Prof. Blumes Tipp des Monats April 2002 (Tipp-Nr. 58)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bleiiodid ist gelb
Welche Farbe hat aber eine gesättigte Bleiiodidlösung?

Bild 1: Blühende Krokusse in der Sonne
(Foto: Daggi)


Draußen wird es Frühling, Blumen blühen in allen Farben. Besonders Krokusse zeigen ein prächtiges sattes Gelb. Da fällt einem Chemiker nichts Besseres als Bleiiodid ein. Darüber wollen wir heute sprechen, auch wenn Bleisalze giftig sind. Man kann aus der Beschäftigung mit ihnen eine Menge Chemie lernen.

Zunächst müssen wir für die Versuche etwas Bleiiodid herstellen. Dazu gibt man Lösungen von einem Bleisalz und Kaliumiodid zusammen. Es fällt aus den zuvor farblosen Lösungen ein sattgelber Niederschlag aus: Bleiiodid.

Pb2+ + 2 I- ———> PbI2 + Energie

Die Reaktion ist exotherm. Der Effekt ist allerdings so gering, dass wir im Schullabor keine Temperaturerhöhung messen können.

Bild 2: Bleiiodid (Foto: Daggi)


Versuch 1: Herstellen von Bleiiodid
Achtung, lösliche Bleisalze sind fruchtschädigend!
Man mischt gleichmolare Lösungen von Bleiacetat (T) oder Bleinitrat (T) und Kaliumiodid im Volumenverhältnis 1:2. Man filtriert den gelben Niederschlag ab, wäscht ihn einige Male gut mit destilliertem Wasser und trocknet ihn. Bleiiodid ist in trocknem Zustand stabil und kann in einer dunklen Flasche jahrelang aufbewahrt werden.

Mit der zur Herstellung von Bleiiodid abfiltrierten Lösung, der Mutterlauge, kann man ein Phänomen beobachten: Gibt man überschüssige Kaliumiodidlösung zum farblosen Filtrat, fällt noch mehr Bleiiodid aus!

Versuch 2: Nachfällung von Bleiiodid
Man gibt zu der abfiltrierten Mutterlauge, die bei der Bleiiodidherstellung angefallen ist, einige Tropfen Kaliumiodidlösung.

Es fallen noch einmal erstaunlich große Mengen an Bleiiodid aus. Und das geschieht, obwohl man kein weiteres Bleisalz zugegeben hat. Man kann also durch Zugabe von überschüssigem Kaliumiodid die Ausbeute an Bleiiodid erhöhen. Das nennt man Nachfällung.
Das Phänomen kann nur damit erklärt werden, dass bei unserem Versuch zur Herstellung von Bleiiodid nicht alle Blei-Ionen und Iodid-Ionen miteinander unter Bildung von Bleiiodidkristallen reagiert haben, sondern in Lösung geblieben sind. Es hat sich ein chemisches Gleichgewicht zwischen festem Bleiiodid und seinen Ionen (Pb2+ und I-) ausgebildet.

Dieses Gleichgewicht liegt immer dann vor, wenn man Kristalle schwerlöslicher Verbindungen in Wasser gibt. Dann gibt es nämlich gesättigte Lösungen, aus denen heraus Ionen ständig Kristalle aufbauen und gleichzeitig wieder in Lösung gehen. Es ist ein dynamisches Gleichgewicht.

So ein Gleichgewicht kann man offenbar verschieben. Das ist eine Anwendung von Le Chateliers Prinzip des kleinsten Zwangs: Übt man auf ein Reaktionssystem einen Zwang aus, so weicht es so aus, dass die Auswirkungen des Zwangs minimiert werden.

Zunächst untersuchen wir Verschiebung des Löslichkeitsgleichgewichts durch Erwärmen. Das sollte möglich sein, da die Bildungsreaktion von Bleiiodid aus seinen Ionen exotherm ist.

Versuch 3: Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von Bleiiodid
Man stellt eine gesättigte Lösung von Bleiiodid her, indem man eine ausreichende Menge des Salzes in destilliertes Wasser gibt und 10 min lang aufkocht. Danach muss noch ein Bodensatz vorhanden sein. Man filtriert die heiße Lösung ab und lässt langsam abkühlen. Es bilden sich dabei größere Mengen an festem Bleiiodid zurück. Wenn man Glück hat, bekommt man goldglänzende Flitter, die in der Lösung herumschwimmen. (Sie gehören übrigens zum hexagonalen Kristallsystem). Das sieht dann aus wie Danziger Goldwasser.

Bild 3: Bleiiodidkristalle in einer gesättigten Lösung
(Foto: Daggi)


Das Gleichgewicht verschiebt sich also beim Erwärmen nach links:

Pb2+ + 2 I- <——— PbI2 + Energie

Merkwürdigerweise ist die gesättigte Gleichgewichtslösung farblos. Das ist aber nicht verwunderlich: In der Lösung befinden sich ja nur Blei- und Iodid-Ionen, und die sind farblos. Bleiiodid ist nur als Festkörper sattgelb. Der Grund ist, dass die Blei-Ionen die Elektronenschale der großen, voluminösen Iodid-Ionen so beeinflussen, dass sie schon durch sichtbares Licht angeregt werden können. Sie absorbieren aus dem Weiß also blaues Licht und strahlen gelbes zurück.

Nun aber zu der Nachfällung: Man kann Löslichkeitsgleichgewichte auch durch Variation der Konzentrationen der Reaktionspartner verschieben.

Versuch 4: Verschiebung des Gleichgewichts durch Konzentrationsänderung
Zur kalten, gesättigten Bleiiodidlösung ohne Bodensatz gibt man einige Tropfen einer Lösung von Kaliumiodid.
In einem neuen Ansatz wiederholt man das mit einigen Tropfen einer Lösung von Bleiacetat.

In diesem Fall verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts.

Pb2+ + 2 I- ———> PbI2 + Energie

Wie wir sehen, geht das mit beiden Reaktionspartnern. Man spricht hier von gleich-ionigen Zusätzen.
(Anmerken wollen wir aber, dass sich die Niederschläge von Bleiiodid in Farbe und Konsistenz unterscheiden, je nachdem, welches Salz man im Überschuss dazu gibt.
Das liegt daran, dass die Kationen oder Anionen die Kristallisation von Bleiiodid beeinflussen. Hier spielen vor allem Oberflächeneffekte und Komplexbildungsreaktionen des Blei(II)-Ions eine Rolle.)

Der Effekt der Gleichgewichtsverschiebung durch gleich-ionige Zusätze lässt sich quantitativ untersuchen. Das Gleichgewicht wird nämlich mit Hilfe einer speziellen Konstante beschrieben, dem Löslichkeitsprodukt. Darunter versteht man das Produkt aus den Konzentrationen der beteiligten Ionen, hier Pb2+ und I-. Man spricht auch vom Ionenprodukt.

L = [Pb2+] · [I-] · [I-] = 1,4 · 10-8

Es leitet sich von der normalen Gleichgewichtskonstante her, indem man die Konzentration (besser: Aktivität) des ungelösten Rückstands gleich 1 setzt. Dahinter steckt die Überlegung, dass es gleich ist, ob man 5 g Festkörper oder 50 g im Glas hat.

Diese Gleichgewichtskonstante hängt nur von der Temperatur ab. Das haben wir ja im Versuch 3 gesehen. Gibt man nun zu der gesättigten Lösung eine bestimmte Menge an Iodid, so muss sich die Menge an Blei-Ionen entsprechend verringern. Nur so behält das Löslichkeitsprodukt seinen konstanten Wert. Hier ist es komplizierter, weil auf ein Blei-Ion zwei Iodid-Ionen kommen. Die Konzentrationen werden nicht addiert, sondern multipliziert. Verdoppelt man also die Iodid-Konzentration, so sinkt die vom Blei auf ein Viertel der Gleichgewichtskonzentration.

L = [Pb2+]/4 · 2 [I-] · 2 [I-] = 1,4 · 10-8

Der Wert der Gleichgewichtskonstanten bleibt erhalten. Das kann aber nur über Ausfällen von Bleiiodid erfolgen. Dies ist für die Reinigung von mit Schwermetallen belasteten Abwässern wichtig.

Übrigens gibt es noch einen weiteren Weg, Bleiiodid herzustellen. Das gelingt über eine Festkörperreaktion. Die hat aber den Nachteil, dass man mit festen Bleisalzen arbeiten muss, dessen Staub giftig ist.

Versuch 5: Herstellen von Bleiiodid im Mörser
Man zerreibt in einem sauberen Mörser gleiche Volumen von Bleinitrat (T) und von Kaliumiodid. Nach kurzer Zeit wird die Mischung gelb.

Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 12. August 2008, Dagmar Wiechoczek