Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats August 2022 (Tipp-Nr. 302)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Das „leichteste“ Wasser Europas

Dennis Dietz und Sabine Streller

Wie lässt sich der Abschluss eines langjährigen Projekts mit Kollegen besser feiern als mit einem guten Essen im Lieblingsrestaurant? Während wir also in das Studium der Speisekarte vertieft sind, bringt uns der Kellner schon mal eine Flasche Mineralwasser. Sofort fällt das Etikett auf der Mineralwasserflasche ins Auge und weckt unser Interesse: Das „leichteste“ Wasser Europas? Direkt beginnen die Diskussionen am Tisch: Was ist wohl mit leicht gemeint? Und werden wir wirklich das leichteste Wasser Europas zu unserem hervorragenden Essen trinken?

Bild 1: Mineralwasser im Glas
(Foto: Streller)


Wasser – mal leicht mal schwer, mal weich mal hart
Wenn Wasser besonders leicht sein kann, dann muss es auch schweres Wasser geben. Daher drehten sich unsere ersten Gedanken um schweres Wasser. Unter schwerem Wasser versteht man Wasser, in welchem die Wasserstoffatome durch Deuteriumatome (also Isotope des Wasserstoffs) ausgetauscht sind. Schweres Wasser ist jedoch nicht zum Verzehr geeignet. So haben Studien mit Säugetieren (wie bspw. Mäusen) ergeben, dass ein Austausch eines Teils des Wassers im Organismus mit schwerem Wasser recht schnell zum Tode führt[1]. Die besondere „Leichtigkeit“ unseres Getränks kann also nichts mit Isotopen zu tun haben. Ein weiterer Blick auf das Etikett der Wasserflasche offenbarte schließlich, dass wir nicht nur das leichteste, sondern auch das weichste Wasser vor uns stehen hatten. Damit war klar, dass wir uns mit dem Mineralgehalt und der Dichte des Wassers auseinandersetzen müssten, um diesem Slogan auf den Grund zu gehen.


Experimentelle Ansätze zur Untersuchung der „Leichtigkeit“ von Wasser
Um der Frage nachgehen zu können, ob unser Mineralwasser einen besonders niedrigen Mineralgehalt und damit eine besonders niedrige Dichte aufweist, galt es im ersten Schritt Vergleichsproben auszuwählen. Im Rahmen unserer Untersuchung haben wir uns entschieden zwei weitere Mineralwasser – ebenfalls mit geringem Kohlensäureanteil – bekannter Unternehmen aus dem Supermarkt auszuwählen. Da weiterhin das Berliner Leitungswasser als besonders hart gilt, haben wir dieses als vierte Probe in unseren Untersuchungen berücksichtigt. Sowohl für die Untersuchung des Mineralgehalts als auch der Dichte ist es zunächst notwendig die Kohlensäure zu entfernen. Dazu kann das Mineralwasser in einem ausreichend großen Becherglas für ein bis zwei Tage mit einem Magnetrührer gerührt werden.

Bild 2: Kohlensäure entfernen aus Mineralwasserproben
(Foto: Streller)

Zur Abschätzung des Mineralgehalts der Wasserproben haben wir die Wasserproben zunächst eingedampft und anschließend den Trockenrückstand bestimmt.


Versuch: Bestimmung des Mineralgehalts

Geräte und Materialien: vier unterschiedliche entgaste Wasserproben, Trockenschrank, vier Kristallisierschalen, eine 100 mL Vollpipette, ein Peleusball, eine Feinwaage

Durchführung: Zunächst wird das Taragewicht der Kristallisierschale bestimmt.100 mL der zu untersuchenden entgasten Wasserprobe werden in die Kristallisierschale gegeben und in einem Trockenschrank erhitzt, bis das Wasser vollständig verdampft ist. Nach dem Abkühlen wird die Kristallisierschale ein zweites Mal gewogen. Aus der Differenz ergibt sich der Trockenrückstand. Dieser Versuch wird mit jeder Wasserprobe zwei Mal wiederholt.

Um die Dichte der Wasserproben zu bestimmen, muss lediglich die Masse eines definierten Volumens an Wasser ermittelt werden. [An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die stark alltagssprachlich geprägten Begriffe „Masse“ und „Gewicht“ im Unterricht natürlich sensibel unterschieden werden müssen [2]]. Um ein genaues Probenvolumen zu entnehmen, sollte mit einer Vollpipette gearbeitet werden. Wenn in der Schule keine Vollpipetten zur Verfügung stehen, dann kann alternativ mit einem Messkolben gearbeitet werden.


Versuch: Bestimmung der Dichte von Wasser

Geräte und Materialien: vier unterschiedliche entgaste Wasserproben, vier 100 mL Bechergläser, eine 100 mL Vollpipette, ein Peleusball, eine Feinwaage

Durchführung: Zunächst wird das Taragewicht eines Becherglases bestimmt. Mit einer Vollpipette werden 100 mL der entgasten Wasserprobe in das Becherglas gegeben und die Masse bestimmt. Die Differenz der zweiten Messung und des Taragewichts ergibt die Masse der Wasserprobe. Das Verhältnis von Masse und Volumen ergibt die Dichte. Dieser Versuch wird mit jeder Wasserprobe zwei Mal wiederholt.


Ergebnisse: Unser Wasser ist wirklich besonders leicht und damit (wahrscheinlich) das leichteste Wasser Europas
Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Mineralwasser, das wir im Restaurant erhalten haben, im Vergleich zu den drei anderen Wasserproben tatsächlich einen besonders niedrigen Mineralgehalt aufweist. Weiterhin hat dieses Wasser tatsächlich die niedrigste Dichte (Tab. 1).

Probe 1 (Restaurant) Probe 2 (Supermarkt) Probe 3 (Supermarkt) Probe 4 (Leitungswasser)
Mittelwert Trockenrückstand 1 50 mgL 1500 mgL 150 mgL 300 mgL
Mittelwert Dichte 0,998 gmL 1,000 gmL 0,999 gmL 0,999 gmL

Tab. 1 Messergebnisse als Mittelwerte unserer Untersuchungen. Jede Messung wurde drei Mal durchgeführt.

Die minimalen Dichteunterschiede zwischen den Wasserproben machen die Notwendigkeit deutlich, dass korrekt und sauber gearbeitet werden muss. Damit eignen sich die hier vorgestellten Versuche dazu, mit den Schülerinnen und Schülern das laborpraktische Arbeiten zu üben. Weiterhin besteht im Zuge der Auswertung die Möglichkeit, mit Schülerinnen und Schülern intensiv über Fehlerquellen bei quantitativen Bestimmungen zu sprechen. Auf der Internetseite gibt der Hersteller des hier untersuchten Wassers einen Trockenrückstand von 14 mg/L an[3]. Allein das mehrfache Wiederholen einer Messung, wie hier vorgestellt, verbessert zwar die Genauigkeit des Ergebnisses, führt aber nicht zwangsläufig zum „wahren“ Messwert. Die Abweichung unseres Messergebnisses (Δ36 mg/L) kann sowohl mit der (nicht-ausreichenden) Messgenauigkeit unserer Waage als auch mit der Menge an Wasser, die verdampft wurde, erklärt werden. Je größer die Menge an verdampften Wasser ist, desto kleiner wird der natürliche Fehler, der durch das Abmessen des Wasservolumens entsteht.


Zum Schluss: Ein Lesetipp für „Wasserbegeisterte“ und ein Ausblick
Das in diesem Monatstipp untersuchte Mineralwasser ist nicht nur nachweislich leicht, sondern soll laut Hersteller auch besonders gesund sein. Fakten und Mythen rund um gesundes Trinkwasser sind anregend und mit einem Augenzwinkern von Klaus Roth zusammengefasst worden[4]. An dieser Stelle legen wir Ihnen gern die Lektüre dieses Artikels ans Herz.

Zum Ende dieses Monatstipps können wir festhalten, dass wir neben einem leckeren Essen auch das leichteste Wasser Europas genossen haben. Und neben den hier vorgestellten Versuchen und Ergebnissen konnten wir eine weitere interessante Beobachtung machen: Im Zuge des Entgasungsprozesses sind die Proben eines Mineralwassers zu unserer Überraschung trübe geworden (Bild 4). Mit diesem – für uns zunächst überraschenden Phänomen – werden wir uns in einem zukünftigen Monatstipp beschäftigen. Und wer nicht warten kann, liest hier schon nach.

Bild 3: Das Mineralwasser eines Herstellers wird beim Entgasen trüb
(Foto: Streller)

Danksagung:
Ein herzlicher Dank geht an Jan-Ole Rost für die Durchführung einzelner Messungen.


Literatur:
[1] Thomson, J. F. (1960). Physiological Effects of D2O in Mammals. Annals of the New York Academy of Sciences, 84(16), 736-744.
[2] Streller, S. & Knebel, D. (2017). Vom Märchen zum Schlüsselkonzept Dichte. PdN-Chis, 66(1), 20-24.
[3] https://lauretana.de/de/herkunft/, letzter Zugriff: 14.07.22
[4] Roth, K. (2013). H2O – Jo mei! Chem. Unserer Zeit, 47, 108-121.


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Letzte Überarbeitung: 3. August 2022, Fritz Franzke