Prof. Blumes Tipp des Monats März 2007 (Tipp-Nr. 117)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Das Quecksilberherz

Es sind harte Zeiten für den praktischen Chemieunterricht angebrochen. Vieles Alltägliche wird verboten. Für jede Chemikalie muss wie in der Industrie ein Gefahrenblatt angelegt werden. Kein Wunder, dass kein Lehrer mehr gern experimentieren will, deshalb prophylaktisch alle Chemikalien entsorgt und den Schülern nur noch beibringt, das Lernen zu lernen.

Aber entsorgen Sie nicht alles! Bewahren Sie sich zum Beispiel etwas Quecksilber auf. Damit kann man einen schönen Versuch machen. Hierzu ist allerdings eine ruhige Hand Voraussetzung!


Versuch 1: Das chemische Herz
Auf ein Uhrglas (Durchmesser 12 cm) gibt man einen großen Tropfen Quecksilber (Durchmesser etwa 2 cm). Dann stellt man eine Lösung von Kaliumpermanganat (w = 1 %) in Schwefelsäure (c = 2 mol/l) her. Von dieser Lösung gibt man soviel auf das Uhrglas, bis der Tropfen gerade bedeckt ist.

Berührt man nun den Tropfen in der Lösung mit einem sauberen, entfetteten Eisennagel (keinen Stahlnagel!), so zieht sich der Tropfen zusammen. Dabei verliert letzterer den Kontakt zum Nagel und dehnt sich deshalb wieder aus. Dadurch berührt er wieder den Nagel (usw.).

Ab und zu muss Kaliumpermanganatlösung nachgegeben werden, denn das Kaliumpermanganat wird offensichtlich verbraucht. Außerdem ist der Nagel zwischendurch mit Filterpapier zu putzen, denn er wird schwarz.

Hinweis
Der häufigste Fehler ist, dass man den Nagel zu tief in den Quecksilbertropfen hineinsticht.


Prof. Blume lässt das Quecksilberherz schlagen
(Foto: Daggi)
Hierzu gibt es einen Film (5,2 MB)
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Die Folge der Bewegung des Quecksilbertropfens ist ein rhythmisches Bewegen des Tropfens. Da sich dabei dreieckige Strukturen ausbilden, erinnert dies an das Schlagen eines Herzens. Im Allgemeinen bekommen die meisten Experimentatoren leider nur ein Kammerflimmern hin...


Quecksilber und Eisen sind unterschiedlich edle Metalle
Wenn sie sich berühren, zieht das edlere Quecksilber Elektronen zu sich herüber, es lädt sich als positiver Pol zunehmend negativ auf. Wir könnten somit aus dem Versuchsaufbau eine Batterie bauen.
Ermitteln wir die Spannung zwischen den beiden Metallen.


Versuch 2: Spannungsmessung beim Quecksilberherz
Zunächst wird das Uhrglas wie in Versuch 1 beschrieben vorbereitet. Wir befestigen ein Kabel über eine saubere Stahl-Krokodilklemme am Eisennagel. Ein zweites Kabel - ebenfalls mit Stahl-Krokodilklemme - tauchen wir in das Quecksilber. Dann messen wir mit einem Messgerät die Spannung. Sie betrug bei uns 0,84 Volt.
Beim Kurzschließen der beiden Metalle bricht die Spannung zusammen.

Quecksilber ist Kathode, Eisen die Anode.

Das Eisen bildet wegen der Abgabe von Elektronen zum Ladungsausgleich Eisen(II)-Ionen.

Fe ———> Fe2++ 2 e-

Die Bildung von Eisen(II)-Ionen wird gefördert, indem sich das Eisen rasch mit schwarzem Eisenoxid überzieht. Sauerstoffspender ist das Kaliumpermanganat.

Dass auch das Quecksilber chemisch aktiv ist, erkennt man daran, dass sich auf der Oberfläche kurzfristig helle Überzüge bilden, die über das Metall ziehen, aber rasch wieder verschwinden. Es handelt sich hierbei um Wasserstoffbläschen. Alles spricht somit für eine katalysierte Korrosion des Eisens. (Dass ab und zu auch am Eisennagel Wasserstoffbläschen beobachtet werden, liegt an der einfachen Säurewirkung der recht konzentrierten Schwefelsäure, die bekanntlich auch unkatalysiert Eisen zu zersetzen vermag.)

Doch sind die Protonen der Schwefelsäure wirklich das Oxidationsmittel, das den Eisennagel zur Anode macht?

Die folgende Beobachtung bringt uns auf die richtige Fährte zur Beantwortung der Frage: Um das Quecksilber herum entfärbt sich das Kaliumpermanganat. Es nimmt nämlich anstelle der Wasserstoff-Ionen die Elektronen vom Quecksilber auf und bildet farblose Mangan(II)-Ionen.

MnO4- +  8 H+ + 5 e- ———> Mn2+ + 4 H2O

Dabei sind die Protonen aber äußerst hilfreich.

Die Gesamtreaktionsgleichung ist:


Wie ist das nun mit dem bewegten Quecksilbertropfen?
Die vom Eisen her einfließenden Elektronen besetzen vor allem die Oberfläche des Quecksilbers. Dadurch verstärkt sich die Oberflächenspannung des flüssigen Metalls. (Man spricht von elektrischer Oberflächenpolarisation.)
Der Tropfen zieht sich somit zusammen und verliert dadurch den Kontakt zum elektronenspendenden Eisen.
Nun wird das Permanganat aktiv: Es befreit das Quecksilber von den überschüssigen Elektronen. Deshalb dehnt sich der Tropfen wieder aus und bekommt wieder Kontakt zum Eisennagel. Er wird erneut geladen - die Oszillation setzt ein.


Mit diesem Tipp verabschiede ich mich in den Ruhestand! Aber keine Angst: Der Server bleibt weiter bestehen. Denn mein Herz schlägt weiter für die Chemie. Ich hoffe, dass es das noch lange tun wird...


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 08. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek