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Abb. 32: Kurzer Überblick über den Abbau der Glucose

4.2.2 Oxidativer Abbau der Glucose bis zu Acetyl-CoA

Der oxidative Abbau der Glucose zu Kohlendioxid und Wasser umfasst die folgenden Reaktionsgruppen (-> Abb. 32):

A. Glykolyse

Die Glykolyse ist der oxidative, aber anaerobe Abbau von Glucose zu Brenztraubensäure und reduzierenden Äquivalenten [H]:

C6H12O6 ———> 2 CH3-CO-COOH + 4 [H]

Folgende Punkte sind zum Verständnis der chemischen Abläufe wichtig:

1. Jeder Reaktionsschritt wird durch mindestens ein Enzym katalysiert.
2. Die Oxidation erfolgt nicht durch Reaktion mit Sauerstoff, sondern durch schrittweises Abspalten von Reduktionsäquivalenten [H]. Diese werden vom Substrat auf NAD+ (Nicotinsäureamiddinucleotid) übertragen und liegen anschließend gebunden als NADH vor:

Substrat-H2 + NAD+ ———> Substrat (ox) + NADH + H+

Primäres Oxidationsmittel der Biochemie ist also NAD+ und nicht Sauerstoff.

3. Die Oxidationsenergie wird durch Bildung von ATP aus ADP und Phosphat abgefangen.
4. Sauerstoffatome, die in die Substrate eingebaut werden, stammen aus dem Wasser, das an Doppelbindungen addiert wird. Kohlendioxid entsteht bei Decarboxylierungen.

Der Ablauf der Glykolyse kann kurz wie folgt dargestellt werden (-> Abb. 33):
Glucose wird mit dem Blut ins Gewebe transportiert. Unter Mitwirkung des blutzuckersenkenden Hormons Insulin wird sie unter gleichzeitiger Phosphorylierung durch ATP in die Zelle eingeschleust. Es folgt Isomerisierung der Glucose zu Fructose. Mit einem weiteren ATP bildet sich Fructose-1,6-diphosphat. Bis hierhin ist ATP ausschließlich investiert worden.

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Abb. 33: Chemische Reaktionen der Glykolyse

Dieser Zuckerester wird gespalten in zwei C3-Segmente, die miteinander im chemischen Gleichgewicht stehen und von denen sich die Komponente Glycerinaldehyd-3-phosphat oxidativ in Glycerinsäure-3-phosphat umwandelt.

Die Oxidation von Glycerinaldehyd erfolgt unter gleichzeitiger Bildung eines Säureanhydrids zwischen der gebildeten Glycerinsäure und Phosphorsäure. Dieses wird unter ATP-Bildung gespalten, es bildet sich Glycerinsäure-3-phosphat. Es erfolgt Umlagerung zu Glycerinsäure-2-phosphat und anschließend Wasserabspaltung (Dehydratisierung) zu Phosphorenolbrenztraubensäure. Diese stellt aufgrund des sauren Charakters von Enolen ebenfalls ein energiereiches Säureanhydrid mit Phosphorsäure dar, das wieder unter ATP-Bildung gespalten wird. Es resultiert das Endprodukt der Glykolyse, die Brenztraubensäure.

Die Bilanz der Glykolyse ist (P bezeichnet Phosphat oder Phosphorsäure):

B. Rückgewinnung von NAD+. Gärung und Atmung

Als Problem macht sich bei der Glykolyse rasch das Anhäufen von NADH und somit der Mangel am Oxidationsmittel NAD+ bemerkbar, da dessen Konzentration in der Zelle gering ist. Damit sollte die Glykolyse nach kurzem Anlaufen zum Stillstand kommen. Die Zellen müssen folglich ständig NAD+ regenerieren. Dies ist grundsätzlich auf zwei Wegen möglich, deren Richtung vom Redoxmilieu des Reaktionsortes abhängt:

a) Bei Sauerstoffmangel (anaerobes Milieu, z. B. im eutrophierten See, im Dünndarm oder im schlecht durchbluteten Muskel) wird NAD+ aus NADH durch Reduktion von End- oder Zwischenprodukten der Glykolyse zurückgebildet (Gärung). Diese vertreten den Sauerstoff als Oxidationsmittel, wobei sie selbst reduziert werden. Dabei ist der Energiegewinn nur minimal. Einige Beispiele hierfür sind:

Acetaldehyd + NADH + H+ ———> Ethanol + NAD+
Pyruvat + NADH + H+ ———> Milchsäure + NAD+
Glycerinaldehyd + NADH + H+ ———> Glycerin + NAD+

Die Produkte werden an das äußere Milieu abgegeben, wobei sie als nunmehr reduzierende Stoffe die Umgebung noch anaerober einstellen. So kann ein See schließlich "umkippen".

Bakterien können an dieser Stelle auch Sulfat-Ionen reduzieren, wobei sie den für anaerobe Umgebungen typischen Schwefelwasserstoff bilden:

SO42¯ + 10 [H] ———> H2S + 4 H2O + Energie

Andere Wege führen vom Nitrat zum giftigen Nitrit, was auch im Darm von Kleinkindern abläuft:

NO3¯ + 2 [H] ———> NO2¯ + H2O + Energie

b) Bei Sauerstoffanwesenheit (aerobes Milieu) wird NAD+ durch Oxidation von NADH mit Hilfe von freiem Sauerstoff zurückgebildet (Atmung):

NADH + H+ + ½ O2 —...—> NAD+ + H2O + Energie

Dieser Weg (die Atmungskette; -> 4.2.4) ist energetisch wesentlich effektiver als die Gärung.

Abb. 34: Stoffwechselschaltstelle Acetyl-CoA

C. Aktivierte Essigsäure

Aktivierte Essigsäure (im Biochemikerjargon Acetyl-CoA genannt) stellt eine wichtige Schaltstelle im Stoffwechsel dar (-> Abb. 34). Sie entsteht auch beim Abbau der Fettsäuren, bei der Oxidation von Glycerin und Ethylalkohol sowie beim Abbau von Aminosäuren. Andererseits ist die aktivierte Essigsäure wiederum Grundbaustein für Fettsäuren. Hier liegt der Zusammenhang zwischen zuviel Nahrung, Alkohol und dem Fettansatz begründet. (Das Glycerin für die Fettsynthese wird ebenfalls aus der Glykolyse abgezweigt.) Aktivierte Essigsäure ist auch Grundbaustein für die Synthese von Cholesterin, Nebennierenrinden- und Sexualhormonen sowie Prostaglandinen. In den Pflanzen bilden sich aus aktivierter Essigsäure Terpene, Carotinoide, Kautschuk und Lignin.

Aktivierte Essigsäure ist nicht nur Synthesebaustein, sondern wird weiterhin zur Energieumwandlung oxidativ abgebaut. Auch dabei werden Reduktionsäquivalente [H] und ATP gebildet, und zwar wesentlich mehr, als bislang im Verlauf der Glykolyse entstanden sind. Dies geschieht mit Hilfe des Citronensäurezyklus. Dieser wird auch Tricarbonsäurezyklus genannt.


4.2.3 Citronensäurezyklus (Tricarbonsäurezyklus)

Die Oxidation von Essigsäure (bzw. Acetyl-CoA) wird durch die folgende Gleichung beschrieben:

CH3COOH + 2 H2O ———> 2 CO2 + 8 [H] + Energie

Auch diese Oxidation läuft schrittweise ab, um die Energieausbeute zu optimieren. Die Reaktionssequenz ist einer der schönsten biochemischen Katalyse-Kreisläufe, der Citronensäurezyklus (-> Abb. 32 und 35).

Der Kreislauf dient dazu, Essigsäure zu CO2 und Reduktionsäquivalenten [H] abzubauen und das Startmolekül Oxalessigsäure zurückzugewinnen.

Die Reaktionen können kurz wie folgt beschrieben werden (-> Abb. 35):

Aktivierte Essigsäure wird auf Oxalessigsäure übertragen, wobei sich Citronensäure bildet. In den nächsten zwei Schritten wird Citronensäure zu Isocitronensäure umgelagert. Diese wird mit NAD+ oxidiert, wobei eine instabile Verbindung gebildet wird, die unter Bildung von a-Ketoglutarsäure CO2 abspaltet (decarboxyliert).

Die Ketoglutarsäure wird erneut unter Mitwirkung von NAD+ oxidativ decarboxyliert, wobei Bernsteinsäure entsteht. (Hierbei wird die Oxidationsenergie erstmals direkt als ATP abgefangen.) Aus Bernsteinsäure werden zwei H-Atome abgespalten. Diese Dehydrierung führt zu Fumarsäure. (Das Oxidationsmittel ist diesmal FAD.)

An Fumarsäure wird ein Molekül Wasser addiert: Äpfelsäure entsteht. (Dies ist ein Beispiel für nichtoxidative Einführung eines Sauerstoffatoms. Der Sauerstoff hat seine Oxidationszahl nicht geändert.) Äpfelsäure wird mit NAD+ zu Oxalessigsäure oxidiert. Damit ist der Zyklus geschlossen.


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Abb. 35: Citronensäurezyklus

Zwischenbilanz des Glucoseabbaus:

Der Abbau der Glucose ist bis jetzt folgendermaßen verlaufen (ab Acetyl-CoA muss alles doppelt gezählt werden):

C6H12O6 + 6 H2O ———> 6 CO2 + 24 [H] + 4 ATP

Die Reduktionsäquivalente [H] liegen als NADH + H+ (bzw. FADH2) vor.


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Abb. 36: Reaktionsschema der Atmungskette


4.2.4 Die Endoxidation. Atmungskette

Abschließend wird der als [H] vorliegende Wasserstoff mit Atmungssauerstoff zu Wasser oxidiert. Dabei wird der größte Teil des Energiegehaltes unserer Lebensmittel ausgeschöpft. (Der evolutionäre Grund wird gewesen sein, dass hier ein Mittel gefunden wurde, den zellschädigenden Sauerstoff abzubauen.) Das hierfür zuständige Zellorgan ist das Mitochondrium mit der Atmungskette, deren Reaktionsschema die Abb. 36 zeigt.

Zur Oxidation von Wasserstoff sind drei Wege denkbar und realisiert:

1. Knallgasreaktion
Der Vergleich mit der Verbrennung von Wasserstoff, bei der nur wertlose Licht- und Wärmeenergie entstehen, liegt nahe. Die Reaktion bei dieser Knallgasreaktion läuft lawinenartig und deshalb ungesteuert ab (-> Abb. 37a). Denken Sie an die Knallgasexplosionen von Lakehurst, Cape Kennedy oder Tschernobyl:

H2 + ½ O2 ———> H2O; D H = - 239 kJoule

2. Atmungskette
Dagegen erfolgt die Oxidation von NADH mit Hilfe einer komplizierten enzymatischen Reaktionssequenz, der Atmungskette (-> 37b):

NADH + H+ + ½ O2 ———> NAD+ + H2O; D H = - 218 kJoule.

(Der Wert der freigesetzten Energie ist geringer, weil NADH bereits eine oxidierte Form von Wasserstoff ist.)

Die Ausbeute an nutzbarer Energie wird gesteigert, indem der Redoxprozess zwischen NADH/H+ und O2 in einer Serie von Reaktionsschritten zerlegt wird, wobei die Wege für Wasserstoff und Elektronen getrennt verlaufen.

Von den maximal möglichen 218 kJoule werden etwa 130 kJoule als chemische Energie (Freie Energie) in Form von 3 Mol ATP abgefangen. Die restliche Energie wird als Körperwärme freigesetzt. Das bedeutet einen Wirkungsgrad von über 60 %.

Abb. 37a, 37b: Energieschema der Knallgasreaktion und der Atmungskette im Vergleich

3. Brennstoffzelle
Ein technisch verwirklichter Kompromiss zwischen beiden Reaktionsabläufen ist die Knallgaszelle, bei der die Oxidation von H2 und die Reduktion von O2 getrennt an zwei katalytisch wirkenden Edelmetalloberflächen ablaufen (-> Abb. 38). Zwischen beiden Elektroden baut sich die Spannung 1,23 V auf, bei Kurzschluss oder Einschalten eines Verbrauchers fließt Strom. In diesen sog. Brennstoffzellen kann man bei vorsichtiger Führung Wirkungsgrade von fast 100 % erreichen. (Als Reduktionsmittel verwendet man anstelle von Wasserstoff auch Glucose, Milchsäure oder sogar Kohlenwasserstoffe.)

Abb. 38: Knallgaszelle

Die Reaktionen der Atmungskette

Zunächst wird NADH durch FMN oxidiert, FMNH2 durch Ubichinon (-> Abb. 36). Ab dieser Stelle verlaufen Elektronentransport und Protonentransport getrennt:

Abb. 39: Feinmechanismus der Redoxreaktionen von Ubichinon

Beide (sowohl H+ als auch e¯) werden letztlich auf Sauerstoff übertragen. Das Transportsystem für die Elektronen besteht aus einer ganzen Reihe (ETC) von eisenhaltigen Proteinen, den Cytochromen, deren Eisen-Ionen beim Elektronentransport nur einem Ladungswechsel unterliegen:

Dabei erfolgt eine Abschwächung des stark negativen Potentials der Elektronen durch stufenweise Anhebung über Fe3+/Fe2+-Redoxgleichgewichte mit dem Ziel, die dabei freiwerdende potentielle Energie als ATP abzufangen.

An letzter Stelle steht die Cytochromoxidase mit dem Cyt a/a3, einem Fe- und Cu- haltigen Enzym. Hier erfolgt die Reduktion des finalen Elektronenakzeptors, des Sauerstoffs:

½ O2 + 2 e¯ ———> O2¯

Das negative Sauerstoff-Ion reagiert mit den Protonen zu Wasser, einem der Endprodukte des Glucoseabbaus:

O2¯ + 2 H+ ———> H2O

Endbilanz der Glucoseoxidation

Pro Mol Glucose wurden je 6 Mol Wasser und CO2 sowie 38 Mol ATP gewonnen:

C6H12O6 + 6 O2 + 38 (ADP + P) ———> 6 CO2 + 6 H2O + 38 ATP


4.2.5 Zusammenhänge des Citronensäurezyklus mit anderen Stoffwechselwegen

Mit dem Citronensäurezyklus sind andere Stoffwechselwege verwoben. Dies gilt besonders für Aminosäuresynthese, -umbau und -abbau sowie für den Stoffwechsel der Nucleinsäurebasen als auch für den Harnstoffzyklus. Als Ausscheidungsprodukte entstehen vor allem Ammonium-Ionen und Harnstoff. Letzterer entsteht im Harnstoffzyklus, der über Asparaginsäure/Oxalessigsäure mit dem Citronensäurezyklus verbunden ist, nach folgender formaler Reaktion:


4.2.6 Regelung einiger Reaktionen

Die Reaktionen des Abbaus von Glucose und die Endoxidation werden vor allem energetisch und stofflich gesteuert. Beispiele sind unter vielen anderen:

Die Atmungskette wird aktiviert durch:


4.2.7 Einige Beispiele für Vergiftungsmechanismen

- Nitrophenol als Schilddrüsenhormon-Analoges entkoppelt die Atmungskette; es wird nur Wärme produziert.
- Arsenat konkurriert in der Atmungskette mit Phosphat um den ATP-Syntheseplatz, ohne aber eine Bindung einzugehen; Wärmefreisetzung ist die Folge.

Arsenat hemmt auch die oxidative Decarboxylierung von a-Ketoglutarsäure.

- CO, H2S, CN¯ komplexieren irreversibel das Eisen-Ion in der Cytochromoxidase, so dass ein Wertigkeitswechsel nicht mehr möglich ist.
- Fluorid-Ionen hemmen den Citronensäurezyklus. Dies betrifft auch Bakterien (Kariesprophylaxe).

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Letzte Überarbeitung: 25. April 2012, Dagmar Wiechoczek