3 Atommassen und Molbegriff
Zink und Schwefel reagieren in einer eindrucksvollen Reaktion zu Zinksulfid:
Abb. 3: Reaktion von Zink und Schwefel
Man darf zum Erreichen einer optimalen Reaktion nicht einfach Zink mit der gleichen Masse an Schwefel mischen, sondern muss erfahrungsgemäß nur halb soviel Schwefel einsetzen. Der Grund: Bei chemischen Reaktionen reagieren Teilchen miteinander, in diesem Fall je ein Zinkatom mit einem Schwefelatom.
Atome sind je nach Elementart leichter oder schwerer. Ein Zinkatom ist doppelt so schwer wie ein Schwefelatom, da es die doppelte Anzahl von Nukleonen enthält. Deshalb reagieren beispielsweise 2 g Zink mit 1 g Schwefel optimal, weil dann jedes Zinkatom ein Schwefelatom als Reaktionspartner hat.
Um die optimale Zusammensetzung von Reaktionsgemischen zu berechnen, ist es also zweckmäßig, ein Maß für die Zahl der reagierenden Teilchen zu verwenden.
Zur Berechnung muss man wissen, wie viel ein Atom wiegt (besser: welche Masse es hat). Da diese Massen sehr klein sind (sie liegen für Wasserstoff bei 1,67 · 10¯24 g), ist es besser, ein Vielfaches davon zu nehmen. Man weiß, da die Zahl der Atome, die in einem Gramm Wasserstoff enthalten sind, 6,023 · 1023 beträgt. Diese Stoffportion nennt man ein Mol. Hierauf bezieht man die Mengenangaben für die anderen Elemente. So haben 6,023 · 1023 Atome von Kohlenstoff die molare Masse 12 g mol¯1, weil ein C-Atom 12x schwerer ist als ein Wasserstoffatom. (Wegen der leichteren Bestimmbarkeit bezieht man heute die Atommassen auf den Kohlenstoff.)
Die Masse von 1 Mol eines Elements heißt Atommasse oder auch molare Masse (g mol¯1; meistens lässt man die Dimension einfach weg). Die Atommasse berechnet sich grob aus der Zahl der Protonen p und Neutronen n; beide haben in etwa die Atommasse 1. Die Atommassen der Elemente sind häufig im PSE vermerkt.
Beispiele: Wasserstoff besteht nur aus einem Proton und hat deswegen die Molmasse 1. Helium besteht aus 2 p und 2 n, hat also die Atommasse 4. Kohlenstoff besteht aus 6 p und 6 n; seine Atommasse ist 12. Die Molmasse von Zink ist 64, die von Schwefel 32. Das Verhältnis dieser Massen ist 2 : 1, eben die optimale Reaktionsmischung zur ZnS-Bildung.
Die Atommassen sind im Allgemeinen keine ganze Zahlen. Einer der Gründe hierfür ist, dass jedes Element aus unterschiedlich schweren Atomen, den Isotopen, aufgebaut ist.
Isotope nennt man Atomarten eines Elementes mit unterschiedlicher Neutronenzahl. Beispiele sind die wichtigsten Uranisotope mit der Massenzahl 234 (0,0056 %), 235 (0,7205 %) und 238 (99,2739 %). Letzteres ist das weitaus häufigste Isotop, aber nicht spaltbar, während Uran-235 als spaltbares Material in Kernreaktoren eingesetzt wird. Aus Uran-238 wird dagegen das spaltbare Plutonium-239 "erbrütet". (Dies ist ein mit Aktivierung vergleichbarer Prozess; -> 10.2.)
Aus den Atommassen der beteiligten Elemente wird die Molmasse
einer Verbindung berechnet.
Einige Beispiele:
Kohlendioxid | CO2 | 12 + 2 · 16 = 44 g · mol¯1 |
Wasser | H2O | 16 + 2 · 1 = 18 |
Schwefelsäure | H2SO4 | 98 |
Calciumhydroxid | Ca(OH)2 | 74 |
Ethanol | CH3-CH2OH | 46 |
Vom Sinn der Molmasse - ein Beispiel aus der Toxikologie
Die Molmasse ermöglicht dem Chemiker tatsächlich die Giftigkeit einer Substanz zu beurteilen. Die Molmasse ist damit eine logische Dosisangabe. Denn sie gestattet anzugeben, wie giftig ein Molekül der Verbindung ist. Dies soll am folgenden Beispiel erläutert werden.
In der Umweltchemie wird leider meistens nur mit Relativzahlen wie
ppm und ähnlichen Angaben gearbeitet, die dazu noch auf
wechselnde Standards wie 1 kg Lebendgewicht, 1 m3 Luft oder
andere Mengen von betroffenen Medien bezogen werden. Vergleichende Toxizitäten
sind aber nur dann sinnvoll, wenn man die
Anzahl der giftigen Teilchen kennt, die eine bestimmte Wirkung auf
eine wohldefinierte Menge betroffenen Materials (z. B. eine Zelle)
auslösen. So kann man Botulinus-Toxin A, ein riesiges Eiweißmolekül
mit der Molmasse von 900.000 in der relativen Toxizität kaum mit
dem Sevesogift TCDD (Molmasse 320) oder Natriumcyanid NaCN
(Molmasse 49) vergleichen, wenn man nur mit ppm oder µg/kg
Lebendgewicht arbeitet (-> erste Spalte in Tab. 5).
Tab. 5: Vergleichende Toxizitäten
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
Substanz |
Geringste LD g/kg Lebend- gewicht |
Molmasse g mol¯1 |
Geringste LD mol/kg Lebend- gewicht |
Zahl der Moleküle/LD pro kg Lebend- gewicht |
Zahl der Moleküle/LD für einen Menschen |
Zahl der Moleküle/LD pro Zelle |
Botulinus- Toxin A |
3 · 10¯11 | 9 · 105 | 3,3 · 10¯17 | 2 · 107 | 1,5 · 109 | 1,5 · 10¯5 |
TCDD | 1 · 10¯6 | 320 | 3,1 · 10¯9 | 2 · 1015 | 1,5 · 1017 | 1,5 · 103 |
NaCN | 1 · 10¯2 | 49 | 2,1 · 10¯4 | 1,3 · 1020 | 1022 | 108 |
Verhältnis- zahlen ... |
... der Massen: 3 : 105 : 109 |
... der Moleküle: 1 : 108 : 1013 |
*) LD bedeutet letale Dosis
Während sich die relativen Toxizitäten, in g/kg angegeben, wie 3 : 105 : 109 verhalten, sind die abgerundeten auf die Mol- oder Molekülzahl bezogenen Relativzahlen 1 : 108 : 1013 ! Das heißt, ein Molekül Botulinus-Toxin A hat die gleiche Giftwirkung wie 100 Millionen TCDD-Moleküle oder 10 Billionen Cyanid-Ionen aus Natriumcyanid.
Berechnet man noch die Zahl der Moleküle in der für einen 75 kg schweren Menschen letalen Dosis, so erhält man die Werte der 6. Spalte in Tab. 5.
Von Interesse ist weiter, wie viele Moleküle für eine Zelle toxisch sind. Der Mensch hat ca. 1014 Zellen. Man teilt zur Berechnung der Zelldosis die Werte der Spalte 6 durch diese Anzahl und erhält die Molekülzahl der LD für eine Zelle (-> Spalte 7).
Das Ergebnis kann wie folgt interpretiert werden: Botulinus-Toxin A wirkt nicht auf jede, sondern hochspezifisch auf einzelne Zellen oder Zellbestandteile, hier auf die Synapsen. TCDD wirkt in einer Größenordnung von ca. 1000 Molekülen pro Zelle; dies ist die für Hormone typische Zahl (entsprechend der Menge an verfügbaren Rezeptoren). Natriumcyanid ist dagegen eine Substanz, die eine Vielzahl von verschiedensten, eisenhaltigen Enzymen angreift und deshalb eher allgemein vergiftend wirkt.