Komplexe in der Technik

Experimente:
Versuch: Extraktion und Reextraktion von Cu-Ionen mit Benzoesäure


Gewinnung von Metallen
Viele Metallkomplexe finden ihre Bedeutung bei technischen Verfahren, zur Gewinnung reiner Metalle. Dabei wird oft deren Löslichkeit benutzt, um zum Beispiel Metall-Ionen aus Erzen abzutrennen.

Aluminium
Bauxit ist ein in der Natur vorkommendes Gemisch aus Aluminiumoxid und Eisen(III)-oxid, Silicium- und Titanverbindungen.

Bild 1: Bauxit aus Les Baux / Frankreich
(Foto: Blume)


Um aus Bauxit reines Aluminium zu gewinnen, wird dieses zunächst pulverisiert und mit konzentrierter Natronlauge aufgeschlossen. Dadurch bildet sich der wasserlösliche Komplex Tetrahydroxoaluminat.

Al(OH)3 + OH- [Al(OH)4]-

Durch die stark alkalische Lösung löst sich hierbei auch lediglich das amphotere Aluminiumoxid. Denn das Gleichgewicht bei der Bildung eines Salzes aus Metallhydroxid und Lauge liegt beim Eisen ganz auf der Seite des Hydroxids, während es beim Aluminium genau umgekehrt ist. Alle anderen Verunreinigungen samt dem Eisen(III)-hydroxid bleiben als Rotschlamm zurück.
Die übriggebliebene Natriumaluminatlösung wird daraufhin verdünnt, durch Einleiten von CO2 neutralisiert und abgekühlt, wobei das Aluminiumhydroxid wieder ausfällt.
In weiteren Schritten wird das Hydroxid zu Oxid verglüht, das daraufhin durch eine Schmelzflusselektrolyse zu reinem Aluminium reduziert wird.
Nähere Informationen findest du auch auf der Seite Aluminiumgewinnung.


Gold und Silber
In vielen Lagerstätten findet man Gold oder Silber elementar, also in metallischer Form. Leider sind die beiden Edelmetalle in ihren Vorkommen immer sehr gering konzentriert, so dass man die Metalle mühsam herauslösen muss. Mit Säuren wie Königswasser ist das allein schon aufgrund der Menge an Gestein unmöglich. Auch die Abtrennung durch Amalgambildung mittels Quecksilberextraktion ist sehr aufwendig. Man hat aber einen genialen Trick gefunden, das Verfahren der Cyanidlaugerei.
Man behandelt hierbei das zerstoßene ("zerpochte") und gemahlene edelmetallhaltige Gestein mit einer alkalischen Cyanidlösung und bläst dabei Luft hindurch. Nun kann der Sauerstoff das Gold und das Silber oxidieren. Es bilden sich dabei Lösungen von Cyanokomplexen wie dem Dicyanoaurat [Au(CN)2]- bzw. dem Dicyanoargentat [Ag(CN)2]-.

Was ist der Grund für die leichte Oxidierbarkeit der Edelmetalle in Gegenwart von Cyanid-Ionen?
In der Cyanidlösung verschiebt sich das ursprüngliche Redoxpotential E0 (Au/Au(I)) = + 1,69 V durch die Komplexbildung des sehr stabilen Cyanokomplexes um 1,49 V.

Au + 2 CN- [Au(CN)2]-,     E0 = + 0,20 V

Die Komplexbildung ist nämlich exotherm (genau genommen exergon). Die zusätzliche Energie senkt das Redoxpotential der Edelmetalle, so dass sie nun vom Sauerstoff leicht oxidiert werden können.

Gibt man zu dieser Cyanidlauge Zinkstaub, entsteht der stabilere Tetracyanozinkat(II)-Komplex, und das reine Edelmetall fällt als Schlamm aus (Zementation). Dieser wird nun abfiltriert und zu Rohgold bzw. -silber verschmolzen.

2 [Au(CN)2]- + Zn [Zn(CN)4]2- + 2 Au

Die Reinigung der Rohmetalle erfolgt dann meist durch elektrolytische Verfahren.


Komplexe in der Galvanotechnik
Mittels der Galvanotechnik lassen sich beispielsweise Bestecke versilbern, Radkappen verchromen oder Schmuckstücke vergolden. Dadurch glänzen die Gegenstände nicht nur hübscher, sie werden auch vor Korrosion geschützt, da diese edleren Metallschichten viel widerstandsfähiger sind.

Solche Überzüge entstehen, indem man die Gegenstände bei einer umgekehrten Elektrolyse als Kathode und ein Stück des Überzugsmetalls als Anode einsetzt. So kann sich das edlere Metall aus der Salzlösung auf der unedleren Gegenstandsoberfläche absetzen.
Hierzu werden oft Lösungen von Cyanokomplexen eingesetzt. Diese gewähren eine recht gleichmäßige Abscheidung, da die Konzentration der freien, hydratisierten Kationen aufgrund der Dissoziation des Komplexes sehr klein ist. Nur diese werden elektrolytisch abgeschieden.

[Ag(CN)2]- Ag+(aq) + 2 CN-

Dabei spielen die Liganden noch eine weitere wichtige Rolle. Normalerweise ist die Abscheidung von Silber sehr grob; es entstehen keine silbrig glänzenden, sondern eher graue Überzüge. In Gegenwart eines Komplexbildners wie den Cyanid- oder Citrat-Anionen sind die freien Silber-Ionen gering konzentriert. Folglich entstehen viele Kristallkeime nebeneinander. Der Überzug wird entsprechend feinkristallin und deshalb metallisch-spiegelnd glänzend. Die Liganden spielen also die Rolle von Kristallisations-Inhibitoren, da sie die Bildung großer Kristalle verhindern. Lies hierzu unsere Webseite zum Glasverspiegeln.


Komplexierende Ionenaustauscher
Dazu findet man Informationen auf dieser Seite.


Verwendung von Carbonylkomplexen
Zu diesem Thema gibt es eine eigene Seite.


Metallurgie: Reaktiv-Extraktion von Schwermetall-Ionen
Zur Gewinnung und Recycling von Metallen werden zunehmend Verfahren wie die Reaktiv-Extraktion eingesetzt.
Bei einer Extraktion nutzt man grundsätzlich die unterschiedliche Löslichkeit von Stoffen in verschiedenen, nicht mischbaren Lösungsmitteln. Hat man z. B. eine wässrige Iodlösung und fügt etwas Tetrachlormethan hinzu, wandern fast vollständig alle Iodteilchen in das organische Lösungsmittel. Iod lässt sich also durch Tetrachlormethan aus dem Wasser extrahieren.
Will man jetzt Metall-Ionen mit sehr geringer Konzentration aus einer wässrigen Aufschlusslösung gewinnen, werden flüssige Komplexbildner als Extraktionsmittel benutzt. Es bilden sich also zunächst Metallkomplexe, die anschließend in die organische Phase extrahiert werden. Durch eine Reextraktion mit einer nur geringen Menge an Wasser lässt sich die Metallsalz-Lösung auf diesem Wege aufkonzentrieren.
Verdeutlichen lässt sich dieser Vorgang am folgenden Versuch. Versetzt man eine wässrige Kupfer(II)-Lösung mit in Toluol gelöster Benzoesäure (PhCOOH), bildet sich ein blauer Benzoesäurekomplex, der sich in der organischen Phase löst.

2 Cu2+ + 6 PhCOOH [Cu(OOCPh)2 · PhCOOH]2 + 4 H+

Diese Reaktion verläuft aber nicht spontan. Erst durch die Zugabe von Natronlauge wird das Gleichgewicht nach rechts verschoben, da die frei werdenden Protonen abgefangen werden. Nun kann man die nahezu kupferfreie, wässrige Phase ablassen. Gibt man dann verdünnte Schwefelsäure in die organische Phase, erfolgt eine Reextraktion in die wässrige Phase.

Bild 2: Links: Die Kupfer-Ionen befinden sich nur in der unteren, wässrigen Phase
Mitte: Die Kupfer-Ionen bilden einen blauen Komplex mit der Benzoesäure in der organischen Phase
Rechts: Die Kupfer-Ionen lösen sich nach der Zugabe von Schwefelsäure wieder in einer wässrigen Phase
(Fotos: Sandra)


Weitere Texte zum Thema „Komplexverbindungen“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 24. Februar 2012, Dagmar Wiechoczek