„Vernünftige Gedanken über unvernünftige Vorschriften…“ - Inspirationen zum Färben von Ostereiern Sabine Streller
Friedlieb Ferdinand Runge (1795 – 1867) [1] empört sich in seinen Hauswirth-schaftlichen Briefen im Jahr 1866 wortreich über das Unwissen und die Unvernunft „des Herrn Eierfärber“, der in einer Berliner Zeitung folgenden Aufsatz publizierte: „Färben der Ostereier. Um Eier roth zu färben, genügt es, sie in einer Abkochung von Krapp oder Karmin zu sieden. Violett werden sie, wenn man etwas Campecheholz, blau, wenn man Indigo in das Wasser thut, gelb mit Safran […]“ [2, S. 111] Doch warum eigentlich soll diese Vorschrift so unvernünftig sein? Folgen wir dem Chemiker F. F. Runge in seiner Argumentation und begeben uns auf den Weg zur Herstellung bunter Eier. Klick mich an! Bild 1: Eier mit Naturfarben gefärbt
1. „Der Krapp giebt kein Roth, sondern ein dunkles Rothbraun“ was nach Meinung von Runge jedoch auch nicht zu verachten wäre. Er regt an halb so viel Alaun wie Krapp hinzuzugeben, so würde die Farbe in ein schmutziges Orange übergehen. 2. Die mit Karmin zu erzielende Farbe auf dem Ei lobt Runge zwar als „schönes Roth“, doch „eine Abkochung von Karmin giebt es eigentlich nicht“, denn Karmin sei „in kochendem Wasser auflöslich“ und könne deshalb direkt mit ins Kochwasser gegeben werden. 3. Ein Blau entstehe keineswegs indem man Indigo ins Wasser gebe, denn „Indigo ist in Wasser völlig unauflöslich“. Das würde Ei maximal ein wenig schmutzig wirken. 4. Auch das Violett, das das Campecheholz ergeben soll, zweifelt Runge an: „Campecheholz ergibt kein schönes Violett. Ein Zusatz von sehr wenig Essig beim Kochen hebt jedoch die Farbe“. Lediglich der Einsatz von Safran hält Runges Kritik stand. Das entstehende Gelb sei zu loben. Um uns nun selbst ein Bild von den Färbeergebnissen zu machen, verwenden wir im folgenden Versuch die fünf genannten Färbemittel zum Färben von Eierschalen. 1. Krapp. Der Färberkrapp (Rubia tinctorum) ist eine traditionelle Färberpflanze. Er wird heute noch selten in der Färberei verwendet, da der in Krapp enthaltene Farbstoff, Alizarin, synthetisch deutlich günstig hergestellt werden kann [3]. Krapp kann aber noch immer über den Handel recht preiswert bezogen werden. 2. Karmin. Echtes Karmin wird aus Cochenilleläusen gewonnen und wird zum Färben von z. B. Lippenstift, Nahrungsmitteln (E 120) oder auch Textilien verwendet [3]. 3. Campecheholz. Das Holz entstammt dem südamerikanischen Blutholzbaum (Haematoxylum campechianum) ist auch unter dem Namen Blauholz bekannt. Es wird als Bauholz und auch als Färbemittel in der Textilfärberei eingesetzt [3]. Das Farbspektrum reicht von hellviolett bis hin zu tiefem blau-schwarz. 4. Auf den Einsatz von Indigo zum Eierfärben verzichten wir sofort, denn Runge hat natürlich recht, dass Indigo wasserunlöslich ist und durch bloßes Hinzufügen ins Kochwasser keinerlei Färbeergebnis auf Eiern erzielen würde (mehr dazu hier). 5. Und schlussendlich Safran – den haben wir als Küchengewürz vorrätig. Und da wir in Küche und Labor noch viel mehr Dinge entdeckt haben, die sich als Färbemittel eignen, untersuchen wir die alle gleich mit. Versuch: Färben von Eierschalen mit Naturstoffen Material: 14 x 50 mL Bechergläser und passende Uhrgläser, Teelöffel, fünf Heizplatten, Essig, Kaliumaluminiumsulfat (Alaun), Essig (5%), Schale eines weißen Hühnereis, Wasser und Färbemittel (1) Birkenrinde, (2) Färberdistel, (3) Holunderbeere, (4) Karmin, (5) Kurkuma, (6) Rote Bete, (7) Rotkohl, (8) Zwiebelschale (braun und rot), (9) Krapp, (10) Blauholz, (11) Safran Durchführung: a) In je ein Becherglas werden 10 ml Wasser und ein Teelöffel der Färbemittel (1) – (8) gegeben. b) Krapp-Färbelösung (1 TL Krappwurzel in 10 mL Wasser) wird einmal ohne, einmal mit Zugabe von einem halben Teelöffel Alaun angesetzt. c) Die Blauholz-Färbelösung (0,2 g Blauholz in 10 mL Wasser) wird einmal ohne, einmal mit Zugabe von 1 ml Essig angesetzt. d) Für die Safran-Färbelösung werden zu 10 mL Wasser ca. 5 Fäden Safran gegeben. e) In alle Bechergläser wird ein kleines Stück der Eierschale hinzugefügt und die Lösungen für 15 Minuten zum Sieden erhitzt. Bild 2: Färbelösungen
Klick mich an! Bild 3: Färbeergebnis – gefärbte Eierschalen und dazugehörige Färbemittel
„Bei Anwendung des Indigo und des Campecheholz ist jedoch große Vorsicht zu empfehlen, da diese Farben nicht viel weniger als Gift sind. Sollte also beim Färben die Schale eines solchen blauen oder violetten Eies springen und die Farbe sich, wenn auch nur wenig, dem inneren Ei mittheilen, so darf dasselbe nicht gegessen werden.“ [2, S. 111] Da fragt sich nicht nur F. F. Runge wie man zwei Stoffe, nämlich Indigo und Blauholz, zum Eierfärben empfehlen kann, die giftig sein sollen. Lassen wir abschließend Runge noch einmal zu Wort kommen: „Wie ist es nur möglich, daß eine Zeitung im Jahre 1857 noch solche Beweise von Unwissenheit geben kann! Alljährlich macht die Berliner Polizei die schädlichen und unschädlichen Farben in den Zeitungen namhaft, und unter den unschädlichen stehen auch Indigo und Campecheholz oder Blauholz (was dasselbe ist), wie sie denn auch durchaus unschädlich sind, und nun sagt doch eine in Berlin erscheinende Zeitung, die beiden Stoffe seien „nicht viel weniger als Gift“. Dies ist etwas stark. Man kann zwar nicht alles wissen und ein bißchen Unwissenheit ist erlaubt; aber mich will bedünken, der Herr Eierfärber mißbrauche diese Erlaubniß in einem hohen Grade.“ [2, S. 113] Dass trotz alljährlicher Richtigstellungen und besseren Wissens waghalsige und falsche Behauptungen immer wieder abgedruckt werden, ist tatsächlich ärgerlich und heute mindestens so aktuell wie zu Zeiten Runges.
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