Was alkoholische Gärung und Atmung gemeinsam haben

Experimente:
Versuch: Alkoholische Gärung


Mit der Nahrung nehmen wir Glucose (Traubenzucker) auf. Beim Abbau wird die im Molekül gespeicherte Energie letztlich in Form von ATP für Stoffwechselreaktionen verfügbar gemacht. Um chemische Energie aus Nährstoffen zu gewinnen und damit ATP zu produzieren, gibt es eine aerobe und eine anaerobe Möglichkeit.

Die Gärung verläuft unter anaeroben Bedingungen. Voraussetzung ist strikter Sauerstoffausschluss (-> Versuch).

Die Atmung erfolgt unter aeroben Bedingungen und erfordert die Zufuhr von Sauerstoff.

Energiegewinn ist unter beiden Bedingungen möglich. Im Laufe der Evolution hat sich beides bewährt. Aber es gibt einen deutlichen Unterschied: Die Atmung ist viel effektiver und nutzt den Energieinhalt der Glucose bis zum Letzten aus.


Ein Vergleich der Gärung und Zellatmung
Der hauptsächliche Abbauweg, der nötig ist zum Abbau des Zuckers, beginnt bei beiden Organismentypen identisch, nämlich mit der Glykolyse. Im Verlauf von zehn Einzelreaktionen wird Glucose zu zwei Molekülen Brenztraubensäure (C3H4O3) gespalten und zugleich oxidiert. Dabei wird die Oxidationsenergie als ATP abgefangen. Pro Mol Glucose entstehen 2 ATP.

Oxidation bedeutet nicht, dass es sich unbedingt um eine Reaktion unter Beteiligung von Sauerstoff handelt! Aber es ändert sich deutlich die Gesamtoxidationszahl des Kohlenstoffs von (0) in der Glucose nach (+II) in der Brenztraubensäure. Zur Erinnerung: Der erweiterte Oxidationsbegriff besagt bekanntlich, dass Redox-Reaktionen Elektronenübertragungsreaktionen sind. Die Oxidation ist hier eine enzymatisch katalysierte Abspaltung von Wasserstoff (Dehydrierung). Das entspricht letztlich dem Transfer von jeweils zwei Elektronen. Das Oxidationsmittel der Zelle ist NAD+. (Es gibt aber noch weitere!)

Nun stellt sich ein Problem: Der Zelle geht bald das Oxidationsmittel NAD+ aus. Damit bremst sich die Zelle selbst aus; es kann dann auch kein ATP mehr gebildet werden. Die anschließenden Gärungsreaktionen dienen deshalb der Rückgewinnung von NAD+ aus dem reichlich vorhandenen NADH. Das kann auf zweierlei Art geschehen:

Bei Gärungsorganismen wird der Wasserstoff enzymatisch auf bestimmte Moleküle übertragen - die werden also reduziert. Bei der Hefe wird dazu zunächst das Endprodukt der Glykolyse, Brenztraubensäure, zu Acetaldehyd gespalten. Der so gebildete Acetaldehyd (Oxidationszahl des gesamten Moleküls: -II) wird enzymatisch mit NADH zu Ethanol (Oxidationszahl des gesamten Moleküls: -IV) reduziert:

CH3-CHO + NADH + H+ ———> CH3-CH2OH + NAD+

Andere Gärungs-Organismen wie Lactobacillus (in Grenzen aber auch der Mensch; siehe unten) übertragen den Wasserstoff direkt auf die Brenztraubensäure und bilden so die Milchsäure.

Bei Atmungsorganismen wird NADH mit Sauerstoff zu NAD+ und Wasser oxidiert.

2 (NADH + H+) ———> 2 H2O + 2 NAD+

Das geschieht über die Atmungskette oder ETC. Hierbei wird viel mehr Energie frei als bei der Gärung.


Die Gärung - ein schlechtes Geschäft
Zur Endbilanzierung kommt noch Folgendes: Bei der Glykolyse wird das Glucosemolekül nur zu etwas einfacheren Verbindungen abgebaut, die noch sehr viel Energie enthalten. Auch das Gärungsprodukt Ethanol ist sehr energiereich. Das sieht man schon daran, dass er brennen kann.
Im Rahmen des weiteren Abbaus, an dem vor allem der Citratzyklus und die Atmungskette beteiligt sind, werden bei den Atmungsorganismen letztlich CO2 und H2O gebildet.

Vergleich der Endprodukte der alkoholischen Gärung und der Zellatmung


Betrug die Energieausbeute bei der Gärung zwei ATP-Moleküle pro Molekül Glucose, so erhält man bei der Atmung 38 Moleküle. Somit kann bei der Zellatmung 9mal so viel Energie geliefert werden.

Wer Näheres dazu lesen möchte, findet es hier.


Wenn der Mensch eine Hefezelle wäre...
Was würde eigentlich passieren, wenn bei körperlicher Anstrengung anstatt Milchsäure Ethanol im menschlichen Organismus produziert würde? Die Antwort ist ganz einfach: Menschen würden bereits nach kurzer Zeit sportlicher Betätigung oder etwas Anstrengung betrunken sein! Besonders Sportler wie z. B. Langstreckenläufer wären nach einigen Metern so angetrunken, dass sie gar nicht geradeaus laufen könnten. Menschen entwickeln allerdings in gewissen Bereichen anaerobe Bedingungen. Dann entsteht die Milchsäure - eine der möglichen Ursachen für Muskelkater.

Manche mögen vielleicht traurig sein, dass man Alkohol nicht selbst produzieren kann. Uns Menschen fehlt dafür allerdings das entscheidende Enzym, die Pyruvat-Decarboxylase. Nur sie kann aus Brenztraubensäure Acetaldehyd herstellen, aus dem anschließend mit Hilfe der Alkoholdehydrogenase (ADH) Ethanol gebildet wird.


Der blaue Goldfisch
Es gibt aber tatsächlich ein Wirbeltier, das dazu eben doch in der Lage ist - der Goldfisch. Bei Sauerstoffknappheit kann er auf Gärung umschalten und Brenztraubensäure zu Ethanol abbauen. Allerdings hat er nicht allzu viel davon, denn das gebildete Ethanol diffundiert sofort wieder über Kiemen, Haut und Flossen in das Wasser.


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Letzte Überarbeitung: 05. Dezember 2011, Dagmar Wiechoczek