Atropin - Der Naturstoff, der so "toll" macht

Atropin ist ein Alkaloid, das aus der Tollkirsche gewonnen wird. Der botanische Name der Tollkirsche, Atropa belladonna, hat diesem Alkaloid seinen Namen gegeben. Wichtig: Nicht nur die prächtigen schwarzen Früchte dieses Nachtschattengewächses sind giftig, sondern alle Pflanzenteile - also auch die Blätter und die Blüten! (Atropa ist übrigens der Name der griechischen Göttin des Schicksals.) Der Samen der Tollkirsche wird durch Vögel wie die Amseln verbreitet. Denn für die ist die Tollkirsche erstaunlicherweise ungiftig.

Bild 1 (Foto: Blume)


Eine schöne Geschichte besagt, dass der Name Atropa belladonna (ital.: bella donna = schöne Frau), der im 16. Jahrhundert in Venedig aufkam, von einer bestimmten Wirkung des Atropins auf die Augen abstammt. Tropft man nämlich einen Tollkirschen-Extrakt in die Augen, so bewirkt dies eine über mehrere Tage anhaltende Pupillenerweiterung. Geweitete Pupillen galten bei Damen des Mittelalters als Schick. Diese Damen besaßen dann einen "feurigen Blick". Atropin lähmt nämlich den Vagus-Nerv (auch Parasympathicus genannt). Der dann überschießend wirkende Sympathicus sorgt für Pupillenerweiterung.

Atropin ähnelt sterisch der Vagus-Transmittersubstanz Acetylcholin, allerdings ohne dessen physiologische Wirkung zu besitzen.

Auf dieser Eigenschaft beruht auch die Gabe von Atropin bei Vergiftungen durch Organophosphorsäureester wie den Kampfstoff Sarin oder das früher viel gebrauchte Pflanzenschutzmittel E605.

Bild 2: Tollkirsche (Atropa belladonna)
(Foto: Blume)


Der deutsche Name Tollkirsche erinnert an Tobsuchts-Anfälle als Vergiftungssyndrom. Der Konsument wird "toll" ("toll" stand früher für geisteskrank).

Aber auch aus anderen Nachtschattengewächsen, wie zum Beispiel Stechapfel, Bilsenkraut oder Alraune, kann man Atropin gewinnen.

Atropin


Atropin entsteht erst bei der Aufarbeitung der Pflanzen
In den Pflanzen ist kaum Atropin enthalten. Vielmehr findet man zunächst ein Alkaloid namens Hyoscyamin.

S-Hyoscyamin

Dieses Alkaloid enthält ein Chiralitätszentrum. So gibt es eine (S)- und eine (R)-Form. Die Pflanzen produzieren nur (S)-Hyoscyamin. Dieses wandelt sich durch Umwelteinflüsse bzw. während der Isolierung teilweise in (R)-Hyoscyamin um. Das Atropin ist ein Racemat aus (S)- und (R)-Hyoscyamin. Daher wird Atropin auch als (R,S)-Hyoscyamin bezeichnet.
Der Name Hyoscyamin stammt übrigens, ebenso wie der des Atropins, von einer Pflanze, aus der es isoliert wurde. Das Bilsenkraut heißt im Lateinischen Hyoscyamus niger.


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Letzte Überarbeitung: 28. Juli 2015, Dagmar Wiechoczek