Prof. Blumes Tipp des Monats August 2009 (Tipp-Nr. 146)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wonach duftet eigentlich eine Stinkmorchel?

Schon seit Mitte Juni sieht man hier und da Pilze. Jetzt aber beginnt die heiße Phase der Pilzzeit.

Dabei erinnert einen beileibe nicht alles, was man so findet, an ein leckeres Pilzgericht... Wenn man zum Beispiel im Wald Kadaver- oder Aasgeruch bemerkt, ist meistens die Stinkmorchel nicht weit. Man riecht sie nämlich viel früher, als man sie sieht.

Die Stinkmorchel gehört zur Gruppe der “Rutenpilze“. (Rute ist ein vornehmer Ausdruck für Penis.) Die wissenschaftliche Bezeichnung ist Phallus impudicus (lat. impudicus, schamlos).

Bild 1: Stinkmorcheln. Links „frisch aus dem Ei geschlüpft“;
rechts haben die Fliegen den schwarzgrünen Sporenbelag bereits abgefressen
(Fotos: Blume)


Ihr Kadavergeruch beruht hauptsächlich auf flüchtigen Schwefelverbindungen, auf einigen weniger flüchtigen Terpenen und Phenylverbindungen sowie auf Essigsäure.

Diese Substanzen werden vom Pilz gebildet, um Aasfliegen (darunter die penetrante, grünschillernde „Deutsche Dungfliege“) sowie auch Mistkäfer anzulocken. Die sind für die Verbreitung der Pilzsporen wichtig.

Um die Mischung der Duftstoffe zu analysieren und die Substanzen zu bestimmen, muss man sie erst einmal anreichern. Dazu verwendet man letztlich die aus der Parfümherstellung bekannte Methode der Enfleurage. Darunter versteht man die Adsorption von flüchtigen, wenig polaren Substanzen durch Fett wie Schweineschmalz oder Olivenöl. Heute werden die Geruchsstoffe an einem geeigneten Polymer adsorbiert und anschließend mit geringen Mengen an Pentan und Diethylether extrahiert. Die Extrakte werden zur Analyse anschließend mit Hilfe eines Gaschromatographen (GC) aufgetrennt. Die Detektion erfolgt mit einem Massenspektrometer (MS). Das hat den Vorteil, dass man für jedes Signal („Peak“) nicht nur die Molmasse des verursachenden Moleküls erhält, sondern auch aus dem Zerfall in diverse Bruchstücke auf den Aufbau des betreffenden Moleküls schließen kann. Man spricht von GC/MS-Kopplung.

Die flüchtigen Schwefelverbindungen bestehen hauptsächlich aus Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid. Sie riechen eigentlich wie verfaulter Kohl und sind für den eigentlichen Aasgeruch verantwortlich. Da sie recht flüchtig sind, riecht man sie schon von weitem.

Einer der quantitativ wichtigsten intensiven Geruchsstoffe von Phallus impudicus ist das trans-Ocimen. Es gehört zu den Terpenen. Aber noch weitere Terpene wie 6-Methyl-5-hepten-2-on, Caren, Myrcen, a-Pinen und Linalool kommen vor - und noch viele mehr.

Man denkt bei Terpenen immer an Wohlgerüche wie beim zitronenfrischen Limonen, harzig-würzigen Pinen, an das nach Lavendel duftende Linalool oder an das pfefferminzige Menthol. Das betrifft aber nur ihre Verdünnungen…

Auch die Phenylverbindungen riechen konzentriert alle mehr oder weniger widerlich süßlich, auch wenn sie in sehr kleinen Mengen den Duft von Rosen oder Hyazinthen mit bestimmen. Wichtig sind Benzylalkohol, 2-Phenylethanol, 2-Phenylacetaldehyd und 2-Phenylessigsäure.


Erstaunlich ist, dass der Geruch all dieser Substanzen in großer Verdünnung durchaus als angenehm empfunden wird. Hieraus lernen wir in Abwandlung eines Spruchs von Paracelsus: „Nur die Dosis macht es, ob etwas gut riecht oder stinkt!“.

Was für uns aber so richtig stinkt, weil es uns konzentriert entgegenströmt, ist offensichtlich Wohlgeruch für Schmeißfliegen und Mistkäfer, für welche der sporenhaltige Stinkmorchel-Schleim bekanntlich ein echt leckeres Mahl ist.

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Bild 2: Stinkmorchel in unserem Garten
(Foto: Blume)

Eine andere Form der Rutenpilze, die relativ selten vorkommt, ist die Hundsrute. Weil sie wesentlich kleiner ist als die Stinkmorchel, „duftet“ sie auch moderater.

Bild 3: Hundsrute. Links frisch „aus dem Ei gekrochen“, rechts mit abgefressenem Sporenbelag
(Foto: Blume)


Nicht alle Morcheln stinken
Übrigens riechen nicht alle Morcheln so streng wie die Stinkmorchel. Das folgende Bild zeigt eine der Spitzmorcheln, die bereits ab März in unserem Garten wachsen. Sie wird fast 20 cm hoch, ist essbar und duftet wie jeder andere gewöhnliche Speisepilz sehr aromatisch.

Bild 4: Spitzmorchel in unserem Garten
(Foto: Blume)


Rüdiger Blume

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Letzte Überarbeitung: 09. Mai 2012, Dagmar Wiechoczek