Bild 1: (Sammlung: Blume)


Eisengallustinte

Experimente:
Versuch: Tinte aus Tee
Versuch: Herstellen einer zum Schreiben geeigneten Eisengallustinte


Wird ein wichtiger Vertrag unterschrieben, so muss dies mit einer dokumentenechten Tinte erfolgen. D. h. die Tinte muss viele Jahre erhalten bleiben. Man stelle sich vor, was passiert, wenn die Unterschrift verblasst oder gar verschwindet! Daher werden solche wichtigen Dokumente immer noch mit der schwarzen bis blauschwarzen Eisengallustinte unterzeichnet. Erste Beschreibungen zur Herstellung einer solchen Tinte stammen bereits aus dem 3. Jahrhundert vor Christus von Philo von Byzanz.

Die Eisengallustinte weist eine Licht- und Luftbeständigkeit auf, die von rein synthetischen Tinten (z. B. Anilinblau) nicht erreicht wird.
Die Farbigkeit dieser Tinte entsteht durch die Komplexbildung von Eisen(III)-Salzen mit Phenolen, genauer gesagt mit Gallussäure, Tanninen oder Gerbstoffen. Diese Reaktion wird im Übrigen auch zum Nachweis von Phenolen benutzt.


Gerbstoffe (auch: Tannine)
Gerbstoffe sind in vielen Pflanzen enthalten. Es handelt sich dabei um Polyphenole mit teilweise komplexer Struktur. Auch schwarzer Tee enthält Gallussäure und auch Gerbstoffe, welche ihm den etwas bitteren und "zusammenziehenden" Geschmack verleihen. Man kann deshalb aus Tee auf eine einfache Art eine Eisengallustinte herstellen (-> Versuch).

Bild 2: Tee - links ohne, rechts mit Eisensalz
(Foto: Daggi)


Gerbstoffe findet man auch z. B. in der Rinde sowie im Holz von Fichten oder vor allem von Eichen. Entsprechend färben sich die Stellen langsam dunkel, wenn man billige Eisennägel in das Holz einschlägt und diese anfangen zu rosten, also letztlich Eisen(III)-Ionen freisetzen (-> Bild 3).

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Bild 3: Nägel in Fichtenholz (links) und Eichenholz (rechts) färben das Holz dunkel
(Foto: Blume)


Einen besonders hohen Gallussäure- und Gerbstoffanteil haben die Galläpfel. Galläpfel sind Wucherungen auf Eichenblättern, die durch den Einstich der Gallwespe (Cynips tinctoria) hervorgerufen werden. Natürlich gibt es auch andere Formen der Gallen, wie die zerfaserten der Rosen.



Bild 5: Galläpfel der Eiche (Foto: Blume)
Bild 4: Gallapfel der Rosengallwespe (Foto: Blume)  


Zur Herstellung von Eisengallustinte wurden (und werden auch heute noch) Galläpfel gesammelt und abgekocht. Der Sud wird als Gerbstoffquelle benutzt.


Eisen-Salze
Als Eisenlieferant für die Tinte benutzt man Eisenvitriol (Eisen(II)-sulfat-Hydrat). Der Grund hierfür ist, dass Eisen(III)-Salze wie Eisen(III)-chlorid nicht ohne weiteres löslich sind und leicht zum Ausflocken neigen. Das ist auch beim Ammoniumeisenalaun der Fall.

Dieses zweiwertige Eisen muss erst an der Luft oxidieren, um dann den farbigen Komplex mit den Gerbstoffen zu bilden. Deswegen hat frische Eisengallustinte aus Eisenvitriol auch noch nicht ihre endgültige Farbe. Sie erhält diese erst nach dem Schreiben auf dem Papier.

Lässt man andererseits die Tinte länger in einem offenen Gefäß stehen, so oxidiert das Eisen(II) zum Eisen(III) und fällt als schwarzer Eisengallatkomplex aus. Deswegen sollte die Tinte in einem geschlossenen Gefäß aufbewahrt werden. Sonst wird sie flockig. Aus diesem Grund darf man diese Tinte auf keinen Fall in einen Füllfederhalter geben!

Anstelle des Eisen(II)-sulfats wurden oft auch Eisenstücke benutzt, die man in den schwach sauren Gallapfel-Sud legte.


Weitere Bestandteile der Tinte
Der Zusatz von Phenol - oder besser Salicylsäure, da diese verträglicher ist - soll Schimmelbildung vermeiden und dient also als Konservierungsmittel (wie früher bei der Marmelade!).
Gummi arabicum (ein pflanzliches Polysaccharid) hemmt die vorzeitige Ausflockung der Eisengallatkomplexe.
Da sich der Farbstoff der Eisengallustinte erst lange nach dem Schreiben so richtig ausbildet, wird der Tinte oft ein anderer synthetischer Farbstoff zugesetzt, so dass die Schriftzeichen sofort erkennbar sind. Mit der Zeit entwickelt sich dann der beständigere Eisengallusfarbstoff.


Vom Tintenfraß
Ein Nachteil der Eisengallustinten zeigt sich an sehr alten Schriftstücken. Der Tinte konnte die Zeit in all den Jahren nichts anhaben. Doch leider katalysieren die in der Tinte enthaltenen Eisen-Ionen den oxidativen Abbau der Cellulose. Aus dem Eisenvitriol kann sich durch Hydrolyse auch Schwefelsäure bilden, die bekanntlich ebenfalls Cellulose zerstört. Hier wirken die Protonen als Katalysator, vor allem beim Abbau der Kettenlänge und bei der Wasserabspaltung mit der Folge der Verkohlung. (Klicke hier.) Das Papier wird brüchig und es zerfällt. Und was nützen die stabilsten Schriftzüge, wenn das Trägermaterial, also das Papier, zerfällt?

Man muss aber deutlich sagen, dass es sich beim vom Zerfall bedrohten Papier hauptsächlich um die billigsten Sorten handelt. Das gute Kanzleipapier (gemacht aus Leinen mit langen Cellulosefasern) leidet darunter weniger. Zu dessen Herstellung nutzt man vor allem Leinenstoffe aus der Lumpensammlung. Hier ist schon so manche edle Tischdecke aus Leinen oder gar aus Nessel gelandet...


Ein Tintenkiller für Gallustinte
Die Eisen(III)-Komplexe mit Gallussäure und anderen Phenolen sind relativ stabil. Man kann sie aber entfernen, indem man sie mit alkalischer Wasserstoffperoxidlösung beträufelt. Das ist wichtig für Druckerzeugnisse wie Flugblätter, die von den Leuten früher als Löschpapier für ihre Geschäftsbücher benutzt wurden. Warum ist das wichtig? Flugblätter waren früher das, was heute die Tageszeitungen sind. Durch die Tinte sind die Druckzeichen unleserlich geworden. Etwas H2O2 wirkt hier Wunder. Die aus Ruß bestehende Druckerschwärze wird nicht angegriffen.


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Letzte Überarbeitung: 26. März 2015, Dagmar Wiechoczek