deponierung. Dabei ist darauf zu achten, dass die Gefährdung des Grund- und Oberflächenwassers sowie gefährliche chemische Reaktionen zwischen den abgelagerten Stoffen ausgeschlossen sind.

Umstritten ist die Ablagerung hochtoxischer und radioaktiver Abfälle in alten Bergwerken. Voraussetzung sind stabile Gesteinsschichten. Bekannt in Deutschland ist die Untertagedeponie Herfa-Neurode in einem Salzstock.

Verbrennung
Brennbare Abfälle werden - teilweise vermischt mit nicht brennbaren Bestandteilen - verbrannt. Hierbei können allerdings schadstoffhaltige Abgase und Flugstaub entstehen, die beispielsweise Schwermetallverbindungen mit sich führen. Dies erfordert oftmals aufwendige Abgasreinigung und wiederum eine Entsorgung der Filterstäube. Weitere Verbrennungsrückstände sind Aschen und Schlacken, die deponiert werden müssen. Die Verbrennung von Lösemittelrückständen wird teilweise auf hoher See durchgeführt.

Verklappen auf hoher See und Einleiten in Oberflächengewässer
Genauso bedenklich wie das Verbrennen auf hoher See ist das Verklappen von festen und flüssigen Stoffen in das Meer. Dies gilt auch für das Einleiten von Schadstoffen in Oberflächengewässer.

Abwasserreinigung
Bei der Behandlung von Abwässern spielen die folgenden Verfahren eine Rolle:

- Extraktion, Strippen (d. h. Ausspülen einer Lösung mit heißem Dampf), Filtern, Adsorption, Ionenaustausch.
- Abwasserverbrennung. Mit organischen Stoffen hochbelastetes Abwasser wird in eine Flamme geblasen. Dabei verbrennen die organischen Bestandteile.
- Nassoxidation. Die organischen Abwasserinhaltsstoffe werden mit Sauerstoff unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur oxidiert. Unter normalen Reaktionsbedingungen lassen sich organische Verunreinigungen durch den Zusatz von Wasserstoffperoxid oder anderen Oxidationsmitteln wie Chlor, Chlordioxid oder Ozon oxidieren.
- Flockung und Fällung. Gelöste Abwasserinhaltsstoffe werden durch Zusatz von Fällungsmitteln ausgefällt, z. B. Phosphate durch den Zusatz von Eisensalzen ("Grünsalz"; -> 5.2). Durch den Zusatz von Flockungsmitteln und Flockungshilfsmitteln bilden sich aus fein verteilten ungelösten Schwebstoffen sich absetzende größere Flocken. Problematisch sind Geruchsbelästigungen bei der Abwasserreinigung sowie die anfallenden belasteten Klärschlämme.


4.5 Emissionsminderung gasförmiger Schadstoffe

Zu den Verfahren, deren Ziel die Emissionsminderung ist, gehören auch die Katalysatortechnik beim Auto sowie Verfahren der Rauchgasentschwefelung und -entstickung.

Leider spielen bislang viele Verfahren der Abfallentsorgung und der Emissionsminderung - verglichen mit den Präventivmaßnahmen - eine viel zu große Rolle, da sie am bequemsten und billigsten sind.

Jedoch muss man sich darüber klar sein, dass es eine absolute Entfernung von Schadstoffen nicht gibt. So halten Filteranlagen nicht alle Schwermetallreste ab. Quecksilber und Cadmiumoxid passieren in erheblichen Mengen die Staubfilter. Die katalytische Nachverbrennung vernichtet nicht alle Stickoxide, da es sich um Gleichgewichtsprozesse handelt. Die Abnahme der Konzentration eines Schadstoffes in Abhängigkeit von der Anzahl der Reinigungsschritte wird am besten durch eine Abkling- oder Exponentialfunktion beschrieben (-> Abb. 6). Dabei kann die Ordinate ein Maß für die emittierte Menge, die Konzentration oder den umweltschädigenden Einfluss eines Stoffes oder im Fall der Abwärme die Temperatur sein. Auf der Abszisse wird die Zahl der Reinigungsschritte oder die Abkühlungszeit aufgetragen.

Als Faustregel gilt, dass das Zehnfache des Halbwertes, d. h. des Zeitbedarfs, Reinigungsaufwands u.s.f. notwendig ist, um den Schadstoff auf 1 Promille zu reduzieren. Bedenkt man, dass viele Stoffe bereits in minimalen Konzentrationen (oft im ppm- oder ppb-Bereich) schädigend wirken, ist der von der Industrie zu leistende Reinigungsaufwand beträchtlich.

Abb. 6: Abklingfunktion zur Verdeutlichung der Umweltproblematik

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Letzte Überarbeitung: 24. November 2013, Dagmar Wiechoczek