Im WDR 2 wird am ersten Mai über Spargel (Asparagus officinalis) berichtet. Man
merkt an, dass die jungen, unterirdischen Sprossen der Pflanze, also der
landläufige Spargel, nicht nur als Delikatesse beliebt sind, sondern auch im Rufe
stehen, auch als Aphrodisiakum zu wirken. Man reflektiert dabei darüber, welche
Inhaltsstoffe dafür verantwortlich sein könnten oder ob es wohl nur an der Form
der Spargelstangen liegt. Dabei kommt auch zur Sprache, dass Spargel
harntreibend wirkt. Die Redakteurin fragt in diesem Zusammenhang, warum der Urin
nach Spargelgenuss so merkwürdig riecht. Antwort: "Im Spargel ist sehr viel
Asparagin, und das will der Körper loswerden. Deshalb stinkt es so."
Und im ZDF-Praxis-Magazin "Gesundheit" wird gerühmt: "Der hohe Gehalt an
Kalium und am Aromastoff Asparagin sorgen dafür, dass ein Zuviel von Wasser im
Körper ausgeschieden wird. Das heißt, dass die Nieren zur Entwässerung angeregt
werden. ... Spargel enthält nicht nur für die Förderung der Darmtätigkeit viele
Ballaststoffe, er bringt auch gleich die zum Aufquellen notwendige
Flüssigkeitsmenge mit, denn er besteht zu 94 % aus Wasser."
Kein Wunder also, dass man nach einem ausgiebigen Spargelessen auf die Toilette
muss... Denn die Förderung der Nierentätigkeit und damit nachgesagte
"Entschlackungen" sind auch einfach nur Folge des Verspeisens von Spargel, von
dem man als Essensportion für eine Person 500 g einkalkuliert. Denn wenn man viel
Wasser und darin gelöste Salze und andere Stoffe zu sich nimmt, muss man sie
notwendigerweise auch wieder ausscheiden. Jedoch ist am Kalium als treibendes
Agens etwas dran.
Zur Lösung unseres Problems, weshalb Urin nach dem Spargelgenuss riecht, gibt es viele
Spekulationen.
Asparagin ist geruchlos
Aber wie ist das mit dem stinkenden Urin und vor allem mit dem Aromastoff
Asparagin? Dass Spargel sehr viel Asparagin enthält, stimmt. Asparagin stinkt aber
nicht, denn das ist eine Aminosäure, die sehr polar (sogar ionisch) ist und nicht verdampft. Ein Stoff,
der nicht verdampft, kann nicht duften. Davon kann man sich anhand einer Probe aus dem Chemikalienschrank
leicht überzeugen.

Asparagin
Spargel ist gar nicht so gesund
Das Wort officinalis im Namen des Spargels bedeutet übrigens "für
medizinische Zwecke nutzbar, eingesetzt".
Kümmern wir uns also um die Inhaltsstoffe des Spargels. Bei der Internet-Recherche
machen wir eine erstaunliche Entdeckung: Spargel zählt zu den
Giftpflanzen.
Dafür sind bestimmte Substanzen verantwortlich, die vor allem in den roten Beeren vorkommen.
Mögliche Symptome sind nach Verzehr größerer Mengen (ab 5-7) der reifen Beeren jedoch allenfalls
Erbrechen und Bauchschmerzen.
Gelegentlich treten bei prädisponierten Personen nach Spargelschälen oder
Berührung mit dem Spargelsaft allergische Reaktionen mit Reizung der Haut, der Augen und
allergischem Schnupfen auf. Asthmaanfälle sind vereinzelt beschrieben worden.
Und jetzt kommt der erste Hinweis, was es mit dem Geruch des Spargels auf sich
haben könnte: In den Sprossachsen (also in unseren heißgeliebten Spargelstangen)
wurden nämlich Schwefel-haltige Verbindungen
nachgewiesen, die für die gelegentlich vorkommenden Hautreaktionen
mitverantwortlich gemacht werden. Und es ist zu vermuten, dass diese Verbindungen
bzw. ihre Abbauprodukte stinken. Denken wir nur an die Schwefel-haltigen Ausscheidungen von Kater,
Marder oder (als Krönung) vom Stinktier. Mich erinnert der "Duft" von Spargel-Urin an
den Geruch von erhitztem (aber nicht brennendem) Gummi. Das enthält bekanntlich sehr
viel Schwefel.
Manche Liliengewächse stinken
Spargel gehört zu den Liliengewächsen, genau zu den Asparagales. Zu den Liliengewächsen gehören
auch Zwiebel (Allium cepa), Schnittlauch oder Knoblauch (Allium sativum). Diese
zeichnet bekanntlich ein reiches Spektrum an Schwefel-haltigen Geruchsstoffen aus.
Bei Zwiebel und Knoblauch handelt es sich um substituierte Cysteinsulfoxide.
Knoblauch enthält außerdem das S-Allyl-cystein-sulfoxid. Beim Anschneiden der Zwiebel wird
daraus unter Mitwirkung des Enzyms Alliinase der Geruchsstoff Allicin synthetisiert.
(Jetzt wissen wir auch endlich, woher die Bezeichnung "Allyl-Rest" für den Propen-Rest stammt.)

Darüber, ob diese Stoffe erst durch Substanzen des menschlichen
Sexualhormon-Stoffwechsels zusammen die Geruchsnote des Knoblauchs ergeben, gibt es
konträre Ansichten. Das ist aber für unser Thema unerheblich.
Die Aromastoffe des Spargels
Hierzu lassen wir uns vom "Römpp-Lexikon Lebensmittelchemie" beraten [1]:
Unter den zahlreich nachgewiesenen Aromastoffen dominieren Schwefel-haltige
Verbindungen, z. B. 1,2-Dithiol (I) und 1,2-Dithiolan-4-carbonsäuremethylester (II)
mit ausgesprochenem Spargelaroma. Mengenmäßig überwiegen der Ester (II) sowie
die zugehörige 1,2-Dithiolan-4-carbonsäure (III).

Letztere heißt Asparagusinsäure (auch Asparagussäure). Daher
kommt vielleicht die falsche Meinung in vielen populär-wissenschaftlichen Darstellungen,
der Aromastoff des Spargels sei das Asparagin.
Versuch: Nachweis von Schwefel in Spargel
Einige Stücke frischen Spargels werden in ein Reagenzglas gegeben. Man feuchtet ein Blei-acetat-Papier
gut an und klemmt es mit der Reagenzglasklammer über der Öffnung des Glases fest. Nun erhitzt man kräftig,
bis weiße Dämpfe austreten und der Spargel verkohlt. Das Blei-acetat-Papier überzieht sich mit metallischgrau
glänzenden Kristallen von Bleisulfid.
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Wonach der Urin stinkt
Der nach dem Verzehr von Spargel eintretende typische Geruch des Urins ist auf
Abbauprodukte wie S-Methyl-thioacrylat (IV) sowie auf
dessen Methanthiol-Additionsprodukt S-Methyl-3-(methylthio)thioproponiat (V)
zurückzuführen [2].

Weiterer Abbau der S-Methylthioester IV oder V führt zu stinkenden Substanzen, die auch einem Stinktier zur Ehre
gereichen würden, wie Methanthiol (VI), Dimethylsulfid (VII) und Dimethyldisulfid (VIII).

Der Abbau geht noch weiter. Letztlich entstehen dadurch geruchslose Oxidationsprodukte wie Dimethylsulfoxid (IX) und
Dimethylsulfon (X), in kleineren Mengen ungiftige Substanzen, die in unserem Organismus nicht ungewöhnlich sind.

Diese ringöffnenden Reaktionen laufen in unserem Körper ab. Das sind keineswegs exotische Reaktionen. Denn
den Dithiolan-Ring finden wir auch in einer biochemisch wirksamen Substanz
wieder, in der Liponsäure, die bei den oxidativen Decarboxylierungsreaktionen eine
wichtige Rolle spielt.
Brenztraubensäure > Acetaldehyd
a-Ketoglutarsäure > Bernsteinsäure

Liponsäure
Die Liponsäure wird (wie auch die Spargelinhaltsstoffe) aus Cystein aufgebaut. Im
Metabolismus von Liponsäure finden wir vielleicht die Erklärung, dass bei der
Mehrzahl der Menschen der Urin nach Spargelgenuss nicht riecht, weil sie genetisch
bedingt keine Enzyme zur Metabolisierung der Spargelaromastoffe haben und somit
die Geruchsstoffe IV und V nicht herstellen können.
Spargel wirkt also nicht "entschlackend", was immer das auch sei. Es werden nur
diejenigen Stoffe ausgeschieden, die durch ihn in den Körper hineingelangen.
Der für Spargelgenuss typische Uringeruch stellt sich nämlich auch ein, wenn man statt
Spargel nur technisch hergestellte Asparagusinsäure aus dem Chemikalientopf zu sich nimmt.