Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2007 (Tipp-Nr. 120)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Das brennende Taschentuch

Der folgende Versuch gehört zu den Klassikern der Jahrmarktspielchen und ist heute vor allem ein gern gesehenes chemisches Kabinettstück. Darauf zielte auch die Anfrage eines Schülers. Das ist Stoff für einen Tipp des Monats!


Zunächst einmal brauchen wir eine 1:1-Mischung von Ethanol mit Wasser
Da erinnern wir uns an den allseits bekannten Einstiegsversuch, bei dem 50 ml + 50 ml = 96 ml herauskommt. Bitte beachten: Die Mischung wird richtig warm! Entweder wir verbinden die Vorbereitung des Wunderversuchs mit dem Einstiegsversuch, oder wir entsorgen mit dem Wunderversuch die beim Einstiegsversuch anfallenden Alkohol-Wassergemische auf lustige und zugleich spektakuläre Art und Weise.


Nun der Versuch, um den es heute geht:


Versuch 1: Das brennende Taschentuch
Ein Taschentuch wird in eine 1:1-Mischung von Ethanol (F) und Wasser gegeben. Ist es gut durchtränkt, greift man es mit zwei sauberen Zangen an je einer Ecke, zieht es richtig auseinander (es darf nirgends überlappen!) und entzündet es mit einer Streichholzflamme. Vorsicht: Dabei die Streichholzflamme nicht zu lange einwirken lassen, sonst brennt das Taschentuch an. Die Flammen beim Verbrennen des Alkohols sind kaum zu sehen. Dass es überhaupt brennt, merkt man manchmal nur daran, dass es sehr warm wird. Deshalb abdunkeln, damit man die Flamme gut sieht! Nach wenigen Sekunden ist das Feuer wieder erloschen und das Taschentuch sieht aus wie zuvor.

Weitere Hinweise:
- Achten Sie vor allem darauf, dass Sie und Ihre Haare beim Anzünden mit der Streichholzflamme nicht zu nahe ans Papier oder Taschentuch geraten.
- Die Flammen sind erstaunlich unsichtbar, aber sehr groß – deshalb Abstand halten! Lange Haare sind echt in Gefahr!
- Sie können statt Alkohol auch Brennspiritus verwenden.
- Achten Sie darauf, dass das Taschentuch am oberen Ende nicht einknickt – also nicht etwa Überhängendes und Falten bildet. Hier könnte es echt anfangen zu brennen.
- Statt eines Stofftaschentuchs können Sie auch ein Blatt Papier von einer Küchenrolle nehmen. Mit dem geht es auch erstaunlich gut.

Ganz Mutige führen diesen Versuch sogar auch mit einem Geldschein vor. Dieses glatte Papier saugt aber zu wenig Flüssigkeit auf; deshalb verläuft der Versuch damit nicht sonderlich spektakulär.


(Foto: Daggi)
Hierzu gibt es einen Film (1,5 MB)
Klicke hier

Hier ist die Reaktionsgleichung zur Verbrennung des Alkohols:

C2H5OH + 3 O2 ———> 2 CO2 + 3 H2O

Dabei könnten wir es belassen. Aber viele Leute wollen wissen, wieso und warum das Taschentuch oder der Geldschein nicht mit verbrannt sind.


1:1-Gemische aus Alkohol und Wasser lassen sich ohne weiteres Erwärmen entzünden
Das liegt daran, dass bei diesen Konzentrationen bereits ein Teil des Alkohols verdampft.


Versuch 2: Wasser-Alkohol-Gemische brennen
Wir stellen verschiedene Verdünnungen von Alkohol (F) und Wasser her, geben sie in Porzellanschalen und versuchen sie zu entzünden. Wenn wir trotz Abdunkelung des Raumes keine Flamme sehen können, so sollten wir wenigstens etwas Brennbares wie dünnes Papier darüber halten, um zu prüfen, ob eine Flamme vorhanden ist.

Ergebnis: Wir stellen fest, dass ab etwa 45 Vol% an Alkohol die Gemische zu brennen beginnen. Das weiß auch jeder Koch, der zum Flambieren von Speisen Höherprozentiges einsetzen muss.


Mal brennt das Papier, mal nicht. Was ist los?
Papier besteht normalerweise aus Cellulose. Und die brennt also, wenn man sie mit Hilfe einer Alkoholflamme anzündet. Aber warum funktioniert das nicht bei unserem Wunderversuch 1?

Wenn man ein 1:1-Alkohol-Wasser-Gemisch auf das Papier oder auf das Taschentuch gibt, saugt dieses vor allem das Wasser auf. Der Alkohol verdunstet besonders gut aufgrund der großen Oberfläche. Beim Anzünden verbrennt nur der Alkohol und dampft aufgrund der Verbrennungswärme immer rascher ab, was sein Abbrennen noch beschleunigt.

Die Cellulose beginnt nicht zu brennen, weil unter den Bedingungen des Versuchs ihre Entzündungstemperatur nicht erreicht wird. Der wichtigste Grund dafür liegt in der Feuchtigkeit der Cellulose. Denn das Verdampfen des adsorbierten Wassers erfordert erstaunlich viel Energie, so dass das Papier länger feucht bleibt als der Alkohol zum Verbrennen benötigt.

Den genauen Wert der Spontan-Entzündungstemperatur von trockenem Papier entnehmen wir einem Titel eines bekannten Buches von Ray Bradbury (bzw. des Films von François Truffaut): Fahrenheit 451. Diese aus der amerikanischen Romanvorlage stammende, für uns unhandliche Temperaturangabe muss man nach folgender Beziehung noch in uns geläufigere Celsiusgrade umrechnen:

T (Celsius) = (T (Fahrenheit) - 32) × 5 / 9

T (Celsius) = (451 - 32) × 5 / 9 = 233 °C

Das soll die Spontan-Entzündungstemperatur von Papier sein. Denn schließlich geht es bei dem Roman bzw. bei dem Film um Bücherverbrennungen.

Bradbury irrt sich aber mächtig: Er verwechselt nämlich Grad Fahrenheit mit Celsiusgraden. Das übliche Papier (Viskosepapier) entzündet sich spontan bei 451 °Celsius. Das wären dann 843 Fahrenheit.


Was ist der Grund für die hohe Entzündungstemperatur von trockenem Papier?
Zum Anzünden müssen alle Substanzen erst einmal in brennbares Gas überführt werden, das sich mit dem Luftsauerstoff vermischen kann. Das gilt nicht nur für Benzin oder Kerzenwachs, sondern auch für die Cellulose. Die verdampft aber nicht; sie zersetzt sich nur, wobei brennbare Gase entstehen. Zu dieser Pyrolyse ist viel Energie notwendig. Das kann man auch anhand der Holzdestillation zeigen.
Es ist sogar noch weit mehr Energie erforderlich, als das kurze Aufflammen des Alkohols in unserem Versuch bereitstellt. Außerdem muss die Energie länger einwirken als in diesem Versuch. Das merkt man, wenn man trockenes Papier entzünden will - etwa mit einem Streichholz: Man muss die Flamme schon etwas länger an das Papier halten, bevor es überhaupt Feuer fängt.


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 22. April 2013, Dagmar Wiechoczek