Wie Feuerstein entstanden ist

Experimente
Versuch: Auflösen von Feuersteinpulver durch Alkalien; Nachweis von Siliciumdioxid
Versuch: Fällen von Kieselgel aus einer Silicatlösung


Die genaue Kenntnis der Genese des Flints, seines inneren Aufbaus und seiner Alterung hilft, die Besonderheiten dieses Minerals zu verstehen.


Allgemeine Grundlagen zur Bildung von Feuerstein
Der Flint ist durch Auflösungs- und Wiederausscheidungsprozesse von Kieselsäure entstanden. Diese stammt aus dem amorphen Bio-Mineral Diatomit, aus dem die Schalen und Skelette von Kieselschwämmen, Kieselalgen (Diatomeen) und vielen anderen Mikroorganismen aufgebaut sind. Vor etwa 80 Millionen Jahren, zur Oberkreidezeit, bevölkerten diese einfachen Lebewesen massenhaft die Meere. Aus ihren anorganischen Resten sowie aus den kalkigen Schalen von einzelligen Kalkalgen (Coccolithen) sowie von Foraminiferen ("Kreidetierchen") und den vom Meer zerschlagenen und fein gemahlenen Schalen größerer Meerestiere bauten sich die mächtigen Ablagerungen des Kreidemeeres der Oberkreide auf, die auf Rügen, in Dänemark und Südschweden, in Südostengland, in den Niederlanden bei Maastricht (daher stammt die Bezeichnung der Formation als Maastrichtian), Belgien oder Frankreich zutage treten (Bild 1).

Erstaunlicherweise sind in den Kreidefelsen Kieselsäure und Kalk nicht gleichmäßig verteilt: Die Kieselsäure ist in dieser kalkigen, selbst extrem kieselsäurearmen Schreibkreide zu Flintknollen oder -platten aufkonzentriert worden (Bild 2). Diese Aggregate können tonnenschwer werden.

Bild 1: Kreidefelsen am Strand von Møn
(Foto: Blume)


Bild 2: Kreidefelsen mit Feuersteinschichten
(Foto: Blume)


Jeder, der das erste Mal vor den hohen Kreidefelsen steht, fragt sich: Wie konnte die Kreide als lockeres Kalksediment erhalten bleiben, während sich darin die schweren und glasharten Feuersteine, die zuhauf am Fuße der Felsen liegen, bildeten?
Offenbar ist die Hauptmenge des Flints noch während der Bildung des Sedimentes des Kreidemeeres entstanden. Hierfür spricht auch, dass man im Flint große Mengen von Mikroorganismen finden kann. (Man nennt Feuerstein deshalb gern auch Fossile Jauche.) Aus dem guten Erhaltungszustand der Weichteile dieser Lebewesen muss man schließen, dass sich zumindest die Vorstufe des Flints, die gelförmige Kieselsäure, rasch vor der Weichteilzersetzung gebildet hat. Bildungsort war offenbar der Grenzbereich zwischen Meeresboden und Wasser.


Auflösung der Kieselschalen von Lebewesen
Diatomit ist (wie z. B. auch der Zahnschmelz) ein biologisches Mineral. Es besteht aus glasharter, polymerer Kieselsäure, aus der sich lösliche, molekulardisperse Kieselsäure (H4SiO4) bildet.

SiO2 • aq ————> H4SiO4

Wasser (vor allem ionenhaltiges Meerwasser) löst, wenn ausreichend Zeit gegeben ist, bekanntlich alle anorganischen Mineralien auf.
Deren Löslichkeit bzw. die Geschwindigkeit des Lösungsvorgangs ist zunächst eine Frage der Korngröße. Deshalb werden die winzigen und hochporösen Diatomeenschalen und Kieselschwammnadeln besonders rasch angegriffen. Aber auch weitere Faktoren unterstützen die Auflösungsprozesse, die ganz besonders in Meeresbodennähe oder im Schlick des Meeresbodens denkbar sind.
Da sind zunächst Temperatursteigerungen zu nennen, eine Folge der Wärmeentwicklung bei bakteriellen Zersetzungsreaktionen.
Diese Bakterien setzten beim Abbau der Weichteile abgestorbener Lebewesen große Mengen Ammoniak frei, das wie alle Alkalien die amorphe Kieselsäure besonders rasch angreift (siehe Experimente, V 1 F). Bedenkt man noch, dass die Weichteilreste von den Bakterien direkt in den Kieselsäureschalen abgebaut werden und Ammoniak folglich in engstem Kontakt zum extrem porösen Diatomit frei wird, so überrascht die schnelle und umfassende Auflösung der polymeren Kieselsäure in keiner Weise.
Die Folge all dieser Vorgänge ist, dass die Kiesel-Skelette innerhalb weniger Stunden zu löslicher Kieselsäure abgebaut werden.


Wiederausscheidung der Kieselsäure
Eine Vorbemerkung: Ihr dürft euch beim Begriff "Gel" nichts weiches wie etwa Götterspeise vorstellen. Es handelt sich um die Beschreibung eines bestimmten kolloidalen, plastischen Zustands der Materie. So hat auch Glas noch gelartige Eigenschaften.

Wie ist die Entstehung der typischen schichtparallelen Feuersteinlagen zu erklären? Normalerweise bilden sich mineralische Konkretionen in Sedimenten durch Sammelkristallisation: Ein primärer Kristallisationskeim bewirkt, dass weitere Ionen zu ihm hinwandern; der Keim wird in vielen Millionen Jahren zu einer Mineralknolle (Konkretion oder auch Geode genannt), wie man sie in tonigen Sedimenten findet. Dieses Prinzip setzt eine freie Wanderung (Diffusion) der Bausteine im Gestein voraus.
Dagegen diffundiert die molekulardisperse Kieselsäure nur in begrenztem Umfang. Sie neigt nämlich bei geringstem Absinken des basischen pH-Werts sehr rasch zur Ausfällung mit gleichzeitiger Polymerisation (siehe Experimente, V 4 F). Das so gebildete makromolekulare Kieselsäuresol bzw. -gel kann nicht mehr diffundieren, sondern muss aktiv transportiert werden.
Transportmittel ist das im Sediment vorhandene Porenwasser, das (anders als das von oben nach unten strömende Sickerwasser in unseren Böden) eine aufsteigende Strömungsrichtung hat. Dieses Porenwasser bildet sich aus den Haftwasserfilmen der Sedimentteilchen; durch den Sackungsdruck der wachsenden Sedimentschicht wird es nach oben gedrückt. (Am besten vergleicht man diesen Vorgang mit dem Druck auf einen mit Wasser vollgesogenen Schwamm.) Dabei reichert sich das Wasser von unten her zunehmend mit kolloidalem Kieselsäuregel an.
Solche Lösungen sind metastabil; Störfaktoren wie Temperaturschwankungen, Änderung des pH-Wertes, Gegenwart von Kationen (wie Ca2+) oder kolloidale organische Stoffe (wie Huminstoffe) bewirken eine Keimbildung und den Beginn der rasch ablaufenden Ausfällung.
Hat das Porenwasser eine Grenzkonzentration an Kieselsäuregel erreicht, so schlägt sich fast die gesamte Kieselsäure augenblicklich in einer zur Sedimentoberfläche parallelen Lage nieder. Danach ist das aufsteigende Porenwasser wieder kieselsäurearm, dann reichert es sich bei weiterer Sedimentation wieder an (usw.). Die Folge dieser rhythmischen Vorgänge sind Flintlagen in jeweils gleichem Abstand, wie man sie in vielen Kreidefelsen beobachten kann (Bild 2). Solche periodischen Fällungsreaktionen kennt man auch aus der Chemie unter der Bezeichnung Liesegangsche Phänomene (siehe Experimente, V 6 F).
Dabei weisen die oftmals merkwürdigen Formen vieler Flintsteine auf die Strömungsprozesse hin, denen sie ihre Bildung verdanken (siehe das folgende Bild). Auch haben sie offensichtlich Mulden in der Sedimentoberfläche nachgebildet. Dabei entstanden auch die typischen Löcher im Feuerstein.

Bild 2a (Foto: Blume)


Die dramatischen Temperatursteigerungen, die die Epoche des Tertiär eingeleitet haben, führten im Grenzbereich zur obersten Kreide (Formation des Danian) zur Auflösung und Ausfällung von großen Kieselsäuremengen. Folglich treten im dänischen Fakse oder im Loiregebiet über 50 cm dicke, großflächige Feuersteinschichten zutage.

Die Verfestigung des zwar schon harten, aber noch empfindlichen Gels zum mechanisch stabilen Feuerstein erfolgte im Verlauf der folgenden, nun viel längeren Zeit. Dabei wandelte sich das Kieselsäuregel unter zunehmender Wasserabgabe zum Flint um.


Feuersteinbildungen zwischen den Flintschichten
Oftmals findet man aber auch zwischen den Flintlagen einzelne, meist kugelige Flintknollen. Diese sind manchmal so perfekt kugelrund geformt, dass man sie früher sammelte, nach Größen sortierte und als Kanonenkugeln einsetzte! (So geschehen auf Møn.) Früher wie heute nutzt man sie sogar in Kugelmühlen. Sie enthalten oft den Rest eines Lebewesens. Bemerkenswert sind Steine, die einen Kieselschwamm enthalten. Dessen Diatomit hat der Kieselsäure als Abscheidungskeim gedient (Bild 3). Einige Schwämme hatten lange Tentakeln, die durch das sich abscheidende Kieselgel ragten. Diese Tentakeln waren teilweise pyritisiert und verwitterten von außen nach innen. Dadurch lockerte sich dieser Schwamm im Feuerstein, es entstehen die bekannten "Klappersteine" (daher übrigens auch der Name des Schwammes: Plinthosella resonans; Bild 4).

Bild 3: Kieselschwämme im Feuerstein
(Foto: Blume)

Bild 4: Klappersteine von Møn (rechts: aufgeschlagen bzw. in Bildung begriffen)
(Fotos: Blume)


In anderen Fällen enthielten die Organismen keine Abscheidungskeime für Kieselsäure. Dennoch findet man zwischen den Flintlagen Kalkschalen von Korallen und Austern, die Flintkerne umschließen. Gleiches gilt auch für Seeigel, deren Feuersteinkerne nach Abrollen der Kalkschale durch das Meer an norddeutschen Küsten oder im Sediment der Eiszeit als "Glückssteine" zu finden sind (Bild 5).

Bild 5: Seeigelkerne aus Feuerstein (so genannte Glückssteine)
(Foto: Blume)


In diesen Hohlräumen fiel die Kieselsäure aus, bevor deren Sättigungskonzentration erreicht war. Der Grund hierfür ist folgender: Als abgeschlossene Räume boten die Schalen ideale Lebensbedingungen für andere anaerobe Bakterien, die hier bei der Fäulnis von Weichteilresten trotz der äußeren basischen Umgebung Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und organische Säuren wie Essig- und Propionsäure produzieren. Diese Säuren fällen bereits aus verdünnteren Kieselsäurelösungen Kieselsäure aus, welche in einem weiteren Schritt zu hartem Kiesel-"Gel" polymerisiert (siehe Experimente, V 4 F).


Hinweis zu weiteren Informationen
Über die Eigenschaften des Feuersteins, die damit verbundenen chemischen Prozesse auf molekularer Ebene, seine Zusammensetzung, seine Alterung, die Schälbarkeit sowie über seine alte und seine moderne technische Verwendung können Sie sich auf weiteren Webseiten informieren. Außerdem besprechen wir, wie man mit Flint Feuer machen kann. Gehen Sie dazu in das Inhaltsverzeichnis der Webseitengruppe "Pyrit und Feuerstein/Flint/Silex".


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Letzte Überarbeitung: 23. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek