Biosynthese von Stärke und Glykogen

Experimenteliste zu den Kohlenhydraten

Wenn Monosaccharide über eine acetalische Bindung verknüpft werden sollen, ist das zumindest im Labor eine schwierige Sache. Zwar befindet sich die halbacetalische Hydroxylgruppe energetisch auf höherem reaktivem Niveau als eine alkoholische, aber das reicht zur spontanen Synthese von Kohlenhydraten höherer Ordnung nicht aus. Außerdem ist die Reaktion endotherm. Keiner würde erwarten, dass man Stärke herstellen könnte, indem man einfach Glucose erhitzt. Erwärmen reicht nicht aus. Man muss schon etwas schonender an die Sache herangehen.

Man muss die Monosaccharide aktivieren, sie also bindungsbereit machen. Das bedeutet Energiezufuhr. In der Natur wird die Energie mit Hilfe der bekannten Energiewährung der Zelle übertragen: ATP und – wie wir hier sehen – auch UTP. Bei der Stärkebildung wird ein ADP-Rest an das C1-Atom der Glucose gebunden, bei der Glykogensynthese nimmt dessen Platz UDP ein.

Genau genommen wird zunächst mit Hilfe von ATP Glucose-6-Phosphat (Enzyme: Glucokinase bzw. Hexokinase) gebildet, das durch die Phosphoglucomutase zu Gluc-1-Phosphat umgelagert wird.

Glucose + ATP ———> Gluc-6-P + ADP

Gluc-6-P ———> Gluc-1-P

Gluc-1-P wird mit ATP (bzw. UTP) und unter Abgabe von anorganischem Pyrophosphat (PPi) zu ADP- bzw. UDP-Gluc kondensiert.

Stärke ATP + Gluc-1-P -> ADP-Gluc + PPi
Glykogen UTP + Gluc-1-P -> UDP-Gluc + PPi

Die Glucosyl-Reste werden über das halbacetalische C1-Atom esterartig an die endständige Phosphorsäure des Nucleotids gebunden.

UDP-O-C1-Gluc-C4-OH

Damit befinden sich die Oligo- und die Polysaccharide auf einem hohen Energieniveau. Das Dinucleotid dient als aktivierende Gruppe.

(Hinzu kommt, dass die ADP- bzw. UDP-Reste zugleich Schutzgruppen für das halbacetalische, aktive C-Atom sind. So wird z. B. die Glucuronsäure hergestellt, indem die Zelle die UDP-Glucose am freien C6 oxidiert. Dann wird das UDP von C1 abgespalten.)

Schließlich läuft die Synthese von Glykogen folgendermaßen ab:

UDP-O-C1-Gluc-C4-OH + HO-C4-Gluc-C1-O-Glykogen -> UDP-O-H + HO-C4-Gluc-C1-O-C4 -Gluc-C1-O-Glykogen

Diese Reaktion ist exotherm. Mit ATP wird das UDP jedoch wieder in UTP umgewandelt und kann dann mit einem weiteren Glucose-1-P-Molekül reagieren. Damit ist die Gesamtreaktion endotherm.

Die Synthese von Glykogen ist ein komplizierterer Vorgang als hier dargestellt. Die beteiligten Enzyme befinden sich alle räumlich nahe beieinander, so dass man von einem Synthesekomplex sprechen kann. Hinzu kommt, dass für jedes Glykogenmolekül ein Protein als Starter (ein so genannter Primer) vorhanden sein muss.


Wie bilden sich Verzweigungen?
Zur Bildung von Seitenketten gibt es ein Verzweigungsenzym, die Glucosyl-(4 -> 6)-Transferase. Diese schneidet simultan zur Bildung der Kette aus den bislang fertigen Bereichen Stücke aus und bindet sie an das C6 eines Glucoserests.


Warum überhaupt machen die Pflanzen und Tiere Stärke bzw. Glykogen?
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.

1 Gelöste Monosaccharide zeigen einen starken osmotischen Effekt. Der sich in Zellen aufbauende osmotische Druck ist direkt proportional zur Zahl der gelösten Teilchen. Das kann so weit führen, dass die Zellen aufgrund der Wasseraufnahme platzen. Das kennen wir von den süßen Kirschen, die in Regen geraten.
Mit Hilfe der Synthese von Polysacchariden wird die Teilchenzahl drastisch verringert. Es baut sich kaum osmotischer Druck auf.
2 Dass sich die Oligo- und die Polysaccharide als Acetale bereits auf einem hohen Energieniveau befinden, ist für die umgekehrte Reaktion, die Spaltung, von Vorteil. Es handelt sich hier nicht um eine Hydrolyse, sondern um eine exotherme Phosphorolyse.

Glykogen-Gluc + Pi ———> Glykogen + Gluc-1-P

Die Glucose kann in Muskel und Leber ohne Energieaufwand sofort mobilisiert werden, da sie dabei bereit als Gluc-1-P anfällt. Im Muskel wird diese in die energieliefernde Glykolyse eingeschleust. In der Leber wird Gluc-1-P dephosphoryliert und als Blutzucker abgegeben.

Auch zur Verdauung von Polysacchariden im Mund sowie im Darmtrakt ist keine zusätzliche Energie notwendig. Denn diese echte Hydrolyse-Reaktion ist exotherm. Allerdings ist die Aktivierungsenergie sehr groß. Glücklicherweise verfügen die Organismen über effektive Enzyme (1,4- und 1,6-Amylasen), die als Katalysatoren die Aktivierungsenergie so stark absenken, dass die Hydrolyse auch bei tiefen Temperaturen erfolgen kann.


Cellulose
Die Biosynthese der Cellulose ist noch nicht ganz verstanden worden. Letztlich läuft sie so ähnlich ab wie die der Stärke. Auch hier gibt es einen Synthesekomplex.


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Letzte Überarbeitung: 08. Dezember 2013, Dagmar Wiechoczek