Ein uralter Werkstoff neu entdeckt: Keramik

Keramiken bestehen aus anorganischen Verbindungen, die in feuchtem Zustand geformt, dann getrocknet und anschließend gebrannt werden. Sie sind mehr als nur billige Allerwelts-Werkstoffe, aus dem Blumentöpfe, Porzellanteller oder Reagenzgläser gemacht werden.
Keramiken haben gegenüber den Metallen viele Vorteile. Sie sind stabiler gegen chemische, mechanische und thermische Belastungen. Heute zählen zu ihnen für die Technik unverzichtbare Hochleistungswerkstoffe. Sie sind die Werkstoffe der Zukunft.


Keramiken - Werkstoffe mit tollen Eigenschaften
Keramiken verlieren auch bei sehr hohen Temperaturen nicht ihre Form. Sie dehnen sich bei Temperaturerhöhung kaum aus und leiten die Wärme wesentlich schlechter als Metalle. Keramiken sind beständig gegen Verschleiß und Korrosion durch Säuren. Sie sind auch leichter als viele Metalle. Anders als die Metalle können sie feine Risse selbst reparieren (siehe unten). Deshalb baut man sogar Spiralfedern aus ihnen. Durch Variation der Zusammensetzung und der Herstellungsbedingungen kann man nahezu für alle Zwecke Hochleistungskeramiken herstellen.
Hier sind ein paar Beispiele für Anwendungen von Hochleistungskeramiken:

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Je heißer ein Motor ist, desto mehr Leistung lässt sich aus ihm herausholen. Man kleidet deshalb die besonders belasteten Teile von Motoren mit Keramikwerkstoffen aus. Ziel der Entwicklung ist ein vollständig aus Keramikteilen gebauter Motor. Das betrifft nicht nur Automotoren, sondern auch die besonders hoch belasteten Flugzeugturbinen.

Bild 1: Fahrzeugteile aus Keramik
(Quelle: Cornelsen)

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Über 30000 Keramikkacheln schützen die wiederverwendbare amerikanische Raumfähre (Space Shuttle). Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre treten nämlich Temperaturen von über 1000 °C auf. Ohne diesen Hitzeschild würde die Raumfähre wie eine Sternschnuppe verglühen.

Bild 2: Hitzeschild an einem russischen Space Shuttle
(Foto: Blume)

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Kochflächen aus Glaskeramik wie Ceran® sind mittlerweile Standard in vielen Küchen. So funktionieren sie: Über 500 °C heiße, rotglühende Heizkörper leiten die Wärme durch die Keramikplatte hindurch direkt zum Kochtopf. Die Kochfläche außerhalb der Kochzone erwärmt sich kaum. Wenn ein Kochtopf mit ebenem Boden auf der seiner Größe entsprechenden Kochzone steht, wird beim Kochen viel Energie eingespart. Die Oberfläche der Keramik ist sehr unempfindlich und ähnlich wie bei Glas mit einem Schaber leicht zu reinigen.

Bild 3: Heiße Ceranplatte
(Foto: Blume)

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In modernen Haushalten findet man immer häufiger Einhandarmaturen. Beim Kippen des Einstellhebels gleiten zwei genau plangeschliffene Keramikdichtungen aufeinander. Dabei wird der Weg für warmes und kaltes Wasser gleichzeitig frei. Durch Drehen des Hebels ändert man die Größe der Öffnungen für die Zuflüsse von Warm- und Kaltwasser. So wird die Temperatur des Wassers eingeregelt. Die Keramikdichtungen bestehen aus hochreinem Aluminiumoxid. Sie sind fast so hart wie Diamant und deshalb praktisch verschleißfrei. Außerdem werden sie von Leitungswasser nicht angegriffen, korrodieren also nicht. Sie sind auch bei hartem Wasser verwendbar, da sich zwischen den Platten keine Kalkablagerungen bilden können. Von Nachteil ist aber, dass feiner Sand, wie er zum Beispiel manchmal nach Leitungsreparaturen auftritt, die Funktion stören kann. Deshalb ist der Einbau eines Wasserfilters zu empfehlen.

Bild 4: Einhandmischer
(Foto: Blume)

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Es gibt auch supraleitende Keramiken. Supraleitend ist ein Stoff, der elektrischen Strom leitet, ohne ihm einen Widerstand entgegenzusetzen. Dadurch kommt es zu keiner Erwärmung des Leiters. Der Energietransport erfolgt ohne Verluste. Metalle können den supraleitenden Zustand erreichen, wenn man sie mit flüssigem Helium kühlt (Siedetemperatur von Helium: -268,9 °C). Das ist sehr aufwendig und teuer und ist deshalb alltagstechnisch kaum nutzbar.
Inzwischen hat man jedoch keramische Werkstoffe gefunden, die "schon" bei einer Kühlung durch flüssigen Stickstoff (Siedetemperatur: -195,8 °C) supraleitend werden. Man hofft, eines Tages Stoffe zu finden, die auch bei höheren Temperaturen Supraleiter sind. Sie sollen vor allem im Computerbau verwendet werden. Durch die Vermeidung der Aufheizung der Prozessoren lassen sich viel mehr Schaltfunktionen als bisher auf einem Chip unterbringen.


Wie manche Keramiken sich selbst heilen
Wenn du Keramiken unter dem Mikroskop betrachtest, siehst du, dass sie nicht einheitlich aufgebaut sind. Sie werden nämlich nicht durch Schmelzen hergestellt, sondern durch Zusammenbacken von kleinen Kristallen. Man spricht vom "Sintern". Wenn sich bei hoher Belastung ein Riss bildet, so wandert der in das Werkstück ein. Metalle können hierbei brechen. Entsprechend zusammengesetzte Keramiken verhalten sich anders: Der Riss wird regelrecht verschluckt. Das kommt daher, dass die Energie der Rissbildung einige Kristalle veranlasst, ihre Form (Modifikation) zu ändern. Das bedeutet eine Volumenzunahme. Damit wird der Riss einfach verstopft. Bei Entlastung bildet sich die ursprüngliche Modifikation zurück. Die Keramikfeder kann weiter schwingen.

Hier sind weitere Hintergründe zu Hochleistungskeramiken zu finden.


(Quelle: Erweitert nach Cornelsen.)


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Letzte Überarbeitung: 17. Mai 2006, Dagmar Wiechoczek