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Tipp des Monats April 2021 (Tipp-Nr. 286)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Untersuchung von Klebestiften – Einfache Nachweisreaktionen auf Inhaltsstoffe

Jens Schorn

Bild 1: Klebestifte sind aus keiner Federtasche wegzudenken
(Shutterstock/Alexandr Makarov)

Das Homeschooling hat uns leider fortlaufend im Griff. So ist es naheliegend sich wieder mit etwas zu beschäftigen, dass jeder im Homeschooling zur Verfügung hat. Zur Grundausstattung gehört neben einem Computer für viele, gerade aus den unteren Klassenstufen, der klassische Klebestift. Diese Form des Klebestiftes wurden 1969 von der Firma Henkel erfunden und erhielt dann den Markennamen Pritt-Stift, der oft synonym für Klebestifte verwendet wird. Ältere Leserinnen und Leser kennen vielleicht noch die sogenannte Gutenberg - Klebeflasche oder den Gutenberg-Klebestift, den es zwar heute immer noch gibt, der aber im Zuge der Einführung durch den Pritt-Stift vom Markt verdrängt wurde. Zu oft ist Flüssigkeit ausgelaufen, außerdem ist die Verpackung aus Glas und daher nicht so leicht und praktisch zu transportieren, wie der Klebestift, der heute in vielen Federmappen oder Schlampern zur Standardausrüstung gehört. Mit zunehmendem Verbraucherbewusstsein für Verpackungsrecycling und der Suche nach Alternativen zu Kunststoffverpackungen, gibt es interessante Vorschläge zur Befüllung von leeren Klebestiften oder die Suche nach alternativen Verpackungen. [1]

Damit stellt sich die Frage nach den Inhaltsstoffen von Klebestiften.


Woraus besteht ein Klebestift?
Bei der Recherche von Sicherheitsdatenblättern [2] von Klebestiftherstellern, wie auch in Vorschlägen zum Herstellen von Klebemassen [3] taucht häufig Stärke als Inhaltsstoff auf.


Experiment 1: Nachweis auf Stärke in Klebestiften

Der Nachweis von Stärke kann mit der hier verlinkten Anleitung [3] auch leicht im Homeschooling durchgeführt werden. Während man im Schullabor Iod-Kaliumiodid-Lösung verwendet, kann man zu Hause jodhaltige Desinfektionsmittel-Lösung, z.B. Betaisodona®-Lösung, benutzen.

Beobachtung: Die Ergebnisse werden hier in einer Tüpfelplatte gezeigt.

Bild 2: Lösungen der Klebestiftmassen mit Iodlösung vermischt in einer Tüpfelplatte.
(Foto: Schorn)

Ergebnis: Der Nachweis auf Stärke ist nur bei der löslichen Stärke (im Bild oben in der Mitte) positiv. In den Klebestiftmassen ist keine Stärke nachweisbar.


Warum ist der Nachweis auf Stärke negativ, obwohl die Angaben auf dem Datenblatt Polysaccharide als Inhaltstoffe angeben?
Bei Stärke handelt es sich in der Regel um ein Stoffgemisch aus zwei Vielfachzuckern, sogenannten Polysacchariden. Es handelt sich um Amylose und um Amylopektin, wobei nur die Amylose die typische lila-violette Verfärbung ergibt, da nur dort eine schraubenförmige Helix-Struktur vorliegt. Diese spezielle Helix-Struktur kann Jodmoleküle, sogenannte Polyjodidketten, aus 3-9 Iodatomen einlagern, was zu der eindeutigen Färbung führt. Eine tiefgründigere Erklärung zur Entstehung der Farbe findet man hier.

Stärke pflanzlichen Ursprungs kann man auch über die Kornstruktur betrachten und identifizieren. Hierzu wählt man die mikroskopische Untersuchung einer Suspension des Stoffgemischs.


Experiment 2: Mikroskopische Untersuchung von Klebemassen im Vergleich zu Stärke.

Material: Lichtmikroskop mit mindestens 100-facher Vergrößerung; Objektträger; Deckgläser; Haushaltstücher; Kleine Löffel oder Zahnstocher; 5 Bechergläser oder kleine Trinkgläser für die Anfertigung von Suspensionen.

Chemikalien: Leitungswasser; Klebestifte; Iod-Lösung oder Betaisodona®-Lösung.

Durchführung:

  1. In einem Becherglas jeweils eine kleine Menge Klebemasse mit ca. 1 mL Leitungswasser mischen.
  2. Anschließend einen Tropfen der Stoffgemische getrennt auf unterschiedliche Objektträger geben und mit einem Deckglas versehen. Zuletzt die vorbereiteten Objektträger unter dem Mikroskop bei unterschiedlichen Vergrößerungen betrachten.
  3. Anschließend tropft man an den Rand jedes Deckglases einen Tropfen Iod-Lösung. Diese Lösung kann man an dem gegenüberliegenden Rand des Deckglases mit einem kleinen Stück Haushaltspapier mit Hilfe der Saugkraft des Papiers unter dem Deckglas durchziehen. So kann man die Stoffgemische mit der Iod-Lösung einfärben.

Beobachtung: Es handelt sich hierbei um Aufnahmen, die bei 400-facher Vergrößerung gemacht wurden.

Stoffgemisch mit Wasser Beobachtung ohne Iodlösung Beobachtung mit Iodlösung
Stärke

Prittstift ältere Sorte

Prittstift neueste Sorte

Uhu stic

Idena Klebestift

Office depot Stift

Bilder 3-14: Mikroskopische Aufnahme von Klebestiftmischungen mit Wasser (linke Spalte) und Iodlösung (rechte Spalte) 400-fache Vergrößerung
(Fotos: Schorn)

Ergebnis: Bei der Stärkelösung und den Klebestiften von Pritt erkennt man körnige Strukturen, die einen Hinweis auf Stärke darstellen. Nur bei dem Gemisch mit Stärke ist die Jod-Stärke Reaktion an der violetten Färbung zu erkennen. Die anderen Klebestifte zeigen Hinweise auf eine faserartige Struktur.

Recherchiert man nach der Form von Stärke in den Klebestiften der Firma Henkel (also in den Pritt® stiften) so findet man in den Sicherheitsdatenblättern oder technischen Merkblättern den Hinweis auf folgende Inhaltsstoffe: Polysaccharide, Polyglycosidether, Seife und Wasser [2,4].

Hier die Zusammenfassung der Patentanmeldung aus dem Jahre 1992:

Bild 15: Zusammenfassung der Patenteinreichung der Firma Henkel vom 21.7.1992 zur Entwicklung eines Klebestiftes auf Stärkeetherbasis. [5]

Sogenannte Stärkeether sind Stärken bei denen der Naturstoff leicht verändert wurde. Betrachtet man die einfache Struktur von Amylose, also dem Stoff der für die violette Färbung bei der Jod-Stärke Reaktion verantwortlich ist, so fallen am Rand von dem Molekül sogenannte Hydroxylgruppen auf.

Bild 16: Ausschnitt aus einem unverzweigten Teil eines Stärkemoleküls, also der Amylose
[verändert nach https://www.chemieunterricht.de/dc2/kh/images/staerke-1b-k.jpg]

Hydroxylgruppen sorgen dafür, dass Amylose die regelmäßige Schrauben- oder auch Helixform einnimmt. Sie stabilisieren die Schraubenstruktur, indem sie untereinander Wasserstoffbrücken ausbilden können. Nur diese Schraubenform führt zu der violetten Färbung beim Nachweis mit Iod-Lösung.

Nach einer alten Beschreibung [6] sind Stärkeether Produkte aus einer Reaktion zwischen oben beschriebenen Hydroxylgruppen und Hydroxylgruppen anderer Alkohole. Dabei entsteht als Nebenprodukt Wasser und man bezeichnet diese Reaktion deshalb als Kondensationsreaktion.

(1)

Zur Herstellung der industriellen Produkte werden keine Alkohole eingesetzt, sondern Ethyloxid, Propylenoxid oder Butylenoxid, sogenannte Oxirane [5]. Dies zeigt die folgende Reaktionsgleichung, wobei Methanol für die Stärke mit ihren Hydroxylgruppen steht.

(2)

Die entstehenden Stärkeether besitzen im Ergebnis alle keine ungebundenen Hydroxylgruppen, die dicht am ursprünglichen Amylosemolekül befinden. Deshalb kann sich die Schraubenform dieser veränderten Amylose nicht ausbilden und es kann sich mit Iod kein Iod-Stärke Komplex bilden. Die violette Färbung bleibt also aus, obwohl Stärke vorliegt.


Wie kann man die Stärke in den Klebestiften auf chemische Weise nachweisen?
Um Stärke in der veränderten Form nachzuweisen, kann man die Einzelbausteine der Stärkeether nachweisen. Dazu muss man den Stärkeether durch eine saure Hydrolyse in seine Einzelbausteine zerlegen. Anschließend kann man diese Einzelbausteine mit der Fehling-Probe nachweisen.


Experiment 3: Nachweis auf Glukose, saure Hydrolyse von Stärkeethern und Nachweis von Aldehyd mit Fehling-Probe

Material: 6 Reagenzgläser, Tropfpipetten, Wasserbad, Bunsenbrenner.

Chemikalien: Glukose, Stärke, Klebestiftmassen, konzentrierte Salzsäure (C), verdünnte Natronlauge (C), Fehling Reagenz I und II (Xi), Universalindikatorpapier, destilliertes Wasser.

Durchführung:

  1. Überprüfung der Klebemasse auf andere Stoffe mit reduzierenden Eigenschaften.
    Diese Überprüfung der Klebemassen wird vorab zur Sicherheit durchgeführt, um auszuschließen, ob andere reduzierend wirkende Stoffe in den Klebemassen zum Einsatz kommen.
    a) Es werden jeweils getrennte Lösungen von den Klebemassen und destilliertem Wasser hergestellt. Als Vergleichslösung wird Glucose ebenfalls in Wasser gelöst.
    b) Alle Lösungen werden mit je 1 mL Fehling-Reagenz I und II ergänzt, durchmischt und anschließend im Wasserbad erhitzt.
  2. Saure Hydrolyse von Klebemassen und Nachweis von Aldehyd
    a) Es werden jeweils getrennte Lösungen von den Klebemassen und destilliertem Wasser hergestellt. Als Vergleichslösung wird Stärke ebenfalls in Wasser gelöst.
    b) Die Lösung in den 6 Reagenzgläsern wird jeweils mit 2 mL konzentrierter Salzsäure versetzt und 3 Minuten lang gekocht. (Spritzgefahr! Schutzbrille tragen!)
    c) Nach dem Abkühlen werden die Lösungen mit Natronlauge und mit Hilfe von Universalindikator neutralisiert.
    d) Alle Lösungen werden mit je 1 mL Fehling Reagenz I und II ergänzt, durchmischt und anschließend im Wasserbad erhitzt.

Beobachtung:

Zu 1) Überprüfung auf Glucose als Klebemasse.

Bild 17: Lösungen nach der Fehling-Probe. (Von rechts nach links: Glucose, Prittstift ältere Sorte, Prittstift neuere Sorte, Uhu stic, Idena Klebestift, Office depot Stift)
(Foto: Schorn)

Zu 2) Saure Hydrolyse von Klebemassen und Nachweis von Aldehyd

Bild 18: Lösungen nach saurer Hydrolyse und Fehling-Probe. (Von rechts nach links: Stärke, Prittstift ältere Sorte, Prittstift neuere Sorte, Uhu stic, Idena Klebestift, Office depot Stift)
(Foto: Schorn)

Ergebnis:
Zu 1. Der Nachweis auf Glucose ist in allen Klebemassen negativ. Es ist also keine Glucose als Klebemittel enthalten.
Zu 2. Für die Klebestifte der Firma Pritt konnten Spaltprodukte der Stärkeether in Form von Aldehyden nachgewiesen werden.

Nur die Prittstifte enthalten modifizierte Stärke in der Form von Stärkeethern.

Dies wird auch durch die Angaben in den Datenblättern anderer Klebestiftherstellern bestätigt [7]. Dort wird ein Kunststoff eingesetzt der Polyvinylpyrrolidon (PVP) heißt und industriell für die Klebstoffgewinnung verwendet wird.

Insgesamt kann man so mit einfachen Chemikalien z.T. auch im häuslichen Umfeld die Inhaltsstoffe alltagsgebräuchlicher Gegenstände, wie solchen Klebestiften, gut nachweisen. Es stellt sich heraus, dass der Erfinder des Prittstiftes bei der Entwicklung eines Klebestifts aus nachhaltigen Rohstoffen die Nase vorne hat. Solche Klebestifte kommen ohne Kunststoffe (PVPs) aus und nutzen als Klebemittel veränderte Stärke, sogenannte Stärkeether.


Quellen:
[1] https://gruenerwirdsnimmer.com/2015/05/07/meine-erste-herausforderung-ein-nachfullbarer-klebestift/ (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)
[2] https://dm.henkel-dam.com/is/content/henkel/sds-43182-de-pritt-prittstift (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)
[3] https://www.chemieunterricht.de/dc2/haus/v068.htm (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)
[4] https://www.hornbach.ch/data/shop/D04/001/780/491/258/83/8359901_Doc_02_DE_20120802135300.pdf (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)
[5] https://patentimages.storage.googleapis.com/ae/a0/b6/2f171877494ed2/WO1993003109A2.pdf (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)
[6] Ullmann, Fritz; Enzyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstraße (1974).
[7] https://www.bueromarkt-ag.de/bilder/produktdatenblaetter/634140.pdf (zuletzt abgerufen am 24.04.2021)


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Letzte Überarbeitung: 24. März 2021, Fritz Meiners