Kein Scheibenenteiser ohne Alkohol

Es wird Winter, und es werden wieder Scheibenenteiser angeboten. Was ist das und wie wirken die?

Es handelt sich um Mischungen von verschiedenen Alkoholen wie Ethanol, Propan-1-ol, Propan-2-ol (i-Propanol) und vor allem Ethan-1,2-diol (Glykol, Ethylenglykol). Sie bewirken letztlich, dass das Eis bei Temperaturen um 0 °C schmilzt. Dazu kommen noch Treibmittel, wenn die Substanzen als Spray angeboten werden.

Letztlich wirken diese Enteiser auf Eis wie Salz oder konzentrierte Salzlösungen (-> Webseite). Die nimmt man aber wegen der Korrosionswirkung nicht so gern.

Um die Wirkung zu verstehen, müssen wir Mischungen von Alkoholen und Wasser untersuchen. Das können wir nur begrenzt mit dem Effekt von Kältemischungen, auf denen die Enteisung von Straßen durch Salzstreuen beruht, vergleichen. Hinter den Scheibenenteisern steckt ein komplexeres physikochemisches System als beim Salzstreuen. Der wichtigste Unterschied ist, dass die Mischung von Salz und Wasser endotherm ist. Anders die Mischung von Alkohol und flüssigem Wasser: die ist exotherm (-> Versuch).

Mischt man jedoch Ethanol mit Wassereis, so wird es mächtig kalt. Mit 105 g Ethanol und 100 g Eis erzielt man z. B. Temperaturen von -30 °C!


Zur Wirkung der Scheibenenteiser
Eis ist aufgrund des Luftdrucks, der auf ihm lastet, immer mit einer feinen Schicht von flüssigem Wasser überzogen. Gibt man Alkohol drauf, verdünnt er sich in exothermer Reaktion. Das unterstützt den Schmelzvorgang des Eises. Hinzu kommt, dass Glykol hygroskopisch ist und in exothermer Reaktion Hydrate bildet. Es zieht flüssiges Wasser an sich und bindet es. Das muss immer wieder nachgebildet werden, wodurch das Eis rasch schmilzt.
Dabei ist eine beträchtliche Schmelzwärme aufzuwenden. Das System kühlt ab, bleibt aber flüssig. Denn eine Kristallisation des Eises hat eine Trennung von Glykol und Hydratwasser zur Voraussetzung. Das ist nur bei extrem tiefen Temperaturen möglich, da nur dann aufgrund der Temperaturdifferenz genügend Energie zur Verfügung steht (Stichwort: Gefrierpunktserniedrigung).

Die Schmelzwärme wird vor allem der Glasscheibe entzogen. Außerdem verdunstet der Alkohol, was die Scheibe zusätzlich abkühlt. Denkt man auch daran, dass manche Zubereitungen für Spraydosen zusätzlich noch Propan/Butan-Gemische oder CO2 als Treibgas enthalten, so wird deutlich, dass schon allein das Aufsprayen zur starken Abkühlung führt.

Warum nimmt man dann überhaupt Ethanol, wenn der rasch verdunstet und zur Eiszersetzung nicht beiträgt? Es handelt sich wohl eher um Verflüssigung des ansonsten ziemlich zähflüssigen Alkoholgemischs.

Deshalb passiert es häufig, dass zwar das Eis auf dem Scheibenäußeren zerfließt, das Scheibeninnere jedoch blitzschnell einfriert. Denn hier schlägt sich rasch der Wasserdampf aus dem Wageninneren (vor allem die Atemluft!) nieder.

Fazit: Ich benutze keine Scheibenenteiser, sondern stehe auf mechanischer Eisentfernung: Bei mir ist Eiskratzen angesagt...

Noch ein Hinweis: Scheibenenteisungssubstanzen werden auch in die Scheibenwaschanlagen eingefüllt. Sie wirken nicht nur fettlösend und damit säubernd, sondern garantieren dazu, dass die Scheibe bei allerdings nicht allzu tiefen Temperaturen während des Reinigungsvorgangs nicht einfriert. Da aber Wasser beigemischt ist, sollte man damit nicht versuchen, Eis von der Scheibe zu entfernen. Die Eisschicht wird nur noch dicker!


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Letzte Überarbeitung: 30. November 2006, Dagmar Wiechoczek