Katalyse-Reaktionen haben einen kleinen Q10-Wert
Experimente:
Versuch: H2O2-Zerfall und verschiedene Katalysatoren
Versuch: Eisenverbindungen zersetzen Wasserstoffperoxid
Die RGT-Regel besagt, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei
einer Erhöhung der Temperatur um 10 °C verdoppelt bis verdreifacht. Der
entsprechend definierte Q10-Wert liegt im Allgemeinen zwischen 2 und 3.
Betrachten wir hierzu die H2O2-Spaltung bei 25 °C. Ohne Katalysator ist der Q10-Wert 2,77, mit Katalysatoren wird der Wert deutlich kleiner.
Katalyse der H2O2-Spaltung bei 25 °C | ||||
Katalysator | Eakt (kJ/Mol H2O2) | Q10 | Anteil der aktivierten Moleküle (%) | Relative Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit |
Ohne | 76 | 2,77 | 1,3 · 10¯11 | 1 |
Iodid | 59 | 2,21 | 1 · 10¯8 | 8 · 102 |
Platin | 50 | 1,97 | 3 · 10¯7 | 2 · 104 |
Katalase | 6 | 1,09 | 6 | 3 · 1011 |
Offenbar scheint der Temperatureffekt auf die Reaktionsgeschwindigkeit abzunehmen, wenn wir einen Katalysator einsetzen. Und wir stellen fest: Je wirksamer der Katalysator ist, desto mehr nähert sich der Q10-Wert dem Grenzwert 1 an. Wie ist das zu verstehen? Dies liegt daran, dass die Geschwindigkeit von katalysierten Reaktionen auch bei niederen Temperaturen von vornherein schon so hoch ist, dass eine kleine relative Steigerung große absolute Änderungen der Reaktionsgeschwindigkeiten zur Folge hat. Das zeigt die Tabelle.
Zur Verdeutlichung soll ein Vergleich aus der Wirtschaft herangezogen werden. Vergleicht man modellhaft die Zehnjahres-Autoproduktion zweier Staaten mit höchst unterschiedlicher Produktivität (wie etwa die GSU und die USA), so ist die relative Zunahme (dem Q10 entsprechend) in der GSU wesentlich höher, in der USA dagegen vernachlässigbar klein. Daraus darf man nicht schließen, dass die Wirtschaft der GSU erfolgreicher sei als die der USA. (An diesem Selbstbetrug ist der Ostblock gescheitert.) Aufschluss über die wahren Verhältnisse geben erst die Absolutzahlen in der Tabelle.
Schematischer Vergleich der Autoproduktion zweier Staaten unterschiedlicher Produktivität | ||||
Land | Autoproduktion | Zunahme | ||
1950 | 1960 | Relativ (%) | Absolut | |
A | 50.000 | 125.000 | 150 | 75.000 |
B | 15.000.000 | 16.050.000 | 7 | 1.050.000 |
Aussagekräftig ist deshalb auch bei chemischen Reaktionen nur der Vergleich der absoluten Umsatzzahlen, ausgedrückt als Anteil der reaktionsfähigen, aktivierten Moleküle oder als Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit.
Aufschluss gibt auch die Aktivierungsenergie: Ohne Katalysator ist deren Wert 76
kJ/Mol H2O2, mit Katalysator sinkt sie. Bei der Katalase beträgt sie nur noch 6 kJ/Mol
H2O2. Gleichzeitig nähert sich der Q10 -Wert dem Grenzwert Eins.
Bei Q10 = 1 gibt es keine Temperatureffekte mehr. Dann ist die Aktivierungsenergie
gleich Null, d. h. die Reaktion scheint nur noch "diffusionskontrolliert" zu sein. Das
sehen wir besonders an der Katalase, einem der hochwirksamsten Enzyme überhaupt.
Hier wird jedes H2O2-Molekül, das durch Diffusion mit dem aktiven Zentrum in Kontakt
kommt, augenblicklich zerlegt. Wir sprechen in diesem Fall sogar von einem "Ping-Pong-Mechanismus",
also einem Mechanismus ohne sichtbare Zwischenverbindung.
Das Ganze hat auch noch eine praktische Auswirkung: Da die kleinen Q10-Werte alle Enzyme betreffen, also auch die interzellulären Proteasen, darf man Frischfleisch auch in der Tiefkühltruhe nicht allzu lange lagern. Denn die Katalyse-Reaktionen haben auch bei -30 °C noch ausreichend hohe Geschwindigkeiten zur Selbstzersetzung des Fleisches. Deshalb verändert auch bei tiefen Temperaturen länger gelagertes Fleisch deutlich seinen Geschmack.
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