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Tipp des Monats September 2024 (Tipp-Nr. 324)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Der geheimnisvolle Streichholz-Tropfen

Sabine Streller

„Und dass bei der Verbrennung von organischen Stoffen neben CO2 noch Wasser entsteht, kann man sehen, wenn man ein Streichholz genauer beobachtet. Normalerweise ist das entstehende Wasser so heiß, dass es als Wasserdampf vorkommt. Am trockenen Streichholz allerdings bilden sich Tropfen.“ [1] So der Text in einem Videoclip auf einer bekannten Online-Videoplattform zur Frage „Was ist Feuer?“. Aber kann das wirklich sein? Ein Wassertropfen am brennenden Streichholz? In diesem Tipp wollen wir dem geheimnisvollen Tropfen schrittweise auf die Spur kommen.


Schritt 1: Ist wirklich ein Tropfen zu beobachten, wenn ein Streichholz brennt?
Wir zünden mehrere Streichhölzer verschiedener Hersteller an und tatsächlich ist zwischen der Flamme und dem unverbrannten Holz ein kleiner, farbloser Tropfen zu beobachten (Bild 1). Doch irgendwann ist der Tropfen nicht mehr zu sehen, obwohl das Streichholz noch brennt.

Bild 1: Brennendes Streichholz
(Foto: Sabine Streller)


Schritt 2: Kann das Wasser sein?
Zur Überprüfung dieser Frage haben wir ein kleines Stückchen Watesmo-Papier verwendet, das bei Kontakt mit Wasser sofort eine dunkelblaue Farbe zeigt (Bild 2). Das Stückchen Watesmo-Papier wird ganz vorsichtig so an den Tropfen gehalten, dass ein wenig Flüssigkeit vom Papier aufgesugt wird, ohne dass das Papier Feuer fängt. Bei Berührung des Streichholz-Tröpfchens blieb die Farbe des Papiers jedoch unverändert. Der kleine Fleck auf dem Watesmo-Papier „verschwand“ allerdings auch nicht, sondern verblieb wie ein Fettfleck.

Bild 2: Prüfung des Tröpfchens auf Wasser (negativ), rechts zum Vergleich positiver Nachweis mit Watesmo-Papier
(Foto: Sabine Streller)


Schritt 3: Was verrät die Streichholzschachtel?
Ein Blick auf die Streichholzschachteln verschiedener Hersteller offenbart eine Reihe von Informationen: das Herstellungsland, manchmal die verwendete Holzart, die Anzahl der Streichhölzer, dass es sich bei den Zündhölzern oder Streichhölzern eigentlich um sogenannte Sicherheitszündhölzer handelt sowie eine etwas eigenartig aussehende Nummer: EN 1783:1997+A1:2002. Die Nummer ist eine Europäische Norm, in diesem Falle für „Zündhölzer – Funktionsanforderungen, Sicherheit und Klassifikation“ [2]. In dieser Norm finden wir alle möglichen Anforderungen, die Sicherheitszündhölzer erfüllen müssen und auch den Satz: „Wenn das horizontal gehaltene Zündholz weiterbrennt, darf keine Flüssigkeit vom Zündholz tropfen“ [2]. Worum es sich bei der Flüssigkeit aber handeln könnte, wird in der Norm nicht ausgewiesen. Weiter geht die Suche nach der Zusammensetzung des geheimnisvollen Tropfens.Zur Überprüfung dieser Frage haben wir ein kleines Stückchen Watesmo-Papier verwendet, das bei Kontakt mit Wasser sofort eine dunkelblaue Farbe zeigt (Bild 2). Das Stückchen Watesmo-Papier wird ganz vorsichtig so an den Tropfen gehalten, dass ein wenig Flüssigkeit vom Papier aufgesugt wird, ohne dass das Papier Feuer fängt. Bei Berührung des Streichholz-Tröpfchens blieb die Farbe des Papiers jedoch unverändert. Der kleine Fleck auf dem Watesmo-Papier „verschwand“ allerdings auch nicht, sondern verblieb wie ein Fettfleck.


Schritt 4: Wie werden Streichhölzer eigentlich hergestellt?
Streichhölzer werden maschinell meist aus Pappelholz geschnitten, so dass sie einen quadratischen Querschnitt (ca. 2 x 2 mm) aufweisen und ungefähr 43 mm lang sind. Das Holz wird dann mit einem flammenhemmenden Mittel imprägniert [3]. Das klingt widersprüchlich, schließlich soll ein Streichholz doch brennen! Aber durch das flammenhemmende Mittel (oft wird Ammoniumphosphat verwendet) wird verhindert, dass die Streichhölzer völlig durchglühen und heiße Fragmente abfallen [3]. Ein Streichholz bleibt auch in abgebrannter Form immer in einem Stück zusammen – das kann man leicht ausprobieren. Im vorderen Bereich sind die Holzstäbchen mit Paraffin getränkt. Dadurch entsteht eine schöne, gleichmäßige Flamme, denn das Paraffin entzündet sich sehr leicht und liefert einen Großteil der thermischen Energie der Streichholzflamme. Abschließend werden die so vorbereiteten Holzstäbchen dann mit einem Ende in die Masse getunkt, die schlussendlich den Zündkopf bildet (siehe auch hier Prof. Blumes Medienangebot: Chemie im und ums Haus). Könnte das Tröpfchen also Paraffin sein? Da Paraffin nur im vorderen Teil des Holzschaftes aufgetragen wird, würde das auch das „Verschwinden“ des Tröpfchens erklären.


Schritt 5: Indirekter Nachweis: Das Tröpfchen ist flüssiges Paraffin!
Um Paraffin indirekt und mit einfachen Mitteln nachzuweisen, haben wir zwei Versuche durchgeführt.

A) Wenn Paraffin den vorderen Teil des Streichholzes umhüllt, müsste dieser Teil des Streichholzes wasserabweisend sein, da Paraffin als ein Vertreten der gesättigten, aliphatischen Kohlenwasserstoffe hydrophob ist. Ein kleiner Wassertropfen sollte also auf der wasserabweisenden Oberfläche einfach liegenbleiben, während er im hinteren Teil ohne Paraffin langsam das Holz durchnässt (Bild 3).

Bild 3: Wassertröpfchen, mit Lebensmittelfarbe gefärbt, auf vorderem und hinterem Teil von Sicherheitszündhölzer verschiedener Hersteller (links direkt nach dem Auftropfen, rechts nach 30 Minuten)
(Foto: Sabine Streller)

B) Paraffin schmilzt bei ca. 40-80 °C [4]. Legt man ein Streichholz auf eine heiße Oberfläche (Kristallisierschale mit siedendem Wasser, bedeckt mit einer Petrischale und einem Filterpapier) müsste das Paraffin schmelzen und auf dem Filterpapier einen Fleck hinterlassen. Die Zündköpfe sind abgeknipst, damit die Streichhölzer ganz plan auf dem Filterpapier liegen (Bild 4). Ein kleines Stückchen Paraffin aus einem Teelicht dient als Vergleich und zeigt einen ähnlichen Schmelzbereich und einen ähnlichen Fleck auf dem Filterpapier (ohne Bild).

Bild 4: Zwei Sicherheitszündhölzer verschiedener Hersteller auf einem erhitzten Filterpapier (rechts – Ergebnis nach 20 Minuten)
(Foto: Sabine Streller)

Fazit: Das farblose Tröpfchen, das wir beim Brennen eines Streichholzes beobachten können, ist auf jeden Fall kein Wasser, sondern sehr wahrscheinlich geschmolzenes Paraffin. Schade, dass die Autor*innen des hier zitierten angeblichen Erklärvideos ihre verbreiteten „Fakten“ vorab nicht ein wenig genauer prüfen.


Literatur:
[1] brainfaqk (2016): „Was ist Feuer? ft. Techtastisch“; https://www.youtube.com/watch?v=0AXeACqEMIM (Zugriff 4. Juni 2024)
[2] Europäische Norm EN 1783:1997/A1. Deutsche Fassung (Dezember 2002). Zündhölzer - Funktionsanforderungen, Sicherheit und Klassifikation.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Streichholz
[4] https://gestis.dguv.de/data?name=092540


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Letzte Überarbeitung: 30. August 2024, Fritz Franzke