Kristalle laden sich elektrisch auf - der piezoelektrische Effekt
Experimente:
Versuch: Der piezoelektrische Effekt wird mit einem Oszilloskop untersucht
Versuch: Der piezoelektrische Effekt wird mit einer Glimmlampe untersucht
Hast du dir schon einmal bei der Benutzung eines Feuerzeuges darüber Gedanken
gemacht, wie dieses überhaupt funktioniert? Offenbar wird das ausströmende Gas
von einem Funken entzündet, der aus keiner Batterie und aus keiner Steckdose
stammt. So funktioniert das Feuerzeug:
Ein Schalter öffnet das Ventil zum Flüssiggasbehälter und spannt ein
Federsprungwerk, das beim Zurückschnellen auf einen Keramikkörper (z. B. aus Bleititanat
oder Bleiniobat), an dem zwei metallische Elektroden befestigt sind, schlägt.
Durch den kurzen Schlag wird im Inneren dieser Keramik die Kristallstruktur deformiert. Der Kristall reagiert darauf mit der Erzeugung einer hohen Spannung. Diese hohe Spannung wiederum ist Ursache für den elektrischen Funken zwischen den beiden Elektroden, der das Gas-Luft-Gemisch entzündet. Das Geheimnis, das dahinter steckt, ist der Aufbau der speziellen Keramik. Sie wandelt direkt mechanische in elektrische Energie um.
Diesen piezoelektrischen Effekt (kurz: Piezoeffekt) kann man auch an dir bekannten Kristallen beobachten. Außer dem a-Quarz sind folgende Kristalle piezoelektrisch: Turmalin, Zinkblende, d- und l-Weinsäure, Rohrzucker und das Seignettesalz. (Die Vorsilbe "piezo" kommt vom griechischen piezein, drücken, pressen.)
Wie kommt es, dass Quarzkristalle bei Deformation eine elektrische Spannung erzeugen?
Durch den Druck werden die positiven und negativen Gitterbausteine so verschoben, dass ein elektrischer
Dipol entsteht oder schon vorhandene Dipole sich verstärken. Man kann auch sagen, dass der Kristall
durch die Deformation polarisiert wird.
Schauen wir uns einmal genau an, was im Inneren des Kristalls passiert, wenn man auf den Kristall
Druck ausübt. Als Beispiel wird ein a-Quarz-Kristall betrachtet.
Schematische Deutung des Piezoeffekts |
Quarz besitzt die chemische Zusammensetzung SiO2. Die Silicium- und Sauerstoffatome
sind in sechsseitigen, sesselartigen Strukturzellen angeordnet (-> Bild oben). Aufgrund der
unterschiedlichen Elektronegativität von Si und O liegen Dipole vor. Sämtliche Ladungen sind
jedoch gegenseitig ausgeglichen, so dass die Zelle nach außen hin elektrisch neutral ist. Bei
Druck in Richtung auf die "polaren Achsen" des Kristalls rückt ein Silicium-Atom zwischen
zwei Sauerstoff-Atome und ein Sauerstoff-Atom zwischen zwei Silicium-Atome. So kommt es
zu einer Verschiebung der Ladungsschwerpunkte. Die positiven Silicium-Atome bekommen auf
ihrer Seite den größeren Einfluss, die Seite erscheint jetzt elektrisch positiv. Die negativen
Sauerstoffatome hingegen bekommen durch die Verschiebung auf ihrer Seite den größeren Einfluss,
diese Seite wird elektrisch negativ. Jetzt bildet diese vorher elektrisch neutrale Strukturzelle
einen elektrischen Dipol und damit eine elektrische Spannung. Diese Spannung kann man mit Hilfe
eines Oszilloskops messen (-> Versuch). Den Effekt kannst du auch mit
Hilfe einer Glimmlampe untersuchen (-> Versuch).
Bild 1: Der Piezoeffekt auf einem Oszilloskop sichtbar gemacht
(Foto: Bernd Schwarz) |
Leider kann noch kein Strom fließen, die Atome ihre Elektronen nicht hergeben. Um einen Strom zu
erzeugen, muss ein weiterer Effekt der Physik eingesetzt werden: die Influenz. Wenn man nun ein
Metall in die Nähe der positiven Seite des Kristalls bringt, so werden sich die freien Elektronen
des Metalls zu den positiven Silicium-Atomen bewegen. Zur anderen Seite hin wird ein Metall positiv
erscheinen (Influenz). Auf der negativen Seite des Kristalls sieht es genau entgegengesetzt aus,
so dass ein Metall dort nach außen hin negativ erscheint. Zwischen den Metallen herrscht jetzt eine
Spannung, die durch das elektrische Feld des Kristalls erzeugt wurde. Ein Draht würde jetzt einen
Ausgleichsstrom zwischen diesen beiden Metallen (Elektroden) ermöglichen. Wenn die Spannung hoch genug
ist, braucht man keinen Draht mehr, denn dann gibt es eine Funkenentladung, einen kleinen Blitz. Die
Spannungen, die dazu nötig sind, liegen in der Luft bei ca. 10000 V pro Zentimeter. Die Deformation
des Kristalls hingegen beträgt nur einige Mikrometer!
Der eigentliche Effekt liegt also in der Gestaltänderung des Kristalls beim Verformen. Die Polarisation erfolgt nur so lange, wie sich die Deformation ändert. Bei konstantem Druck beobachten wir deshalb keine Spannung. Lässt die Einwirkung nach, nimmt der Kristall seine ursprüngliche Gestalt an; die Atome nehmen ihre alten Plätze wieder ein, wodurch ein schwaches Messsignal mit umgekehrtem Vorzeichen auftritt. Dies ist im Oszillogramm zu erkennen. Da die Spannung nur bei einer Änderung des Druckes auftritt, ist die Höhe der Spannung abhängig von Zeit, in der die Deformation erfolgt. Deshalb kommt der Funke nur beim Schlag zustande.
Nicht alle Kristalle zeigen den Piezoeffekt
Ein Beispiel ist das Kochsalz. Hier wandern die negativen und positiven Ladungen
beim Drücken in die gleiche Richtung. So heben sich ihre Ladungsverschiebungen
gegenseitig auf, es ist kein Strom messbar. Damit wird aber auch deutlich, dass auch
bei grundsätzlich piezoelektrischen Kristallen bestimmte Achsenrichtungen
eingehalten werden müssen. Diese Achsen müssen polar sein.
Der reziproke Piezoeffekt
Wird parallel zu einer polaren Achse ein elektrisches Feld angelegt, so
müssen sich die Ladungen entsprechend der Richtung des Feldes verschieben, d. h.,
das Kristallgitter wird in Richtung der E-Achsen komprimiert. Damit kann man z. B. einen
Tintenstrahldrucker betreiben: Der Tintenstrahl wird durch die Kompression eines
Piezoelements aus der Düse geschossen.
Mit einem elektrischen Wechselfeld kann man einen Kristall zum Schwingen bringen. Das ist wichtig für den Betrieb von Quarzuhren.
Quarze sind besonders gute piezoelektrische Kristalle
Klare Quarzkristalle dienen wegen dieses piezoelektrischen Effekts in der
Hochfrequenztechnik als Schwingquarze zur Stabilisierung der Sendefrequenzen von
Rundfunkstationen und im drahtlosen Funkverkehr, ferner in der Elektroakustik zur
Erzeugung von Ultraschall oder zur Steuerung von elektrischen Schwingungen in
Quarzuhren und anderen Steuerungsanlagen.
Allerdings zeigen nur klare, chemische reine Einkristalle von a-Quarz die Eigenschaft
der Piezoelektrizität. Da der natürliche Quarz fast immer verunreinigt und dazu noch
verzwillingt vorkommt, muss man Quarzkristalle künstlich herstellen. Hierbei imitiert
man die geologische Entstehung von Quarz nach dem Hydrothermal-Prinzip:
Überhitztes Wasser von 400 °C und 800 bar Druck löst feinverteilten Naturquarz unter
Kieselsäurebildung auf. Die so erhaltene gesättigte Lösung steigt auf Grund der
Konvektion in den oberen Geräteteil, in dem eine etwas geringere Temperatur (380
°C) herrscht. Hier sind feine Quarz-Impfkristalle aufgehängt. Aus der nunmehr
übersättigten Lösung scheidet sich reiner Quarz in Einkristallen ab. Die abgekühlte
Lösung sinkt wieder in den heißeren Bereich ab, nimmt erneut Kieselsäure auf (und so
weiter). Bei einer Wachstumszeit von 1-2 Monaten erhält man so Kristalle von 0,5-1 kg
Gewicht. Die Weltjahresproduktion geht mittlerweile in die Millionen Tonnen.
Man bestimmt anschließend die polaren Achsen der Kristalle und schneidet dann die
piezoelektrischen Plättchen heraus.
Bild 2: Quarzkristalle
(Foto: Daggi) |
Der Seignette-Effekt
Das Seignette-Salz hat einen vielfach stärkeren Piezo-Effekt als Quarz. Er beruht
wahrscheinlich darauf, dass die Auswirkung der Ladungsverschiebung noch durch die Wasserdipole
verstärkt wird. Die Polarisation beruht hier nicht auf einer Verschiebung der Elektronen, sondern
der Protonen in den Wasserstoffbrücken. Denn das Seignettesalz ist ein Salzhydrat. Seine Formel ist
KNa-Tartrat · 2 H2O. Deshalb kann man den Piezo-Effekt gerade mit diesem
Salz auch in der Schule ohne großen Aufwand gut zeigen (-> Versuch).
Leider sind die Kristalle vom Seignettesalz nicht stabil genug für den allgemeinen Einsatz in der Technik.
Deshalb greift man statt auf das leicht spaltbare Ionengitter eines Salzes lieber
auf ein gut schwingungsfähiges Atomgitter wie vom Quarz zurück, auch wenn der
Piezoeffekt nicht so ausgeprägt ist.
Mittlerweile gibt es aber große Bestrebungen für eine Technologie, die trotz der mechanischen
Nachteile des Salzes auf der piezoelektrischen Verwendung von Seignettesalz beruht.
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