Prof. Blumes Tipp des Monats Januar 2005 (Tipp-Nr. 91)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wieder aktuell: Der Kippsche Gasentwickler

Gase für chemische Zwecke herzustellen, war schon immer eine unangenehme Sache. Da fällt viel Schmutz an, und die Gase stinken oder sind explosiv oder giftig. Heute stehen in jedem Labor große und kleine Gasdruckflaschen aus Stahl mit den verschiedensten Gasen bereit. Das ist natürlich bequem.

Bild 1: Gasdruckflaschen im Abzug
(Foto: Daggi)


Für Schwefelwasserstoff gibt es in letzter Zeit allerdings keine Gasdruckflaschen mehr zu kaufen. Der Grund: Schwefelwasserstoff ist ein sehr korrosives Gas, das die Ventile angreift.
Kleine Mengen von Schwefelwasserstoff stellt man am besten durch Erhitzen einer Mischung von Schwefelpulver, Paraffin und Kieselgur her (Sulfidogen®). Die Gasentwicklung hört sofort auf, wenn man den Brenner wegnimmt, so dass man auch hier richtig portionieren kann. Leider wird Sulfidogen nicht mehr angeboten, so dass wir heute wieder auf Altbewährtes zurückgreifen müssen.

Bild 2: Kippscher Apparat
(Foto: Daggi)


In vielen Labors findet man heute noch den Kippschen Apparat, das Symbol des Chemiesaals oder von Chemiebüchern schlechthin. Das Gerät (von den Chemikern liebevoll kurz "Kipp" genannt), das ästhetische Formen mit großartiger Zweckmäßigkeit verbindet, fehlt auch heute in kaum einer Materialsammlung. Das ist sogar auch dann der Fall, wenn es gar nicht mehr gebraucht wird. Dann schmückt es nur noch.

Der Apparat, mit dem man auf geradezu geniale Art und Weise Gase herstellen kann, wurde um 1850 von dem Delfter Apotheker und Chemiker P. S. Kipp erfunden.

Das Gerät besteht aus zwei ineinander gesteckten Glasteilen. Wenn man den Apparat trägt, darf man ihn nie an der oberen Kugel anfassen, weil dann der Apparat auseinander fällt!

Bild 3: Chemieklassiker von 1958 - mit der Darstellung eines wenig kipp-sicheren Kippschen Apparats


In die mittlere Kugel werden auf ein Sieb grobe Stücke von Eisensulfid FeS gefüllt. In die obere Kugel gibt man verdünnte Salzsäure (c = 5 mol/l) (C), die durch ein Rohr in die untere Halbkugel fließt. Sie steigt bis zur mittleren Kugel und reagiert mit dem dort befindlichen Eisensulfid zu Schwefelwasserstoff.

FeS + 2 HCl ———> FeCl2 + H2S

Das Gas kann man durch einen seitlich angebrachten Hahn entnehmen. Schließt man den Hahn, weil man kein Gas mehr benötigt, drückt das weiterhin entstehende Gas die Salzsäure aus der mittleren Kugel durch das Steigrohr in die obere Kugel zurück. Damit wird aber auch die Gasbildungsreaktion beendet. Der Apparat hat sich selber ausgestellt.
Es handelt sich also um ein sich selbst regulierendes System. Schon das ist ein Grund, sich den Kipp im Unterricht genauer anzusehen.

Man kann damit natürlich auch andere Gase herstellen. Bedingung ist, dass zur Gasentwicklung stets
- ein grober Feststoff
- mit einer Flüssigkeit
- ohne vorherige Erwärmung
reagiert.


Weitere Beispiele
- Zink und Salzsäure (c = 6 mol/l) (C) bilden Wasserstoff

Zn + 2 HCl ———> ZnCl2 + H2

Als Katalysator gibt man etwas Kupfersulfatlösung zu. Statt Zink kann man auch Aluminium nehmen.

- Kalkstein (besser: Marmor) und Salzsäure (c = 6 mol/l) (C) setzen CO2 frei

CaCO3 + 2 HCl ———> CaCl2 + H2O + CO2

Wie kann man mit Hilfe eines Kipp eine Gasspritze (Kolbenprober) füllen?
Der Gasdruck reicht nicht aus, um den Kolben herauszudrücken. Die Folge: Da der Kipp "denkt", er wäre verschlossen, stellt er die Gasproduktion ein. Aus diesem Grund muss man den Kolben der Gasspritze während des Gaseinleitens vorsichtig herausziehen, um sie zu füllen.


Tipps zur Pflege
Reinigen Sie Ihren Kipp öfter mal. Und achten Sie darauf, dass die Schliffe gut gefettet sind. Längere Zeit nicht genutzte Geräte sollten geleert werden.


Noch ein Hinweis
Oft verschließt man das Vorratsgefäß des Kipp-Apparats mit Hilfe eines Gärröhrchens. Das enthält Wasser als Sperrflüssigkeit, um Geruchsbelästigung zu vermeiden. Man muss aber höllisch aufpassen, dass beim Öffnen des Entnahmehahns durch die Entleerung der Vorratskugel die im Gärröhrchen enthaltene Flüssigkeit nicht in die Vorratskugel gesogen wird. Umgekehrt wird beim Schließen des Entnahmehahns das Wasser glatt aus dem Röhrchen gepustet. Auf jeden Fall darf nur ganz wenig Wasser eingefüllt werden, also gerade soviel, dass der Geruch "abgesperrt" wird.
Wir lassen das Gärröhrchen während des Betriebs weg und verschließen den Kipp, wenn er nicht genutzt wird, mit einer Folie. Sein Aufenthaltsort ist sowieso immer der Abzug.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 24. November 2011, Dagmar Wiechoczek