Bild 1: Versteinerter Seeigel (Cardiaster; Kreide). Durchmesser 4,5 cm
(Foto: Blume)


Einkristalle gibt es auch in der belebten Natur

Einkristalle gibt es nicht nur in der Technik. Sie sorgen auch in der Natur für höchste Stabilität.

Bild 2: Seeigelstachel (Cidaris spec.) aus einem indonesischen Klangspiel. Länge 9 cm
(Foto: Daggi)


Du kennst vielleicht die indonesischen Klangspiele. Diese bestehen oftmals aus Seeigelstacheln. Die gehören zu Seeigeln der Art Cidaris (lat.: Tiara, Papstkrone), die in der Südsee in Korallenriffen leben. Die Seeigel nennt man auch Keulen-Seeigel, denn ihre Stacheln pieksen gar nicht. Die Stacheln sind jeder ein Einkristall aus Calciumcarbonat (Bild 2). Sie sind so stabil, dass sie kaum brechen, und außerdem haben sie deshalb so einen hellen und lauten Klang. Sie bestehen allerdings zunächst noch nicht aus Calcit, sondern aus der energetisch etwas instabileren CaCO3-Form Aragonit.

Wie haben sich diese Kristalle überhaupt gebildet? Sie können nicht durch einfaches Zusammenfinden von Ionen entstanden sein, wie wir es bei der Bildung von Salzkristallen aus ihrer Lösung gesehen haben. Die hohe Ordnung ist Folge eines präzisen enzymatischen Aufbaus; man spricht von Biomineralisation. Die Ionen werden unter erheblichem Energieverbrauch zu Gittern zusammengefügt. Zunächst enthalten sie auch noch organische Substanzen, die eine Matrix zum Aufbau des Ionengefüges bilden. Damit wird verhindert, dass das Gitter zu massiv und der Seeigelstachel folglich zu schwer wird. Diese Matrix wird später abgebaut. Wir erkennen hier den typischen Aufbau von Verbundwerkstoffen wieder. Das Material ähnelt Kohlefasern-Epoxid-Systemen, wie sie etwa bei Flugzeug- oder Bootsbau genutzt werden.

Bild 3: Versteinerter Seeigel mit Stacheln (Cidaris coronatus, Malm). Durchmesser 5 cm
(Foto: Blume)


Seeigelstacheln kannst du auch versteinert finden. Manche sehen aus wie kleine Keulen und gehören ebenfalls zu prächtigen, allerdings ausgestorbenen fossilen Cidaris-Seeigeln (z. B. Cidaris coronatus, lat. diademartige Papstkrone; Bild 3). Du findest sie im Juragestein auf der Alb oder in der Kreide etwa von Rügen. Sie brechen flächig wie Calcit-Kristalle, aus denen sie auch bestehen. Das kann man auch an Seelilien-Stängeln erkennen.

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Bild 3a: Gebrochener Seelilien-Stängel (Malm; 5 cm)
(Foto: Blume)

Offenbar hat sich der instabile (rhombische) Aragonit im Verlaufe von Millionen Jahren in (trigonalen) Calcit umgewandelt.

Seeigel bestehen wie ein Schädel aus vielen Platten. Das erkennst du auf dem Bild ganz oben. Auch diese Platten sind allesamt Einkristalle, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Dafür gibt es Hinweise:

1 Sie brechen unter Bildung von typischen Calcitflächen.
2 Manchmal kann man sie bei guter Beleuchtung je nach Einfall des Lichts einzeln leuchten sehen.
3 Wenn Seeigel beim Versteinern Hohlräume bilden, wachsen oftmals von diesen Kristallen aus herrliche, spitze Calcit-Rhomboeder in den Hohlraum und bilden eine Druse (Bild 4). Gibt es dann noch eine Abscheidung von Feuerstein, dann bilden sich beim Auflösen der Schale die an der Ostseeküste zu findenden Olearius-Steine (Bild 5).

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Bild 4: Seeigel mit Feuerstein und Calcitkristallen (Echinocorys sulcatus; Oberkreide/Tertiär-Grenze). Durchmesser 4 cm
(Foto: Blume)


Bild 5: Olearius-Stein (Galerites spec., Kreide). Durchmesser 2 cm
(Foto: Blume)


Dies gilt übrigens für die ganze Tierklasse der Stachelhäuter, zu denen auch die Seelilien gehören. Deren einkristalline Stielglieder findest du z. B. im Muschelkalk. Sie heißen im Volksmund "Hexenpfennige".


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Letzte Überarbeitung: 09. Januar 2009, Dagmar Wiechoczek