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Tipp des Monats März 2024 (Tipp-Nr. 320)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


„Vernünftige Gedanken über unvernünftige Vorschriften…“ - Inspirationen zum Färben von Ostereiern

Sabine Streller

Friedlieb Ferdinand Runge (1795 – 1867) [1] empört sich in seinen Hauswirth-schaftlichen Briefen im Jahr 1866 wortreich über das Unwissen und die Unvernunft „des Herrn Eierfärber“, der in einer Berliner Zeitung folgenden Aufsatz publizierte:

„Färben der Ostereier. Um Eier roth zu färben, genügt es, sie in einer Abkochung von Krapp oder Karmin zu sieden. Violett werden sie, wenn man etwas Campecheholz, blau, wenn man Indigo in das Wasser thut, gelb mit Safran […]“ [2, S. 111]

Doch warum eigentlich soll diese Vorschrift so unvernünftig sein? Folgen wir dem Chemiker F. F. Runge in seiner Argumentation und begeben uns auf den Weg zur Herstellung bunter Eier.

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Bild 1: Eier mit Naturfarben gefärbt
obere Reihe von links: Blauholz (3x), Karmin (2x), Birkenrinde;
untere Reihe von links: Färberdistel, Safran, Kurkuma, braune Zwiebelschale, Krapp, rote Zwiebelschale
(Foto: Streller)


Was Runge bemängelt: „In dieser Anleitung … ist vieles Falsche“

1. „Der Krapp giebt kein Roth, sondern ein dunkles Rothbraun“ was nach Meinung von Runge jedoch auch nicht zu verachten wäre. Er regt an halb so viel Alaun wie Krapp hinzuzugeben, so würde die Farbe in ein schmutziges Orange übergehen.

2. Die mit Karmin zu erzielende Farbe auf dem Ei lobt Runge zwar als „schönes Roth“, doch „eine Abkochung von Karmin giebt es eigentlich nicht“, denn Karmin sei „in kochendem Wasser auflöslich“ und könne deshalb direkt mit ins Kochwasser gegeben werden.

3. Ein Blau entstehe keineswegs indem man Indigo ins Wasser gebe, denn „Indigo ist in Wasser völlig unauflöslich“. Das würde Ei maximal ein wenig schmutzig wirken.

4. Auch das Violett, das das Campecheholz ergeben soll, zweifelt Runge an: „Campecheholz ergibt kein schönes Violett. Ein Zusatz von sehr wenig Essig beim Kochen hebt jedoch die Farbe“.

Lediglich der Einsatz von Safran hält Runges Kritik stand. Das entstehende Gelb sei zu loben. Um uns nun selbst ein Bild von den Färbeergebnissen zu machen, verwenden wir im folgenden Versuch die fünf genannten Färbemittel zum Färben von Eierschalen.


Wer hat nun recht? F. F. Runge versus der Herr Eierfärber
Zunächst einmal müssen wir prüfen, was sich hinter den beschriebenen Färbemitteln verbirgt und ob diese auch heute noch zur Verfügung stehen.

1. Krapp. Der Färberkrapp (Rubia tinctorum) ist eine traditionelle Färberpflanze. Er wird heute noch selten in der Färberei verwendet, da der in Krapp enthaltene Farbstoff, Alizarin, synthetisch deutlich günstig hergestellt werden kann [3]. Krapp kann aber noch immer über den Handel recht preiswert bezogen werden.

2. Karmin. Echtes Karmin wird aus Cochenilleläusen gewonnen und wird zum Färben von z. B. Lippenstift, Nahrungsmitteln (E 120) oder auch Textilien verwendet [3].

3. Campecheholz. Das Holz entstammt dem südamerikanischen Blutholzbaum (Haematoxylum campechianum) ist auch unter dem Namen Blauholz bekannt. Es wird als Bauholz und auch als Färbemittel in der Textilfärberei eingesetzt [3]. Das Farbspektrum reicht von hellviolett bis hin zu tiefem blau-schwarz.

4. Auf den Einsatz von Indigo zum Eierfärben verzichten wir sofort, denn Runge hat natürlich recht, dass Indigo wasserunlöslich ist und durch bloßes Hinzufügen ins Kochwasser keinerlei Färbeergebnis auf Eiern erzielen würde (mehr dazu hier).

5. Und schlussendlich Safran – den haben wir als Küchengewürz vorrätig.

Und da wir in Küche und Labor noch viel mehr Dinge entdeckt haben, die sich als Färbemittel eignen, untersuchen wir die alle gleich mit.


Versuch: Färben von Eierschalen mit Naturstoffen

Material: 14 x 50 mL Bechergläser und passende Uhrgläser, Teelöffel, fünf Heizplatten, Essig, Kaliumaluminiumsulfat (Alaun), Essig (5%), Schale eines weißen Hühnereis, Wasser und Färbemittel (1) Birkenrinde, (2) Färberdistel, (3) Holunderbeere, (4) Karmin, (5) Kurkuma, (6) Rote Bete, (7) Rotkohl, (8) Zwiebelschale (braun und rot), (9) Krapp, (10) Blauholz, (11) Safran

Durchführung:

a) In je ein Becherglas werden 10 ml Wasser und ein Teelöffel der Färbemittel (1) – (8) gegeben.

b) Krapp-Färbelösung (1 TL Krappwurzel in 10 mL Wasser) wird einmal ohne, einmal mit Zugabe von einem halben Teelöffel Alaun angesetzt.

c) Die Blauholz-Färbelösung (0,2 g Blauholz in 10 mL Wasser) wird einmal ohne, einmal mit Zugabe von 1 ml Essig angesetzt.

d) Für die Safran-Färbelösung werden zu 10 mL Wasser ca. 5 Fäden Safran gegeben.

e) In alle Bechergläser wird ein kleines Stück der Eierschale hinzugefügt und die Lösungen für 15 Minuten zum Sieden erhitzt.

Bild 2: Färbelösungen
(Foto: Streller)

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Bild 3: Färbeergebnis – gefärbte Eierschalen und dazugehörige Färbemittel
(Foto: Streller)


Ergebnis: Bunte Eierschalen
Ob nun eine Farbe als schön empfunden wird oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Wir wollen nicht urteilen, ob das erzielte Rot durch Krapp oder Karmin das schönere sei. In jedem Falle aber ist die Nutzung von Krapp, Karmin, Blauholz und Safran teurer als die der anderen Naturstoffe. Die Zugabe von Essig bei der Färbung mit Blauholz führte zu einer etwas brüchigeren Schale und einem tieferen Grau. Die Alaunzugabe bei der Färbung mit Krapp führte tatsächlich wie Runge erklärte zu einer Farbänderung. Aber ist die Farbe schöner? Unsere Favoriten sind ganz klar Kurkuma, Karmin, Blauholz und die braune Zwiebel. Denn die Schale der braunen Zwiebel färbt das Ei in ein tiefes Dunkelrot, wogegen die Schale der roten Zwiebel ein braunes Ergebnis gibt.


Eier färben!
Vor dem Färben haben wir die weißen Eier in Seifenwasser richtig sauber gebürstet. Das Ansetzen der Färbelösungen erfolgte im Prinzip wie oben beschrieben, lediglich die Mengen der Färbemittel und des Wassers mussten erhöht werden. So haben wir in 150 mL-Bechergläsern die Lösungen angesetzt und darauf geachtet, dass die Eier knapp mit der Färbelösung bedeckt sind und ebenfalls 15 min zum Sieden erhitzt. Und: Wir haben nur die Färbemittel verwendet, die uns im Versuch überzeugt haben. Tipp zum Färben mit Blauholz: Da das entstandene Blauviolett sehr dunkel ist, haben wir die Vorgehensweise beim Färben der ganzen Eier verändert. Wir haben die Eier zuerst hart gekocht und anschließend für 30 Sekunden, 1 Minute und 5 Minuten in die abgekühlte Färbelösung gelegt. So haben wir die feinen Farbabstufungen (Bild 1) erzielen können. Ebenso können über die Verweildauer in der Karminlösung verschieden intensive Rottöne erzielt werden (Bild 1).


Runge poltert weiter: „irrleitend und gewissenlos“ - Faktencheck im Jahr 1857
Der in der Einleitung zitierte Artikel aus einer Berliner Zeitung besitzt noch einen zweiten Teil, den wir Ihnen anfangs vorenthalten haben:

„Bei Anwendung des Indigo und des Campecheholz ist jedoch große Vorsicht zu empfehlen, da diese Farben nicht viel weniger als Gift sind. Sollte also beim Färben die Schale eines solchen blauen oder violetten Eies springen und die Farbe sich, wenn auch nur wenig, dem inneren Ei mittheilen, so darf dasselbe nicht gegessen werden.“ [2, S. 111]

Da fragt sich nicht nur F. F. Runge wie man zwei Stoffe, nämlich Indigo und Blauholz, zum Eierfärben empfehlen kann, die giftig sein sollen. Lassen wir abschließend Runge noch einmal zu Wort kommen:

„Wie ist es nur möglich, daß eine Zeitung im Jahre 1857 noch solche Beweise von Unwissenheit geben kann! Alljährlich macht die Berliner Polizei die schädlichen und unschädlichen Farben in den Zeitungen namhaft, und unter den unschädlichen stehen auch Indigo und Campecheholz oder Blauholz (was dasselbe ist), wie sie denn auch durchaus unschädlich sind, und nun sagt doch eine in Berlin erscheinende Zeitung, die beiden Stoffe seien „nicht viel weniger als Gift“. Dies ist etwas stark. Man kann zwar nicht alles wissen und ein bißchen Unwissenheit ist erlaubt; aber mich will bedünken, der Herr Eierfärber mißbrauche diese Erlaubniß in einem hohen Grade.“ [2, S. 113]

Dass trotz alljährlicher Richtigstellungen und besseren Wissens waghalsige und falsche Behauptungen immer wieder abgedruckt werden, ist tatsächlich ärgerlich und heute mindestens so aktuell wie zu Zeiten Runges.


Literatur:
[1] Schwenk, E. F (2000). Sternstunden der frühen Chemie. 2. Aufl. Verlag C. H. Beck.
[2] Runge, F. F. (1866). Hauswirthschaftliche Briefe: 1.–3. Dutzend. Reprint der Originalausgabe, Weinheim: VCH, 1988.
[3] Schweppe, H. (1993). Handbuch der Naturfarbstoffe. Nikol Verlagsgesellschaft.


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Letzte Überarbeitung: 24. Februar 2023, Fritz Franzke