Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Juni 2021 (Tipp-Nr. 288)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


„Vom Liparischen Steine“: Bimsstein und Obsidian

Dennis Dietz

Die vulkanische Insel Lipari ist Teil der Liparischen Inseln und gehört zur italienischen Region Sizilien. Die Schülerinnen und Schüler meines Chemieleistungskurses erkunden im Nordosten dieser wunderschönen Insel ein verlassenes Industriegelände, auf dem einst Bimsstein abgebaut wurde. Lange Zeit war Bimsstein eine bedeutsame Einnahmequelle für die Inselbewohner. Mit Bimsstein, oder kurz Bims, können Leichtbetonsteine hergestellt, Böden aufgewertet, Wasser aufbereitet oder Materialien unterschiedlichster Art geschliffen werden[1]. Früher gehörte Bimsstein in jede wohlsortierte Hausapotheke. Damit konnte man Hornhaut abschleifen oder auch hartnäckigen Schmutz entfernen, wie z. B. Tintenflecken von Kinderfingern. Und mit Bimsstein konnte man in der Badewanne herrlich spielen – zum Beispiel wunderte man sich als Kind darüber, wieso ein Stein überhaupt schwimmen kann!

Bild 1: Ein stillgelegtes Industriegelände im Nordosten von Lipari
(Foto: Streller)

Zwischen dem schneeweißen Bimsstein finden die Schülerinnen und Schüler immer wieder kleinere, glasartige schwarze Steine, die sie in Anlehnung an eine berühmte Fernsehserie als Drachenglas bezeichnen. Schnell kommt die Frage auf: Handelt es sich um verschiedene Gesteinsarten oder entstehen Obsidian und Bimsstein einfach nur unter unterschiedlichen Bedingungen aus demselben Ausgangsmaterial?

Bild 2: Obsidian zwischen Bimsstein – ein Bild das Fragen aufwirft
(Foto: Streller)


Bimsstein und Obsidian – zwei Gesteine mit unterschiedlichen Eigenschaften
Auf den ersten Blick scheinen Bimsstein und Obsidian nur wenig gemeinsam zu haben. Der Obsidian von Lipari ist ein schwarzes Gesteinsglas mit scharfen Ecken und Kanten. Aus dem machte man früher Schmuck und auch Waffen – wie z. B. Pfeilspitzen oder sogar Messerklingen. Obsidian war sozusagen der Feuerstein der Vulkangegenden. Der Bimsstein ist dagegen weiß. Mit seinen porösen Strukturen erscheint er auch deutlich leichter. Dabei handelt es sich aber um eine Täuschung: Bimsstein hat ein dem Feldspat vergleichbares hohes spezifisches Gewicht und kann nur aufgrund seiner Porosität schwimmen[2].

Bild 3: Bimsstein schwimmt auf der Wasseroberfläche, am Grund des Becherglases befindet sich Obsidian
(Foto: Dietz)


Berühmte Wissenschaftler haben sich bereits vor mehr als 150 Jahren mit Bimsstein und Obsidian beschäftigt
Sucht man im Internet nach Bimsstein und Obsidian, so findet man in digitalisierter Form zahlreiche Werke aus dem 19. Jahrhundert. Dabei stellt man fest, dass viele berühmte Wissenschaftler, wie beispielsweise Alexander von Humboldt und Charles Darwin, sich mit diesen Gesteinen auseinandergesetzt haben. Schon 1875 konnte man mittels klassischer nasschemischer Verfahren klären, dass Bimsstein und Obsidian nahezu die gleiche chemische Zusammensetzung haben[3].

SiO2 Al2O3 Fe2O3 CaO MgO KO* NaO* HO*
Bimsstein von Lipari 73,70 12,27 2,31 0,65 0,29 4,73 4,52 1,22
Obsidian von Lipari 74,25 12,97 2,73 0,12 0,28 5,11 4,15 0,22

Tabelle 1. Originäre Darstellung von Forschungsergebnissen aus dem Jahr 1875 [3, S.254]. Heute wissen wir, dass hier einige Indizes fehlen (markiert mit einem Sternchen). Das liegt an Dalton: Er formulierte als leitendes Prinzip die Einfachheit der Verbindungsverhältnisse. Wasser beispielsweise war für ihn also HO statt H2O [4, S.17f.]. Außerdem würden wir die Zahlenangaben heutzutage wohl mit einem Prozentzeichen versehen.

Zusätzlich zur ähnlichen Zusammensetzung stellte man fest, dass Obsidian und Bimsstein an zahlreichen Vulkanen dieser Welt gemeinsam vorkommen und in seltenen Fällen auch in Schichten zu finden sind, in welchen Übergänge zwischen Obsidian und Bimsstein beobachtet werden können. Daraus leitete man ab, dass „Bimsstein und Obsidian durch Schmelzung nassgebildeter Silicate, vorzüglich der Trachyte, entstanden sind“[3, S.257]. Zurück zur Frage, ob sich nun Obsidian oder Bimsstein bildet, präzisierte Alexander von Humboldt:

„Die Bedingungen, unter denen ein solcher Process grossartiger gelingt, sind vielleicht minder in der Stoffverschiedenheit des Materials, als in der Graduation der Wärme, des durch die Tiefe bestimmten Druckes, der Dünnflüssigkeit und der Dauer der Erstarrung gegründet“ [2, S. 212].

Bimsstein bildet sich, wenn in der Schmelze ein hoher Anteil an Wasser oder anderer flüchtiger Stoffe, wie Kohlenstoffdioxid, vorliegt, die das Gestein aufblähen. Sind diese flüchtigen Komponenten nicht enthalten und wird die Lava sehr schnell abgekühlt, dann bildet sich dagegen der Obsidian. Es bleibt die Frage zu klären, ob man Obsidian nachträglich in Bimsstein umwandeln kann. Theophrast berichtete bereits 225 v. Chr. in einer seiner Abhandlungen „vom Liparischen Steine“ dazu:

„er [der Obsidian] wird im Feuer durch eine dem Verbrennen ähnliche Zersetzung in einen wahren Bimsstein verwandelt [...] “ [5, S. 18]

Es sollte also möglich sein, Obsidian durch Einwirkung von Hitze in Bimsstein zu verwandeln. Probieren wir es also aus.


Versuch: Obsidian in Bimsstein umwandeln

Ein kleines Stück Obsidian wird in der Flamme eines Bunsenbrenners für 10 bis 15 Minuten erhitzt. Der Obsidian muss dabei sichtbar zum Glühen gebracht werden.

Achtung! Es ist auf ein gleichmäßiges Erhitzen zu achten, da der Obsidian ansonsten (wie es für ein Glas typisch ist) zerspringt.

Im Anschluss wird der Obsidian unter dem Binokular (Vergrößerung 20-fach) betrachtet.

Bild 4: Ergebnis des Erhitzens von Obsidian
(Foto: Dietz)

Bild 5: Erhitzter Obsidian unter dem Binokular
(Foto: Dietz)

Die Ausbildung der schaumigen Struktur kann man gut mit Hilfe eines Binokulars oder einer Lupe beobachten. Die Beschreibung von Theophrast lässt sich also gut reproduzieren: Obsidian kann unter Hitzeeinwirkung in Bimsstein umgewandelt werden.


Fazit
Auch nach mehr als 2000 Jahren (wie im Fall von Theophrast) bzw. nach mehr als 150 Jahren (wie beispielsweise im Fall von Alexander von Humboldt) stellen die Schülerinnen und Schüler noch heute die gleichen Fragen von damals. Dazu müssen sie nur in Kontakt mit den entsprechenden Phänomenen in der Natur kommen. Die Auseinandersetzung mit historischen Schriften ist durch die Digitalisierung und das Internet leichter denn je – daher können diese Schriften von Zeit zu Zeit auch den Weg in den naturwissenschaftlichen Unterricht unserer Zeit finden. Wie hier am Beispiel des Gesteins von Lipari gezeigt, kann man gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zurückblicken und staunen, welche beeindruckenden wissenschaftlichen Leistungen bereits vor unserer Zeitrechnung und auch im 19. Jahrhundert vollbracht wurden.


Danksagung
Meinen besonderen Dank möchte ich hier noch zwei Personen aussprechen: Dr. Sabine Streller danke ich für die Bereitstellung der Bilder und die freudige gemeinsame Zeit im Labor und Dr. Ruggero Noto La Diega danke ich für die Organisation dieser traumhaften und fachlich hochinteressanten Schülerfahrt im Jahr 2019.


Literatur:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bims#Verwendung (zuletzt abgerufen am 19.4.2021)
[2] Fuchs, C. W. (1865). Die Vulkanischen Erscheinungen der Erde. C.F. Winter´sche Verlagshandlung. Leipzig & Heidelberg. S. 203-213.
[3] Mohr, F. (1875). Geschichte der Erde. Ein Lehrbuch der Geologie auf neuer Grundlage. 2. Auflage. Verlag von Max Cohen & Sohn, S. 253-257.
[4] Blomstrand, C. W. (1869). Die Chemie der Jetztzeit vom Standpunkte der Electrochemischen Auffassung. Carl Winter´s Universitätsbuchhandlung. Heidelberg, S. 17f.
[5] Schmieder, C. (1807). Theophrasts Abhandlung von den Steinarten. Aus dem Griechischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet. Craz und Gerlachschen Buchhandlung, Freyberg, S.17-18.


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Letzte Überarbeitung: 30. April 2021, Fritz Meiners