Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 2003 (Tipp-Nr. 78)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wilhelm Busch


Diebstahl im Büro - was man dagegen tun kann

Um Weihnachten herum hat man bekanntlich viele zusätzliche Ausgaben und deshalb mehr Bargeld nötig. Und das wird einem ganz besonders bewusst, wenn einem das Weihnachtsgeld gekürzt wird! Da mutiert manch braver Bürger zum Langfinger und vergreift sich an dem herumliegenden Hab und Gut seiner arglosen Kameraden, Freunde und Bekannten, und er öffnet Geldbörsen, Spinde und Schränke. Davon wissen Sportvereine, Schulen, Bundeswehr oder Betriebe ein Lied zu singen.

Deshalb überraschte es mich nicht, als just zu dieser Zeit folgende Anfrage in meinem E-Mail-Körbchen lag: "Mein Anliegen ist etwas delikat: Ich benötige die Information, ob es einen Stoff gibt, der nicht gesundheitsschädlich ist und den man auf Geldscheine geben kann, ohne dass er auf den Scheinen auffällt und der dann die Haut desjenigen verfärbt, der die Geldscheine anfasst. Hintergrund: Ich habe den Eindruck, dass mir in unregelmäßigen Abständen Geld entwendet wird, und ich möchte demjenigen gerne auf die Schliche kommen!!"

Ihnen kann geholfen werden! Den Stoff gibt es tatsächlich. Er heißt Ninhydrin.

Ninhydrin ist chemisch das Hydrat des Indan-trions. Diese Substanz selbst ist farblos. Sie ist auch nicht sonderlich toxisch (Gefahrensymbol Xn) - wenn man sie nicht gerade in größeren Mengen verputzt oder in die Augen verreibt.
Fortgeschrittene Schüler kennen das Ninhydrin im Allgemeinen. Es ist nämlich ein bekanntes biochemisches Nachweisreagenz für Aminosäuren.

Versuch 1: Reaktion von Ninhydrin mit Aminosäuren
Zu 5 ml einer verdünnten Lösung einer Aminosäure (zum Beispiel Glycin; w = 1 %) gibt man einige Tropfen Ninhydrin-Lösung (w = 1 % in Isopropanol) (F) und erhitzt im Wasserbad.

Bild 1 (Foto: Daggi)


Nach kurzer Zeit färbt sich die Lösung blauviolett. Ninhydrin reagiert also mit Aminosäuren zu lila Farbstoffen. Diese Reaktion benutzt man auch zur Identifizierung von Aminosäuren, deren Gemische man zuvor dünnschichtchromatographisch aufgetrennt hat ("Sprühreagenz").

Hinter der Farbbildung steckt die folgende Reaktion, die in vielen Lehrbüchern der Chemie und Biochemie wie folgt formuliert wird:

Die reduzierte Form reagiert mit Ammonium und einem weiteren Ninhydrin-Molekül zum Farbstoff weiter.

Dass dieses Schema wohl sehr vereinfacht ist und deshalb eigentlich nicht ganz stimmen kann, zeigt allein schon die Tatsache, dass fast jede Aminosäure mit Ninhydrin ihren eigenen Farbton zeigt. Das wollen wir hier aber nicht vertiefen.

In gewissem Umfang reagiert Ninhydrin auch mit Peptiden und Proteinen - also mit fast allem, was sich in der Hautoberfläche befindet.

Versuch 2: Färbung der Haut mit Ninhydrin
Wir geben einen Tropfen der o. a. Lösung von Ninhydrin auf eine kleine Stelle der Haut und lassen die Substanz einwirken. Nicht abwaschen. Nach einer halben Stunde erkennt man erste Verfärbungen.
Man kann auch etwas Ninhydrin-Pulver (Xn) auf die Haut geben und leicht einmassieren. Achtung, nicht in die Augen reiben!

Die Farbbildung geht nicht besonders rasch, sondern so langsam vonstatten, dass sich die Umfärbung erst nach zwei-drei Stunden nach dem Kontakt bemerkbar macht - dann aber sehr nachhaltig...

Bild 2: Halbstündige Einwirkung von 1%iger Ninhydrin-Lösung auf die Unterarmhaut
(Foto: Daggi)


Somit ist diese chemische Reaktion ausgesprochen tückisch: Wenn der Täter die Verfärbung bemerkt, wird er diese meistens gar nicht mit seinem Diebstahl in Verbindung bringen. Deshalb bleibt er völlig unbefangen, wird seine verfärbten Hände im Büro offen zeigen und wird etwas murmeln wie "Ich hab mich wohl irgendwo mit einem Stempelkissen angelegt...".

Achtung: Manche Schlaumeier haben schon mal von dem Präparieren von Geldscheinen gehört und reagieren so, dass sie zum Beispiel die Hand ganz cool nur noch in der Hosentasche tragen, Pflaster über der eingefärbten Stelle tragen oder ihre Hand mit einen Verband umwickeln. Der Farbstoff widersteht nämlich jeglichem Reinigungsversuch; auch Schrubben mit Sand oder Bimsstein hilft da nicht weiter. Die Haut kann nur durch Nachwachsen wieder sauber werden.

Deshalb darf man schon im eigenen Interesse das anschließende Reinigen der präparierten Gegenstände nicht vergessen! Der betroffene Gegenstand kann durch Abspülen oder Abwischen mit Alkohol wieder gereinigt werden.

Diese Story ist übrigens kein chemischer Witz. Das Präparieren wird auch von der Kripo gemacht. Zusätzlich zu Geldscheinen werden auch Türklinken, Werkzeuge und Telefonhörer (und vieles andere mehr) präpariert.

Achtung: Beim Präparieren muss man beachten, dass man äußerst sparsam mit der Substanz umgeht. Denn wie alle derartigen Präparate greift sie natürlich auch die Hornhaut des Auges an.

Dank an Dr. H. Wenzel / Biochemie Universität Bielefeld.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 14. August 2008, Dagmar Wiechoczek