Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2003 (Tipp-Nr. 72)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Zeit für die Lichtmühle

Bild 1 (Foto: Blume)


In Kunstgewerbeläden oder auf Messen (auch auf Kongressen zur Didaktik der Naturwissenschaften) kann man sie finden, die Lichtmühlen.
Ein merkwürdiges Wort: "Lichtmühle". Man kennt Kornmühlen, die mahlen Korn. Kaffeemühlen mahlen Kaffee. Und Wassermühlen? Die mahlen kein Wasser, sondern werden durch Wasser angetrieben. Das gilt auch für die Lichtmühlen. Die laufen nur, wenn sie im hellen Licht stehen, das sie antreibt. Die Drehung der Mühle hängt von der Lichtintensität ab. Deshalb nannte sie sein Erfinder Crooks vor hundert Jahren "Radiometer" (Strahlungsmesser).


Werden die Lichtmühlen direkt durch Licht angetrieben?
Wir erinnern uns an populäres Wissen: "Licht besteht seit Max Planck aus Quanten" (oder so ähnlich). Lichtquanten haben zwar keine Ruhemasse, wohl aber einen Impuls. Die Impulsübertragung wirkt sich offensichtlich als Strahlungsdruck auf die Lichtmühlenflügel aus, und die Lichtmühle dreht sich.
Obwohl früher oft gehört und dennoch falsch, ist diese Deutung auch heute noch verbreitet. Wäre sie richtig, müssten die Mühlenflügel im Licht stehen bleiben, weil die linke Seite immer genauso bestrahlt wird wie die rechte und beide somit gleich viele Impulse abbekommen.

Hier hilft die genaue Betrachtung der Mühle weiter: Die Mühlenflügel aus Metallblech haben eine schwarze Vorderseite und eine weiße oder silberne Rückseite. Und wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass die Mühle stets in einer Richtung dreht, und zwar so, als wenn sie andauernd auf der schwarzen Flügelseite angeschubst würde.


Hier ist die Erklärung der Funktion der Lichtmühle
Die schwarze Seite absorbiert Strahlung von der Lichtquelle und heizt sich dadurch auf. Auf der silbernen Seite wird keine Strahlung absorbiert. Das Licht wird hier reflektiert, die Seite bleibt also kalt. Stimmte das mit dem Impuls der Lichtquanten, müsste die Lichtmühle umgekehrt drehen: Die reflektierten Quanten sollten einen Impuls auf die silberne Seite ausüben.

Die praktisch beobachtete, entgegengesetzte Drehrichtung kann man so erklären: Wärme ist nicht nur Wärmestrahlung, sondern auch kinetische Energie von kleinsten Teilchen, also der Metallatome oder Gasmoleküle. Auf der schwarzen, heißen Oberfläche sind die Atome deshalb in heftigerer Bewegung als auf der silbernen.
Im geschlossenen Glaskörper sind Luftmoleküle enthalten, die sich zwar schon von vornherein rasch bewegen. Wenn sie jedoch auf die heiße schwarze Oberfläche treffen, bekommen sie von den "heißen" Oberflächenatomen zusätzlich regelrechte Kicks und fliegen entsprechend beschleunigt davon. Das wirkt sich aus, als wenn sie sich von der Oberfläche abstoßen. Resultat: Sie üben einen Impuls auf den Mühlenflügel aus. Zwar bewirkt ein einzelnes Gasmolekül nicht viel - aber die Luft enthält 1019 Teilchen in einem Kubikzentimeter. Die sind insgesamt schon wirksamer.

Die Luft im Glaskörper hat man übrigens bei der Herstellung des Geräts zum Teil evakuiert, so dass ein Unterdruck in der hermetisch abgeschlossenen Lichtmühle herrscht. Diese Luftverdünnung ist nötig, weil sich andernfalls zu viele Luftmoleküle im Glasraum befinden. Die können zufällig auch auf die spiegelnde Seite stoßen und so das Lichtmühlenrad in seiner Drehbewegung blockieren.

Die Mühlenflügel werden heute im Allgemeinen nicht mehr aus Metallblech gefertigt. Man verwendet stattdessen Glimmer [1]. Hierfür gibt es zwei Gründe: Das geringe Gewicht und die vergleichsweise sehr geringe Wärmeleitfähigkeit. Durch letztere wird die Erwärmung des Flügels auf nur eine Seite beschränkt.


Wie kommt es, dass die Lichtmühle manchmal schon bei ganz wenig Sonnenlicht dreht, in stärkerem dagegen nicht?
Die Drehgeschwindigkeit ist nicht nur eine Frage der Lichtintensität sondern auch der Temperatur der Lichtmühle. Ist die Mühle zu kalt, sind auch ihre Gasmoleküle zu "langsam" und das helle Licht reicht nicht aus, ihnen zum entscheidenden Kick zu verhelfen. Ist die Lichtmühlumgebung dagegen warm, so reicht schon geringe Zusatzenergie aus, um die Gasmoleküle zum effektiven Impulsaustausch anzuregen. An manchen Tagen läuft deshalb die Lichtmühle auf meiner Fensterbank, obwohl sie gar nicht vom direkten Licht getroffen wird.

Aber zu warm darf die Mühle auch nicht werden. Bei der momentanen Hitzewelle läuft die Mühle auch im direkten Sonnelicht nur langsam und träge. Denn nun bewegen sich alle Gasmoleküle überall im Glas zu schnell und ungerichtet. Wenn es noch heißer werden sollte, kann es passieren, dass die Mühle schließlich ganz stehen bleibt.

Es gibt noch ein Lichtmühleneffekt, der überrascht: Wenn man die Lichtmühle mit Reinigungsbenzin, Ether oder Kältespray übergießt, kann man sie (wenn auch nur kurzfristig) zur Laufumkehr bringen. Der Grund ist, dass aufgrund der abgezogenen Verdunstungswärme das Glasinnere so stark abkühlt, dass die Gasmoleküle von der an der silbernen Schicht reflektierten Strahlung profitieren und schneller werden. Sie stoßen dann bevorzugt auf die silberne Seite der Mühlenflügelchen. Aber das ist ein Trick, der viel Fingerspitzengefühl erfordert.

Wir sehen: Wäre Gas eine homogene Masse, könnte man die Funktion der Lichtmühle nicht erklären.

Die Lichtmühle ist also nicht nur zum Meditieren da: Sie ist eine Experimentier-Vorrichtung, die Einblicke in die Teilchennatur der Luft erlaubt.

Bild 2 (Foto: Blume)

Ich bin gefragt worden, wo man solch ein Gerät kaufen kann. On Line-Bezugsquellen sind www.tech-play.de und www.glasxpert.de.


Rüdiger Blume


Literatur:
[1] http://www.lichtmuehle-radiometer.de


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Letzte Überarbeitung: 4. Oktober 2016, Fritz Meiners