Die Zitrone in der Werbung

Wenn man durch einen Supermarkt geht, begegnen einem Zitronen auf Schritt und Tritt. Nicht nur am Fruchtstand. Zitronen sind allgegenwärtig: Da wirbt man für Fußboden-Reinigungsmittel mit Zitronenfrische. Und auch das Geschirrspülmittel ist ohne Zitronenduft kaum mehr denkbar. Was wären viele Entkalker ohne Citronensäure (auch wenn das überhaupt nichts nützt, weil beim zum Entkalken notwendigen Erhitzen Calciumcitrat als schwerlösliches Salz ausfällt... (-> Versuch))? Abbildungen von Zitronen auf Packungen sind Anmacher für potentielle Kunden.

Hat einer von den Werbeleuten schon einmal daran gedacht, dass Kinder diese Werbeabbildungen missverstehen könnten? Flüssigkeiten mit Zitronenlogo: Das muss doch geradewegs als Aufforderung zum Trinken verstanden werden! Mir fällt dazu nur noch der Unsinn mit dem weihnachtlichen Duftlampen-Öl ein, der nicht wenigen Kleinkindern nach kräftigem Schluck aus der Vorratspulle schöne weihnachtliche Krankenhausaufenthalte und erinnerungsstiftende Dauerschäden beschert hat...

Helfen Bitterstoffe?
Neuerdings wirbt man mit Bitterstoffen, die man Reinigungsmitteln zufügt, deren Behältnisse mit Abbildungen von Zitronen oder Äpfeln verziert sind. Die sollen Kinder vom Trinken des Reinigungsmittels abhalten (das plant man wenigstens): Nehmen die Kids einen Schluck aus der Pulle, so sollen sie das Ganze reflektorisch ausspucken (so wie unsereins sein sommerliches Bier, in dem eine Wespe schwimmt). Das hat man der Natur abgeguckt: Denn auch Pflanzen entwickeln Bitterstoffe gegen Fressfeinde [27].

Es wäre ja alles gut - wenn da nicht der erste Schluck wäre - wie tief geht der eigentlich? Wie viel vom Reiniger gluckert letztlich doch in die extrem empfindliche Speiseröhre?

Hinzukommt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die Bitterstoffe gar nicht abschrecken können: Diese haben nämlich gar kein Geschmacksempfinden für Bitter. Die sind sozusagen "bitterblind". Die verspeisen locker auch eine Ladung von 100 g Bittermandeln voller Amygdalin: Dieser bittere Naturstoff setzt bei der säurekatalysierten Hydrolyse im Magen neben dem leckeren Marzipan-Aromastoff Benzaldehyd ("Bittermandelöl") auch Blausäure frei.

Hydrolyse von Amygdalin

Die Blausäure von 5-7 Bittermandeln soll ein Kind umbringen können. Und das auch, wenn die Mandeln aus garantiert biologischem Anbau stammen! (Ähnliche Substanzen gibt es auch in den Kernen von Kirschen, Äpfeln, Pfirsichen und Aprikosen sowie in frischen Keimlingen von Sojabohnen.)

Wenn wir schon bei Sinnestäuschungen sind: Benzaldehyd und Blausäure riechen merkwürdigerweise beide völlig identisch und gleich gut - nämlich nach Marzipan. Und das trotz völlig unterschiedlicher chemischer Strukturen. Beim Nitrobenzol, das ebenso riecht, kann man ja eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit erkennen.

Es gibt übrigens auch Leute, die kein Geruchsempfinden für Blausäure haben. Zur Beruhigung der Liebhaber von Marzipan oder von Weihnachtsstollen: Die Blausäure wird unter deren Herstellungsbedingungen entweder ausgespült und/oder zerstört und dabei in Backpulver umgewandelt.

HCN + 2 H2O + ½ O2 ———> NH4HCO3

Last but not least: Mein Tipp für die Hersteller
Verzichten Sie einfach auf Ihre Werbung mit Zitronen- und anderweitiger Fruchtfrische! Und weil es in Deutschland nicht anders geht: Wo bleibt eigentlich der Gesetzgeber?


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Literatur


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Letzte Überarbeitung: 29. April 2010, Dagmar Wiechoczek