Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis
unbedingt beachten.
Wann sollte das Salz ins Wasser? – „Energie sparen“ beim Nudeln kochen
Dennis Dietz und Sabine Streller
Das Einsparen elektrischer Energie ist nicht nur gut für den Schutz des Klimas, sondern auch für das eigene Portemonnaie. Gerade im Alltag gibt es viele Möglichkeiten auf einfache Art und Weise sparsam mit elektrischer Energie umzugehen. So kann man das Licht ausschalten, wenn es nicht benötigt wird, oder elektrische Geräte, wie die Waschmaschine oder den Geschirrspüler, im Energiesparmodus betreiben. Im Internet wird häufig behauptet, dass im richtigen Zeitpunkt das Nudelwasser zu salzen, eine weitere Möglichkeit zum Energiesparen bestünde.
Bild 1: Wann sollte das Salz ins Nudelwasser: wenn es kalt ist oder wenn es siedet?
(Foto: Streller)
Ein italienischer Koch behauptet beispielsweise:
„Was den Zeitpunkt angeht: das Wasser sollte erst gesalzen werden, wenn es kocht. Wird das Salz ins kalte Wasser gegeben, erhöht das den Siedepunkt um circa 2 Grad. Es muss also stärker erhitzt werden, bis es kocht.“ [1]
Der Frage, ob man mit dem „richtigen“ Zeitpunkt des Salzens von Nudelwasser wirklich Energie einsparen kann, möchten wir in diesem Monatstipp nachgehen.
Ein erster Faktencheck: Zur Thermodynamik der Siedepunktserhöhung
Ist es tatsächlich möglich, durch das Lösen von Salz die Siedetemperatur des Wassers zu beeinflussen? Aus thermodynamischer Sicht ist die Aussage des Kochs dahingehend korrekt. Die Erhöhung der Siedetemperatur ist sowohl vom Lösungsmittel als auch von der Menge des gelösten Stoffs abhängig [2]. Für verdünnte Lösungen gilt:
ΔT = Ke ∙ mB
Ke: ebullioskopische Konstante, mB: Molalität (Stoffmenge gelöster Stoff pro Kilogramm Lösungsmittel) [2, S. 211]
Das bedeutet: Je mehr Salz im Wasser gelöst ist, desto stärker steigt die Siedetemperatur. Für Wasser beträgt die ebullioskopische Konstante übrigens 1,86 (K/(mol • kg-1)) [2, S. 213]. Damit müsste also Wasser, das kalt gesalzen wird, bei gleicher Wärmezufuhr länger als ungesalzenes Wasser brauchen, um zu sieden. Und wenn es länger bräuchte, um zu sieden, dann würde auch mehr elektrische Energie benötigt werden. Diese Hypothese wollen wir nun experimentell überprüfen.
Zur experimentellen Überprüfung unserer Hypothese
Für die Überprüfung unserer Hypothese ist es wichtig, auf das Prinzip der Variablenkontrolle zu achten. Als unabhängige Variable wählen wir den Salzgehalt, als abhängige Variable messen wir die Zeit, die das Wasser zum Sieden benötigt. Die konstant zu haltenden Variablen sind die Wassermenge, die Ausgangstemperatur des Wassers, die Gefäße, die Umgebungstemperatur, der Luftdruck sowie die Menge an genutzter elektrischer Energie bzw. zugeführter Wärmeenergie über die Heizplatte. Um diese Variablen konstant zu halten, wird eine definierte Menge Leitungswasser abgemessen und die jeweils angedachte Salzmenge hinzugefügt. In einer Voruntersuchung prüfen wir, ob die Bechergläser unabhängig von der Position auf der Heizplatte gleichmäßig erhitzt werden.
Bild 2: Voruntersuchung zur Variablenkontrolle – Werden die Bechergläser auf der Heizplatte unabhängig von der Position gleichmäßig erhitzt?
(Foto: Streller)
Dabei stellen wir fest, dass die Heizplatte die Bechergläser nicht unabhängig von der Position gleichmäßig erhitzt. Aus diesem Grund entscheiden wir uns, unsere Proben in einem Ölbad zu erwärmen. Mit einem Rührfisch können wir eine gleichmäßige Erwärmung aller Proben sicherstellen.
Versuch: Erhitzen von „Nudelwasser“ mit unterschiedlichem Salzgehalt
Es werden drei Proben vorbereitet, wobei darauf zu achten ist, dass die verwendeten Bechergläser möglichst gleich schwer sind.
a) 50g Wasser in einem 100 mL Becherglas
b) 50g einer 1%-igen Salzlösung in einem 100 mL Becherglas
c) 50g einer 5%-igen Salzlösung in einem 100 mL Becherglas
Vor Beginn der Messung wird die Anfangstemperatur der Proben mit einem digitalen Thermometer gemessen. Anschließend werden die drei Bechergläser in ein vorgeheiztes Ölbad gestellt und es wird die Zeit gemessen, bis zu der die jeweilige Lösung siedet. Sobald das Wasser siedet, wird zudem die Siedetemperatur bestimmt.
Bild 3: Der Versuchsaufbau
(Foto: Streller)
Beobachtungen:
Alle Messungen finden bei einer Raumtemperatur von 19,6 °C, einem Luftdruck von 1010 hPa und einer Luftfeuchtigkeit 45 % statt. Die Proben haben zu Beginn der Messung jeweils eine Starttemperatur von 19,8 °C und werden in einem Ölbad erhitzt, das 130 °C heiß ist. Unsere Messwerte sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Probe/abhängige Variable |
a (Leitungswasser) |
b (1%-ige Salzlösung) |
c (5%-ige Salzlösung) |
Zeit bis zum Sieden [min] |
8:26 |
8:02 |
6:33 |
Siedetemperatur [°C] |
99,8 |
100,3 |
101,5 |
Mit zunehmendem Salzgehalt sinkt die benötigte Zeit, um die Probe zum Sieden zu bringen. Dabei nimmt die Siedetemperatur der Probe mit zunehmendem Salzgehalt zu.
Bild 3: Die Versuchsbeobachtung - Becherglas links hinten: Leitungswasser, Becherglas rechts hinten: 5%‑ige Salzlösung, Becherglas vorne: 1%‑ige Salzlösung
(Foto: Streller)
Achtung:
Den genauen Siedezeitpunkt objektiv zu erkennen, ist fast unmöglich. Daher sollten die drei Proben unbedingt gleichzeitig und nicht nacheinander erhitzt werden, um die Unterschiede in der benötigten Zeit zum Sieden gut erkennen zu können. Diese Fehlerquelle sollte mit den Schülerinnen und Schülern diskutiert werden.
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Beobachtung: Das gesalzene Wasser siedet trotz Siedepunktserhöhung schneller als das ungesalzene Wasser
Wie es die Thermodynamik vorhersagt, steigt die Siedetemperatur des Wassers mit der Menge an gelöstem Salz. Jedoch stellen wir fest, dass die Zeit zum Erreichen des Siedepunkts mit zunehmendem Salzgehalt immer kleiner wird als beim Leitungswasser. Diese experimentelle Beobachtung ist allerdings nur auf den ersten Blick überraschend. Denn wir haben eine zweite thermodynamische Größe bisher nicht beachtet: die Wärmekapazität des Lösungsmittels. Die spezifische Wärmekapazität eines Stoffes gibt an, wieviel Energie einem Gramm eines Stoffes hinzugefügt werden muss, damit sich dieser um 1 K (und damit 1 °C) erwärmt [3]. Für reines Wasser beträgt die spezifische Wärmekapazität unter Standardbedingungen 4,18 J/(K ∙ g) [3, S. 110]. Nun ist die Wärmekapazität des Wassers jedoch von mehreren Variablen abhängig: der Temperatur, dem Druck und der Menge an gelöstem Salz [4, S. 8830]. Hierbei gilt: Je mehr Salz in Wasser gelöst wird, desto kleiner wird die Wärmekapazität des Wassers [4, S. 8840]. Das bedeutet: Bei gleicher Energiezufuhr erwärmt sich gesalzenes Wasser tatsächlich schneller als ungesalzenes Wasser.
Lässt sich also Energie sparen, wenn das Salz in das kalte Wasser gegeben wird?
Nicht wirklich. Zwar siedet das Wasser schneller, aber der zeitliche Unterschied ist bei den verwendeten Wassermengen zu gering, um nennenswert elektrische Energie zu sparen! Durch das Salzen von kaltem Wasser handelt man sich dafür einen Nachteil ein: So können unliebsame Flecken im Topf dadurch entstehen, dass sich das Salz zunächst nur schlecht in Wasser löst.
Fazit
Energie sparen kann man durch die Wahl des richtigen Zeitpunkts zum Salzen des Nudelwassers leider nur minimal. Nichtsdestotrotz stellt die hier vorgestellte Untersuchung ein funktionales Beispiel dafür dar, wie man Experimentierkompetenzen – insbesondere das Prinzip der Variablenkontrolle – mit Schülerinnen und Schülern anhand einer typischen Fragestellung aus dem Alltag üben kann. Auch für den naturwissenschaftlichen Unterricht in den Jahrgangsstufen 5/6 bietet der Kontext des Kochens von Nudeln einen geeigneten Zugang zur Förderung von Kompetenzen im Bereich der Erkenntnisgewinnung [siehe 5].
Zum Abschluss: Eine echte Möglichkeit dafür, beim Nudelkochen elektrische Energie zu sparen, wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Der italienischen Physiker und Nobelpreisträgers Giorgio Parisi schlägt folgendes vor: „Das Wasser in der Pfanne zum Kochen bringen, die Pasta hineingeben, Deckel drauf – und dann sofort oder nach zwei Minuten den Herd abstellen.“ [6] Durch das „passive“ Kochen der Pasta müsse diese zwar bis zu zwei Minuten länger garen, allerdings ließen sich laut Parisi dadurch bis zu 47 % Energie sparen [6].
Literatur:
[1] https://www.sevencooks.com/de/magazin/nudelwasser-richtig-salzen-46UPSswgOq707lQQcGKBvd, letzter Zugriff: 17.12.23
[2] [2] Atkins, P. W. (2001). Physikalische Chemie. 3. Auflage, Wiley-VCH.
[3] Blumenthal, G., Linke, D. & Vieth, S. (2006). Chemie. Grundwissen für Ingenieure. 1. Auflage, Teubner.
[4] Generous, M. M., Qasem, N. A. A., Qureshi, B. A. & Zubair, S. M. (2020). A Comprehensive Review of Saline Water Correlations and Data‑Part I: Thermodynamic Properties. Arabian Journal for Science and Engineering, 45, 8817‑8876.
[5] Streller, S., Grote-Großklaus, I., Schmiereck, S. (2012). Die schnellste Nudel. Naturwissenschaftliche Arbeitsweisen im fächerübergreifenden Unterricht. NiU Chemie, 23(130/131), 60-65.
[6] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/pasta-basta-italiener-sollen-beim-nudelkochen-energie-sparen-8623942.html#:~:text=In%20die%20Diskussion%20eingeschaltet%20hat,zwei%20Minuten%20den%20Herd%20abstellen, letzter Zugriff: 18.12.23
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