Pyrrolizidin-Alkaloide machen Kräutertees giftig

In unserem Garten steht eine etwa 1,7 m hohe Pflanze: Jakobsgreiskraut. Sie blüht gelb; ihre Blüten duften intensiv süßlich.

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Bild 1: Jakobsgreiskraut in unserem Garten
(Foto: Blume)


Die Pflanze heißt so, weil sie ab dem Jakobstag (25. Juli) blühen soll. Ihr wissenschaftlicher Name ist Senecio jacobaea (lat: senecio, Greis). In Süddeutschland ist die Pflanzengruppe auch unter dem Namen Kreuzkraut bekannt.

In einschlägigen Bestimmungsbüchern [1] liest man, dass Greiskraut-Arten giftig, ja sogar krebserregend sind. Und das, obwohl sie früher sogar als Heilpflanzen verwendet wurden!

Die dafür verantwortlichen Inhaltsstoffe sind die Pyrrolizidin-Alkaloide (abgekürzt PA). (Pyrrolizidin ist ein Stickstoff-Heterozyklus.) Davon gibt es Hunderte. Ein Beispiel ist Jacobin.


PA sind eigentlich gar nicht besonders giftig. Ihre Toxizität entwickeln sie erst beim Abbau in der Leber. Hier ist ein mögliches Produkt:


Dieses Abbauprodukt kann in den Zellen der Leber mit Molekülen wie der DNA koppeln. Deshalb wirken PA in erster Linie lebertoxisch. (Zu den genauen Mechanismen siehe auch [2] und [3].)

(Ein Vergleich mit der im menschlichen Körper ablaufenden, misslungenen biochemischen Aromatenentsorgung bei polykondensierten aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), die bekanntlich ebenfalls zu krebserregenden Produkten führt, liegt nahe.)


Manche Schmetterlinge vertragen die PA
Wenn man genau hinschaut, erkennt man auf Bild 1 (Klick mich an) Raupen. Die sind sogar schwarz-gelb gefärbt und quasi grell bunt angestrichen. Die weiden genussvoll die Blüten ab. Die Raupen gehören zur genauso auffällig gefärbten Zinnobermotte (Thyria jacobaeae). Man kennt diesen Schmetterling auch unter dem Synonym Blutbär (Hipocrita jacobaeae).

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Bild 2: Raupe des Blutbärs (Zinnobermotte)
(Foto: Blume)


Wie kann dass sein? Werden die nicht vergiftet? Nein, denn Schmetterlinge haben einen anderen Stoffwechsel als wir. So basteln sich viele Schmetterlinge (wie z. B. der Monarchfalter) aus den PA sogar Pheromone, also Sexual-Lockstoffe, mit denen die Männchen ihre Weibchen beeindrucken.

In erster Linie speichern die Raupen und auch die sich daraus entwickelnden Schmetterlinge die Alkaloide als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde. Vögel fressen so eine Raupe (und auch den Schmetterling) wenn überhaupt nur einmal - denn wegen der Alkaloide schmeckt die Beute stark bitter. Deshalb warnen die Raupen und die Schmetterlinge durch ihre auffällige Farbe.


Wieso kann Rucola-Salat mit Greiskraut vergiftet sein?

Bild 3: Dieser frische Rucola enthält keine Giftstoffe.
Wir zeigen das Bild nur, weil viele Leute - wie wir gehört haben - Rucola gar nicht kennen
(Foto: Blume)


Der von machen Leuten geschätzte mediterrane Rucola-Salat hat Blätter, die so ähnlich aussehen wie die von Jakobsgreiskraut. Als weit verbreitetes Unkraut kann letzteres auch in Rucola-Beete gelangen und wird dann zusammen mit der Salatpflanze gepflückt.

Mittlerweile hat man PA auch in vielen volksmedizinischen Kräutertee-Zubereitungen gefunden. Das ist kein Wunder, denn die PA kommen in unglaublich vielen Pflanzen vor. In erster Linie sind alle Senecio-Arten betroffen. Dazu kommen aber auch viele andere Korbblütengewächse (Asteraceae). Auch der als Heilpflanze geschätzte Huflattich enthält PA. Man hat deshalb zu Naturheilzwecken sogar PA-arme Huflattichsorten gezüchtet.

PA sind übrigens auch im als gesund geltenden und sogar als Heilpflanze verwendeten Beinwell (ein typisches Borretsch-Gewächs) enthalten. Den schmückt man sogar mit dem wissenschaftlichen Namen Symphytum officinale (das ist übersetzt Arznei-Beinwell). Naturköstler schätzen Beinwell sogar als Salatpflanze.

Es gibt aber noch viele andere Pflanzen mit dieser Alkaloidgruppe, wie z. B. den bei Bienen beliebten Alpendost. Aus diesem Grund kann man PA sogar auch im Honig finden! Der soll deswegen aber bitter schmecken.

Wir sehen wieder einmal: Natürliches ist nicht so gesund, wie es immer angenommen wird!


Literatur:
[1] Spohn u. a.: Was blüht denn da? Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2008.
[2] E. Teuscher, U. Lindequist: Biogene Gifte; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 3. Auflage, Stuttgart 2010.
[3] J. B. Harborne: Ökologische Biochemie; Spektrum Verlag, Heidelberg 1995.


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Letzte Überarbeitung: 30. September 2013, Dagmar Wiechoczek