Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Juli 2020 (Tipp-Nr. 277)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Der Mikrowellenofen – eine Sauna für Moleküle?

Uwe Lüttgens

Entdeckt wurde die Wirkung wohl eher zufällig: Ein Amerikaner soll beim Experimentieren mit seinem Radargerät einen Schokoriegel rasch vom festen in den flüssigen Zustand überführt haben. Das war im Jahr 1945.

Bild 1: Ein Schokoriegel vor und nach der Behandlung im Mikrowellenofen
(Foto: Lüttgens)

Heute, mehr als 75 Jahre später, gehört der Mikrowellenofen fast selbstverständlich zur Ausstattung einer perfekt eingerichteten Küche. Denn die Vorzüge des elektrischen Küchengerätes liegen auf der Hand: Tiefgefrorenes wird schnell aufgetaut, Fertiggerichte und Reste vom Vortag können rasch erhitzt werden Dies halten viele Verbraucherinnen und Verbraucher für prima Eigenschaften, wenn´s beim Kochen schnell gehen soll.

Bild 2: In mancher Chemiesammlung findet sich ein Mikrowellenofen. Wasser lässt sich dort rasch erhitzen.
(Foto: Lüttgens)

Ein Bielefelder Grundschüler meinte, die Mikrowelle ebenfalls für seine kleinen naturwissenschaftlichen Experimente nutzen zu können. Der ´Lausbub´ setzte dabei Gott sei Dank nur die Mikrowelle in Brand und rief direkt die Feuerwehr, bevor Schlimmeres passierte [1]. Daher gleich zu Beginn unser Rat: Von jeder nicht seiner eigentlichen Bestimmung dienenden Nutzung eines Mikrowellenofens muss ausdrücklich abgeraten werden!

Schauen wir uns mal genauer an, wie die Mikrowelle funktioniert. Was passiert, wenn eine Speise erwärmt wird? Warum wird das Essen warm, wo eigentlich gar kein Brennstoff im Spiel ist? Warum wird der Teller nicht warm? Hat die Erwärmung etwas mit dem Wasser in den Speisen zu tun? Wir gehen diesen Fragen genauer nach.


Erwärmen von Wasser
Bevor wir das tun, lesen wir die Bedienungsanleitung genau durch. Das kann nie schaden. Als „Goldene Regel“ wird für die Nutzung der Mikrowelle angegeben: „Geben Sie zum Erhitzen von Flüssigkeiten immer einen Teelöffel mit ins Gefäß, um einen Siedeverzug zu vermeiden. Dieser darf jedoch nicht die Seitenwände des Garraumes berühren.“ [2]

Wir machen also eine Messung, einmal ohne und einmal mit einem Teelöffel, um zu sehen, ob sich das Wasser unterschiedlich schnell erwärmt und was es mit dem Siedeverzug auf sich hat. Übrigens: Ein Siedeverzug kann dazu führen, dass das Wasser und auch andere Flüssigkeiten unkontrolliert umherspritzen, wenn sie schlagartig anfangen zu kochen.


Versuch 1: Erhitzen von Wasser im Mikrowellenofen - Messung des Temperaturverlaufs

Geräte und Chemikalien: Zwei Gläser oder Bechergläser, Leitungswasser (je 200 ml), Teelöffel aus Metall, Mikrowellenofen, Elektronisches Thermometer (z. B. Pt-100)

Durchführung: Beide Gläser werden mit Wasser gefüllt und im Mikrowellenofen auf einer unteren Leistungsstufe erhitzt. In regelmäßigen Abständen wird die Temperatur des Wassers mittig im Glas bestimmt.

Hinweis: Es sollte auf keinen Fall für Temperaturmessungen im Garraum der Mikrowelle ein Flüssigkeitsthermometer verwendet werden. Es besteht Explosionsgefahr! Das Wasser sollte nicht auf einer hohen Leistungsstufe erhitzt werden. Es besteht die Gefahr eines Siedeverzuges.

Bild 3: Beide mit Wasser gefüllten Gläser werden erhitzt. Im zweiten Glas befindet sich ein Löffel, der einen Siedeverzug vermeiden soll. Gut zu sehen sind feine Gasblasen. Sie bilden sich ab ca. 50° C. Die zunehmend größer werdenden Blasen bestehen aus zuvor im Wasser gelöster Luft und Wasserdampf.
(Foto: Lüttgens)

Ergebnis: In beiden Gläsern erwärmt sich das Wasser gleichmäßig schnell. Je höher die Temperatur des Wassers wird, desto weniger schnell erhitzt sich das Wasser. Am Löffel bilden sich erst kleine, dann größer werdende Gasblasen. Ein Siedeverzug kann nicht beobachtet werden.

Grafik 1: Temperaturänderung von 200 ml Wasser in der Mikrowelle (Stufe 5), Die Starttemperatur beträgt 20° C (x-Achse: 1min), Nach12 Minuten wird die Messung beendet (x-Achse: 13 min).


Eine Abschätzung des Wirkungsgrades
Schauen wir uns das Typenschild auf der Rückseite der Mikrowelle näher an, dann erfahren wir neben der Frequenz der verwendeten Strahlung von 2450 Megahertz (kurz: MHz) etwas über die Leistung des Ofens von 1200 Watt (kurz: W).

Bild 4: Das Typenschild der verwendeten Mikrowelle: Der Ofen hat eine Leistung von 1200 Watt. Die Abkürzung HF steht für Hochfrequenz
(Foto: Lüttgens)

Als Leistung P wird die in einer bestimmten Zeitspanne Δt umgesetzte Energie ΔE bezeichnet:

Leistung = Umgesetzte Energie / Zeitspanne

P = ΔE / Δt

Für unsere Messung haben wir die Leistungsstufe 5 gewählt, dies entspricht vielleicht einer Leistung von 600 Watt. Damit lässt sich für die innerhalb der 12minütigen Messung zugeführte elektrische Energie Eel berechnen:

Eel = P • Δt = 600 W • 720 s = 432.000 Ws = 432 kJ

Hinweis: 1 Wattsekunde entspricht 1 Joule.

Nun können wir schauen, wieviel thermische Eth – es handelt sich um 400 ml Wasser insgesamt in den beiden Gläsern – zur Erwärmung des Wassers geführt hat. Dazu ist eine zweite Formel notwendig, die einen Zusammenhang zwischen der im Wasser gespeicherten Wärmemenge Q und der Temperaturerhöhung ΔT herstellt:

Eth = Q = c • m • ΔT

Mit der Wärmekapazität von Wasser c und einer Erwärmung von 17° C auf 82° C ergibt sich:

Eth = 4,19 kJ / (kg • K) • 0,4 kg • 65 K ≈ 109 kJ

Der Wirkungsgrad η (sprich: eta) der Mikrowelle ist das Verhältnis von genutzter Energie Eth zur zugeführten Energie Eel. Es ergibt sich:

η = Eth / Eel = 109 kJ / 432 kJ ≈ 0,25 btw. 25%

Dieser Wert bedeutet, dass in unserem Fall dreiviertel der eingestrahlten Energie ungenutzt verpufft.


Für Spezialisten: Ein wenig Theorie zur Mikrowellenstrahlung


Als erstes: Was sind elektromagnetische Wellen?
Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen. Dazu hilft es, sich zuvor darüber klar zu werden, was das genau ist. Sehen kann man diese Wellen nicht - anders als die mechanischen Wellen, die wir aus unserem Alltag kennen. Ein Beispiel ist der Schall – der kann von der Turbine eins startenden Flugzeugs oder von einem wohl klingenden Musikinstrument ausgehen und breitet sich von dort aus. Die Schallwelle, die immer von einem schwingenden Körper ausgeht – das kann ein sich drehendes Schaufelrad der Turbine eines Flugzeugs oder die schwingende Saite einer Gitarre sein. Treffen solche Wellen auf einen schwingungsfähigen Körper, z. B. das Trommelfell in unserem Ohr, dann hören wir ein Geräusch oder einen Ton. Wir empfinden dies wahlweise als Lärm oder als wohlklingende Musik. Für unsere Empfindung ist allerdings das Gehirn zuständig. Wichtig zu wissen: Eine Welle wird durch einen schwingenden Körper erzeugt, breitet sich dann im Raum aus und kann von einem schwingungsfähigen Körper aufgenommen werden – in der Physik sagt man: Die Welle wird absorbiert.


Mikrowellen gehören zu den elektromagnetischen Wellen
Das Prinzip der Ausbreitung dieser unsichtbaren Wellen ähnelt dem der mechanischen Wellen: Notwendig ist eine – diesmal elektromagnetische – Schwingung, die sich als Welle im Raum ausbreitet. Aber was schwingt da genau? Bei Radiowellen wissen wir, dass zum Senden und Empfangen Antennen notwendig sind. Nun sind Antennen nichts anderes als Stäbe aus Metall. Und in denen spielt sich Erstaunliches ab.

Schauen wir tiefer: Metalle sind aus Metallatomen aufgebaut. Die Elektronen können sich in diesem Metallgitter frei zwischen den positiv geladenen Atomrümpfen bewegen. Genau deshalb sind Metalle gute elektrische Leiter. Diese Elektronen können sich also im Gitter aus Metallatomen bewegen und auch zu regelmäßigen Schwingungen angeregt werden. Im Metalldraht der Antenne besteht zu einem bestimmten Zeitpunkt an dem einen Ende ein kleiner Elektronenüberschuss und am anderen Ende des Drahtes entsprechend ein Mangel an Elektronen. Durch diese ungleiche Verteilung der Ladung entsteht ein Dipol. Das heißt nichts anderes, als dass es dort zwei Pole gibt: Einen Minuspol mit dem Elektronenüberschuss und einen Pluspol mit einem Elektronenmangel. Schwingen die Elektronen in die andere Richtung, wechseln Plus- und Minuspol die Seiten.

Um die Antenne, den schwingenden Dipol, herum entstehen durch diese Schwingungen elektrische und magnetische Felder, die sich ständig verändern, wenn die Elektronen in dem Metalldraht der Antenne hin- und herbewegen. Diese elektrischen Felder, zu erkennen in der Skizze an den roten Kreisen, wechseln mit jeder Schwingung ihre Richtung zwischen Plus- und Minuspol. In einem solchen Feldlinienbild, das nur ein Modell ist, erkennen wir die magnetischen Feldlinien an den blauen, konzentrischen Kreisen um den Draht herum. Sie stehen senkrecht zu den elektrischen Feldlinien, die rot gezeichnet sind.

Physikalischer ausgedrückt: Jedes sich zeitlich verändernde elektrische Feld ist von einem magnetischen Feld umgeben. Und jedes sich zeitlich verändernde magnetische Feld ist von einem elektrischen Feld umgeben. Interessant ist nun, dass sich diese wechselnden Felder vom Dipol ablösen können. Sie bewegen sich, einmal abgelöst von der Antenne, unvorstellbar schnell mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum.


Warum heißt die Strahlung Mikrowelle?
Der Abstand zwischen zwei Bergen oder auch zwei Tälern einer Welle wird als Wellenlänge bezeichnet. Es gibt nun verschiedene Frequenzbereiche. Betrachten wir die für uns interessanten Radiowellen: Ist der Abstand dazwischen groß, spricht man von Langwellen: Deren Wellenlänge liegt zwischen 1000 und 10.000 Metern. Das entspricht Frequenzen zwischen 30 kHz und 300 kHz.

Umgerechnet wird zwischen Frequenz und Wellenlänge nach der Formel:

Frequenz = Lichtgeschwindigkeit / Wellenlänge

f = c / Δ

bzw.

Wellenlänge = Lichtgeschwindigkeit / Frequenz

Δ = c / f

Liegt der Abstand zwischen 10 und 100 m, spricht man hingegen von Kurzwellen. Die häufig genutzte UKW-Strahlung – UKW steht für Ultrakurzwelle – liegt im Frequenzbereich von 30 Megahertz bis 300 Megahertz (MHz), das entspricht 30 bis 300 Millionen Schwingungen pro Sekunde. Die Wellenlängen liegen dann zwischen rund zehn Metern und einem Meter. Wir erkennen: Nimmt die Frequenz zu, dann sinkt entsprechend auch die Wellenlänge – und umgekehrt.

Zurück zu Mikrowelle: Deren Wellenlängen liegen im Bereich von weniger als 1 Meter bis hin zu 0,3 Millimetern, was 300 Mikrometern entspricht. Daher also der Name Mikrowelle. Die Frequenzen liegen im Bereich von 300 Megahertz (MHz) bis etwa 1 Terahertz (THz), was 1 Billionen Schwingungen pro Sekunde bedeutet.


Zentrales Bauteil eines Mikrowellenofens ist das Magnetron
Erzeugt werden diese Mikrowellen im Mikrowellenofen nicht mit einer Antenne, sondern in einem sogenannten Magnetron. Das ist eine spezielle Röhre, die ganz schön kompliziert aufgebaut ist. Im Prinzip werden in der Röhre im Vakuum an einer Glühkathode Elektronen erzeugt, die anschließend als Ladungspakte in speziellen Hohlräumen zu regelmäßigen Schwingungen angeregt werden. Die so erzeugten hochfrequenten elektromagnetische Wellen gelangen über einen sogenannten Hohlleiter schließlich in den Garraum des Mikrowellenofens.


Warum nimmt man Mikrowellen und keine andere Strahlung?
Verkürzt ließe sich sagen: Weil das genauso gewollt ist. Ein Mikrowellenofen soll die Speisen möglichst effektiv erhitzen. Diese enthalten Wasser. Also wird die Frequenz der Strahlung so gewählt, dass Energie effektiv auf alle wasserhaltigen Gerichte übertragen wird. Am besten nimmt das Wassermolekül Mikrowellenstrahlung auf – man spricht von Absorption.

Bevor wir uns mit den Besonderheiten des Wassermoleküls eingehender beschäftigen, wollen wir an einem Beispiel aus dem Physikunterricht das Prinzip der Energieübertragung durch Wellen erläutern. Nehmen wir ein Beispiel aus der Akustik: Stelle Dir zwei gleiche Stimmgabeln vor. Die eine davon wird vorne im Klassenraum und die andere auf einem Tisch weiter hinten postiert. Nun kann folgendes überraschende Experiment durchgeführt werden: Die Stimmgabel vorne im Raum wird kurz und kräftig angeschlagen. Ein lauter Ton ist zu hören. Kurz festgehalten, verstummt die vordere Stimmgabel, weil sie nicht mehr schwingt. Ist es nun ruhig genug im Klassenraum, dann hört man den Ton ganz leise. Die zweite Stimmgabel ist in Schwingungen geraten. Physikalisch spricht man hier von Resonanz. Die Energie wurde von der einen Stimmgabel auf die andere Gabel übertragen.

Zurück zu den Vorgängen im Mikrowellenofen. Schauen wir uns wieder die kleinsten Teilchen an: Die Energie, die durch das Magnetron erzeugt wurde, nimmt das Wassermolekül auf. Das Molekül bewegt sich, angeregt durch die elektromagnetische Strahlung, wie ein Kreisel. Es rotiert um sich selbst. Und stößt dabei an benachbartes Teilchen. So wird es im Mikrowellenofen rasch warm.


Für Spezialisten: Noch etwas physikalische Chemie


Wie kommt es zur Rotation des Wassermoleküls?
Du weißt bestimmt aus dem Chemieunterricht: Wasser hat die Formel H2O. Zwei Wasserstoffatome sind mit einem Sauerstoffatom verbunden. Beide O-H-Bindungen sind polar – am Sauerstoffatom befindet sich eine negative Partialladung, am Wasserstoffatom eine positive Partialladung. Da das Wassermolekül gewinkelt gebaut ist, haben wir es mit einem sogenannten Dipolmolekül zu tun. Und das kann durch elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von Mikrowellen dazu angeregt werden, sich um sich selbst zu drehen, zu rotieren. Könnten wir das Wassermolekül bei seiner Rotation von außen beobachten, würden wir den Eindruck gewinnen, dass sich das Dipolmoment für uns während der Rotation ständig ändert. Die Strahlung der Mikrowelle ist nun so gewählt, dass sie mit der Frequenz der Rotation des Wassermoleküls möglichst gut übereinstimmt. Dann wird die Energie auf das Wassermolekül effektiv übertragen.

Anders ausgedrückt: Das Wassermolekül wird zum rotierenden Kreisel, weil die eingestrahlte Energie der Mikrowellenstrahlung genau der Rotationsenergie des Wassermoleküls entspricht. Und das Wassermolekül ist ein starker Dipol. Die Rotationsenergie wird wiederum als Bewegungsenergie an benachbarte Moleküle weitergegeben. Dies bedeutet nichts anderes als Wärme, wenn die Moleküle gegeneinanderstoßen. Im Mikrowellenofen werden so die Speisen innerhalb kürzester Zeit heiß.


Einige Modellversuche


Modellversuch mit Wasser
Führen wir einen Modellversuch mit 40 ml Wasser durch:


Versuch 2: Erhitzen von Wasser bei verschiedenen Leistungsstufen

Geräte und Chemikalien: Schnapsglas aus Kunststoff oder kleines Becherglas, Leitungswasser (40 ml), Mikrowellenofen, Elektronisches Thermometer (z. B. Pt-100)

Durchführung: Ein kleines Glas wird mit Wasser gefüllt und im Mikrowellenofen auf verschiedenen Leistungsstufen eine Minute lang erhitzt. Nach jeder Messung wird die Temperatur gemessen.

Bild 5: Während des Betriebs der Mikrowelle wird die Temperaturveränderung im Wasser in einem kleinen Becher (40 ml) mit einem dort mittig positioniertenTemperaturfühler (Pt-100) gemessen.
(Foto: Lüttgens)

Bild 6: Um die Temperatur zu messen, kann ein Temperaturfühler (Pt-100) an ein Multimeter angeschlossen werden. Im Bild sind zwei verschiedene Modell zu erkennen.
(Foto: Lüttgens)

Ergebnis: Die Temperaturänderung hängt von der eingestrahlten Leistung der Mikrowelle ab. Die Wassertemperatur ändert sich anfangs annähernd linear und flacht bei höherer Leistungsstufe etwas ab.



Leistungsstufe Endtemperatur T in °C Temperaturänderung ΔT in K
Start 20 -
2 45 25
3 65 45
4 79 59
5 92 72

Tabelle 1: Temperaturänderung von 40 ml Wasser in der Mikrowelle bei verschiedenen Leistungen (Stufe 2 bis Stufe 5), Starttemperatur: 20° C, Dauer der Messung: 1 Minute



Grafik 2: Temperaturänderung von 40 ml Wasser in der Mikrowelle bei verschiedenen Leistungen (Stufe 2 bis Stufe 5), Starttemperatur: 20° C, Dauer der Messung: 1 Minute


Modellversuch mit Öl
Andere Stoffe, die aus Molekülen mit nur schwachem Dipolcharakter aufgebaut sind – Beispiele wären Eiweiße z. B. in Fleisch oder Fette und Öle. Sie sollten in der Mikrowelle weniger schnell erhitzt werden. Führen wir das Experiment mit Olivenöl anstelle von Wasser durch:


Versuch 3: Erhitzen von Öl im Mikrowellenofen

Geräte und Chemikalien: Schnapsglas aus Kunststoff oder kleines Becherglas, Speiseöl (40 ml), Mikrowellenofen, Elektronisches Thermometer (z. B. Pt-100)

Durchführung: Ein kleines Glas wird mit Speiseöl gefüllt wird im Mikrowellenofen erhitzt.

Bild 7: Auch bei der Messung mit Olivenöl kam der Temperaturfühler zum Einsatz (Messbedingungen: Stufe 2, 40 ml Olivenöl).
(Foto: Lüttgens)

Ergebnis: Die Temperaturänderung fällt bei Öl im Vergleich zu Wasser bei gleicher Leistungsstufe deutlich geringer aus.



Grafik 3: Temperaturänderung von Olivenöl im Vergleich zu Wasser (Mikrowelle: Stufe 2)

Im konkreten Fall beträgt die Temperaturänderung von Olivenöl nur ca. 65% der Änderung der Temperatur bei der Erwärmung von Wasser. Olivenöl besteht wie alle pflanzlichen Öle hauptsächlich aus Fettsäureestern. Bei Olivenöl ist der Hauptbestandteil eine einfach ungesättigte Fettsäure, die Ölsäure, die an Glycerin gebunden ist. Die Fettsäureester gehören zu den unpolaren Verbindungen. Daher sollte das Dipolmoment klein sein, so dass die Strahlungsenergie der Mikrowellenstrahlung zu einer deutlich geringeren Erwärmung führen sollte im Vergleich zum Wasser, dessen Molekül ein hohes Dipolmoment aufweist.


Modellversuch mit Eis
Wie sieht es mit Tiefkühlkost aus? Diese hat eine Temperatur von -18° C, wenn sie direkt aus der Tiefkühltruhe kommt. Also nehmen wir als Modellsubstanz gefrorenes Eis. Unsere Annahme: Da im Eis das Wassermolekül in ein Kristallgitter eingebaut ist, kann es nicht frei rotieren. Das Auftauen sollte demnach länger dauern als das Erwärmen von flüssigem Wasser, weil zur freien Rotation Wasserstoffbrückenbindungen aufgebrochen werden müssen. Probieren wir es mit Eiswürfeln aus der Tiefkühltruhe aus:


Versuch 4: Erhitzen von Eis im Mikrowellenofen - Messung des Temperaturverlaufs

Geräte und Chemikalien: Glas oder Becherglas, Eiswürfel, Mikrowellenofen, Elektronisches Thermometer (z. B. Pt-100)

Durchführung: Das Glas wird mit Eiswürfeln gefüllt und im Mikrowellenofen auf einer unteren Leistungsstufe erhitzt. In regelmäßigen Abständen von je 1 Minute wird kontrolliert, ob die Eiswürfel geschmolzen sind. Nach dem vollständigen Schmelzen wird die Temperatur des Wassers mittig im Glas bestimmt.

Bild 8: Fünf Eiswürfel (63 g Eis) aufzutauen benötigt in der Mikrowelle bei Stufe 2 mehr als 5 Minuten.
(Foto: Lüttgens)

Ergebnis: Das vollständige Auftauen von Eis (T = -18° C) auf die Schmelztemperatur von 0° C (Temperaturdifferenz ΔT = 18 K) dauert im Vergleich zum Erhitzen von flüssigem Wasser auf Zimmertemperatur (Temperaturdifferenz ΔT ≈ 20 K).

In unserem Fall dauerte es mehr als 5 Minuten, bis die Eiswürfel vollständig geschmolzen waren. Nach nur einer weiteren Minute hatte das Wasser bereits eine Temperatur von 26° C. Ursache der Zeitzunahme ist die eingeschränkte freie Drehbarkeit des Wassermoleküls im Kristallgitter des Eiskristalls.


Zum Schluss: Die Werbung erkärt´s - fast richtig!
Schauen wir uns zum Schluss einmal an, wie die Funktion der Mikrowellenöfen beworben wird. Hier eine willkürliche Auswahl. Beginnen wir mit dem Media-Markt:

„Die Mikrowellenstrahlung setzt die Wassermoleküle in der Nahrung in Bewegung. Dadurch entsteht Reibungshitze, die zur Erwärmung des Essens führt. Das Essen nimmt allerdings keine Mikrowellenstrahlung auf.“ [3].

Auf mikrowelle.com, einer Webseite zum Vergleich verschiedener Mikrowellen-Geräte unterschiedlicher Hersteller, heißt es:

„Die sogenannten Mikrowellen bringen an sich nicht die Wärme mit. Sie sorgen aber dafür, dass die Wassermoleküle, die sich in jedem Lebensmittel befinden, beginnen zu schwingen. Die Wassermoleküle werden während des Heizvorgangs erwärmt, indem die vorhandene kinetische Energie durch die Mikrowellen gesteigert werden.“ [4]

Im Mammut-Buch der Technik, einem großartigen Buch, bei dem durch einfache Zeichnungen aus ungewohnter Perspektive vieles verständlich erklärt wird, ist das Mikrowellengerät folgendermaßen beschrieben:

„Die Mikrowellen treffen auf die Wassermoleküle in den Lebensmitteln. Jede Energiewelle richtet die Wassermoleküle aus und dreht sie anschließend in die entgegengesetzte Richtung. Diese extrem schnellen Drehbewegungen erzeugen Wärme.“ [5]

Ich finde: Alle Erklärungen sind haltbar, aber letztlich halbgar. Und damit aus physikalisch-chemischer Sicht nur mit Vorsicht zu genießen.

Bei „Wissen vor acht“, einer Informationssendung im Ersten wird das Prinzip leichter verständlich – oder vielleicht doch nicht?

„Die Mikrowellenstrahlung bewirkt, dass die Wassermoleküle im elektrischen Wechselfeld hin- und herschwingen. Ja, da kommt so ´nen Molekül ganz schön ins Schwitzen. Und das bedeutet nichts anderes als Wärme. Schneller und effizienter geht´s kaum.“ [6]

Schnell und halbwegs effizient ist der Mikrowellenofen bestimmt, wie wir gesehen haben. Und richtig ist auch, dass Wasser die entscheidende Rolle spielt bei der Zubereitung von Speisen. Allerdings wird das Wassermolekül nicht in Schwingungen versetzt. Vielmehr sorgt die Rotation der Moleküle für Bewegung und damit Stößen zwischen den kleinsten Teilchen. Und damit für die Temperaturerhöhung beim Erhitzen der Speisen. Und ob die Mikrowelle eine Art Sauna für Moleküle darstellt, möge jeder für sich selbst entscheiden.


Literatur:
[1] Lausbub ist Held der Feuerwehr, in NW Bielefeld, https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22777097_Neunjaehriger-setzt-Mikrowelle-in-Brand-und-wird-dann-zum-Feuerwehr-Held.html (zuletzt abgerufen am 14.06.2020)
[2] Bedienungsanleitung für AEG Micromat 110, https://www.libble.de/aeg-micromat-110/p/21431/ (zuletzt abgerufen am 14.06.2020)
[3] Mikrowellen-Kaufberater: Was ist wichtig für den Mikrowellen-Kauf?, Media-Markt, https://www.mediamarkt.de/de/shop/mikrowellen-beratung.html (zuletzt abgerufen am 14.06.2020)
[4] Mikrowellen Ratgeber, https://www.mikrowelle.com/ratgeber/ (zuletzt abgerufen am 14.06.2020)
[5] Macaulay´s Mammut-Buch der Technik, Sonderausgabe Tessloff Verlag, 1995, S. 152.
[6] Wie funktioniert eine Mikrowelle? (Wissen vor acht), https://www.youtube.com/watch?v=RcQqa5TCVEg (zuletzt abgerufen am 14.06.2020)


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 27. Juni 2020, Fritz Meiners