Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 1998 (Tipp-Nr. 12)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bild 1: Mauritius (Foto: Daggi)


Magnetischer Sand?

Es ist Urlaubszeit, und Familien aalen sich am Strand der Ostsee. "Schmuddelig ist´s hier, sieht nach Ölresten aus", meint die Mutter und zeigt auf den schwarzen feinen Sandbelag, der sich als schmale Zone an der Grenze zwischen Düne und Wellen gebildet hat. Der Sohn fängt am ausgewählten Liegeplatz brav an, den Sand oberflächlich abzutragen und in einen Kübel zu entsorgen.
"Da solltest du besser einen Magneten nehmen", sagt ein Däne, der ihn dabei beobachtet hat. Er nimmt einen großen Magneten aus seiner Umhängetasche und fährt damit durch den trocknen Sand. Am Magneten bleiben schwarze Späne hängen. Der Sand sieht danach an dieser Stelle viel sauberer aus.
"Das sind keine Ölspuren, aber auch keine Eisenspäne. Es handelt sich vielmehr um ein magnetisches Mineral, um Magneteisenstein" erklärt er. Durch Klopfen und Abstreifen löst er den Sand ab und sammelt ihn sorgsam in einem Gefäß. "Den nehme ich mit in die Schule, dort lernen meine Schüler gerade, wie man Stoffe trennt." Und er fährt fort:
"Am besten sammelst du den Magneteisenstein, indem du ein glattes Blatt Papier knapp über den Sand hältst und den Magneten darüber langsam hin- und herführst. Dann hältst du das Blatt über ein breites Gefäß, nimmst den Magneten weg und das saubere Mineral fällt hinein, ohne dass du es mühsam vom Magneten abstreifen musst. Übrigens: Der Sand muss natürlich wirklich trocken sein!"

Bild 2: 1 Sand von Fuerteventura
2 Sand von der Ostsee
3 Aus Ostseesand abgetrennter Magnetit
(Foto: Blume)

Deshalb ein Freizeit-Tipp für die Ferien am Ostseestrand: Suche nach Magnetitsand und bringe ihn mit in die Schule. Deine Lehrer werden sich sicherlich freuen. Sie können das Pulver z. B. wieder mit etwas Sand mischen und dann zeigen, wie man aus der Mischung den Magneteisenstein wieder abtrennen kann. Dabei wirst du lernen, dass magnetische Verfahren eine wichtige Rolle beim Abtrennen von Eisen- und auch Nichteisenmetallen wie Aluminium aus dem Hausmüll spielen. Dies wird auch bei der Aufarbeitung der Gelben Säcke des Dualen Systems Deutschlands praktiziert.
Dein Physiklehrer kann den magnetischen Sand auch gebrauchen: Er wird ihn gut mörsern und das feine Pulver zum Nachweis von magnetischen Feldlinien verwenden.

Außerdem kannst du den Magnetitsand auch chemisch untersuchen. Seine Formel ist Fe3O4. Das Eisen liegt hier sowohl in der zwei- wie in der dreiwertigen Form vor: Fe2+Fe3+2O4.

Experimente
1. Dass Magneteisenstein eine Eisenverbindung ist, stellst du fest, wenn du etwas davon in halbkonzentrierter Salzsäure (C) aufkochst. Die abgekühlte Lösung wird filtriert. Das Filtrat ist aufgrund der Bildung von Eisenchlorid gelb gefärbt. Anschließend gibst du zu einer Probe des Filtrats tropfenweise konzentrierte Lösung von Ammoniumthiocyanat NH4SCN (Xi). Die Lösung wird tiefrot. Bewahre den Rest des Filtrats für den Versuch 2 auf.
2. Dass im Magnetit das Eisen in zwei verschiedenen Oxidationsstufen vorliegt, zeigst du am besten mit Kaliumhexacyanoferrat (Blutlaugensalz). Es gibt hiervon zwei Formen: das rote und das gelbe. Beide bilden mit Eisen-Ionen Berliner Blau. Dabei reagiert das rote Blutlaugensalz mit Eisen(II)-Ionen, das gelbe mit Eisen(III)-Ionen, nicht jedoch umgekehrt.
Stelle jeweils etwa 5 ml Lösung der Blutlaugensalze in Wasser her (etwa 1%ig; Xn). Dazu tropfst du das Filtrat der salzsauren Magnetitlösung aus Versuch 1. In beiden Fällen bildet sich ein tiefblauer Niederschlag.
3. Erhitze Magneteisensand bis zur Rotglut und prüfe ihn dabei mit einem Magneten. Du stellst fest, dass er seine magnetischen Eigenschaften verliert. Beim Abkühlen stellen sie sich wieder ein. Magnetit ist also ein permanenter Magnet.
4. Betrachte den Magneteisensand unter einem guten Mikroskop. Oftmals erkennst du kugelige und sogar oktaedrische Kristalle, die sich aufgrund der abstoßenden sowie anziehenden Wirkung der Miniaturmagnete zu filigranen Gebilden auftürmen.


Woher kommt der Magneteisenstein?
Magneteisenstein (wissenschaftlich auch Magnetit genannt) ist wie der gesamte Sand das Produkt der Verwitterung von Gestein. In unserem Fall waren es Gesteine aus dem Norden Skandinaviens, deren Sand durch die Gletscher in unsere Regionen transportiert worden ist. Die Gletscher und ihr Schmelzwasser haben das Gestein zu Sand (Magnetitsande) zerkleinert. Da Magnetit (d = 5,2 g/cm3) eine höhere Dichte als Quarzsand (d = 2,65 g/cm3) hat, sortieren ihn die Wellen heraus: Der leichte Quarzsand wird weggespült, der schwere Magnetitsand bleibt liegen und reichert sich in der Grenzzone der Brandung an. Solche Anreicherungen nennt man übrigens "Seifenlagerstätten". Du kennst vielleicht das "Seifengold".

Die Hauptmenge des Magnetitsandes stammt aus dem sagenhaften Eisenerzlager von Kiruna in Nordschweden. Diese Erze werden vor allem in Narvik/Norwegen verschifft. (Informiere dich in diesem Zusammenhang über die Geschichte Norwegens im Zweiten Weltkrieg. Daher kommen wohl auch die nordischen Schilderungen bezüglich Schiffe mordender Magnetberge. Aber auch in den Märchen aus 1001 Nacht kommt der gefährliche Magnetberg vor. Zum zwischenmenschlichen Nutzen des Magnetsteins gibt es in Prosper Mérimées Vorlage für die Oper "Carmen" von Georges Bizet einen interessanten Hinweis. Klicke weiter die Webseite zur Mineralogie und Geologie des Magnetits an.)

PS: Selbst der schwarze Sand von Fuerteventura (Kanarische Inseln) ist magnetisch!

Bild 3 (Foto: Blume)

Der Magnetitsand wird hier nicht nur durch die Wellen, sondern auch durch die ständigen Passatwinde aussortiert. Er entstand durch Verwitterung vulkanischer Auswurfmassen. Deshalb sind auch einzelne Steine mehr oder weniger magnetisch, wie du im Urlaub auf Fuerteventura leicht nachprüfen kannst.
Übrigens habe ich letztlich am Strand der Algarve in Südportugal ebenfalls Magnetitsand entdeckt - das zeigt, dass der Eisengehalt der bekannten rötlichen Algarve-Felsen vulkanischen Ursprungs ist.

Experiment: Prüfung des Magnetismus von Gesteinen
Bedenke, dass der Magnetit im Stein oftmals fein verteilt vorliegt. Deshalb solltest du keine allzu starke magnetische Wirkung erwarten. Vor allem werden vom Gestein keine schweren Magnete oder gar Eisennägel angezogen. Am besten nimmst du einen kleinen, leichten (!) und runden Möbel- oder Lautsprechermagneten. Diesen legst du so auf eine glatte Unterlage, dass er gut rollen kann. Nun führst du den Stein langsam an den Magneten heran. Enthält er Magnetit, so sollte sich der Magnet bewegen. Bei größerem Gehalt an Magnetit lässt sich der Magnet sogar ziehen. Prüfe unbedingt verschiedene Stellen des Gesteins!
Du kannst auch das Gestein zerschlagen, im Mörser kleinmahlen und dann wie Sand mit einem Magneten prüfen.

Inzwischen hat unser Mitarbeiter Ulf Schmitz (Autor der Webseite Brennstoffzelle) in Sand aus Nordkalifornien, den er sich beim letzten Urlaub mitgebracht hatte, magnetithaltige Partikel entdeckt. Prüft doch mal eure Sandproben, die ihr vielleicht aus dem Urlaub mitgebracht habt.


Magnetit bildete sich durch Vulkanismus
Bei großer Hitze (um 600 °C) durchdringt flüssige Lava die benachbarten Gesteine. Findet eine Druckentlastung im Gestein statt, die ja zum Vulkanausbruch führt bzw. ihn begleitet, so bilden sich große Mengen an Gasen. Hier ist vor allem Wasserdampf zu nennen, der die Gesteine chemisch angreift. Sind dies (wie auf Fuerteventura kreidezeitliche) Kalke oder Dolomit, so wird deren Kohlenstoffdioxid ausgetrieben. Es bilden sich basische Hydroxide. Wenn in der Lava (wie es häufig der Fall ist, wie man an der oftmals braunroten Farbe sieht) zusätzlich noch Eisenverbindungen enthalten sind, so reagieren diese zu verschiedenen Eisenhydroxiden. Aus diesen kristallisieren beim Erkalten Magnetit Fe3O4 oder der verwandte (aber nicht magnetische) Haematit Fe2O3 aus.

Man spricht hier von pneumatolytischer Mineralbildung (pneuma, griech. Gas; lyein, griech. lösen).

Diese Kristalle bilden entweder große Lagerstätten, oder sie sind zumindest fein verteilt im Muttergestein eingestreut zu finden. Ein Blick durch das Mikroskop zeigt die Kristalle. Deshalb sind auch die entsprechenden Gesteine von Fuerteventura (Bild) magnetisch. Selbst die kugelrunden schaumigen "Vulkanbomben", die man auf den großen vulkanischen Auswurfhalden findet (Geröllbasalt genannt), zeigen (wenn auch schwach) diese Eigenschaft.

Bild 4: Steine mit schwarzem magnetithaltigem Basalt
(Foto: Blume)

Übrigens ist Magnetit entsprechend häufig. Er steht zusammen mit Haematit in der Rangliste der Mineralien, die die Erdkruste bilden, an 4. Stelle:

Tabelle [1]: Mineralbestand der Erdkruste
(in Gewichtsprozenten)
Feldspat
Pyroxen, Amphibol, Olivin
Quarz
Magnetit, Haematit
Glimmer (Muskovit, Biotit)
Calcit
Ton, Kaolin
Limonit
Dolomit, Magnesit
alle sonstigen Mineralien
57,9
16,4
12,6
3,7
3,3
1,5
1,0
0,3
0,1
3,2
Zusammen: 100,0


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


[1] O. Medenbach, H. Wilk: Zauberwelt der Mineralien. Sigloch Edition, Künzelsau-Thalwil-Salzburg (1977).


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Letzte Überarbeitung: 20. Januar 2010, Dagmar Wiechoczek